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30 Kilo weniger - mit viel Fett und kaum Sport

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30 Kilo weniger - mit viel Fett und kaum Sport
©k.A.
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Ich habe relativ kurz vor Weihnachten mit der Diät begonnen, eine Zeit in der eigentlich niemand an Diät denkt (Freibad überlebt, es folgen die Weihnachtskekse). Warum? Mir war immer schon relativ gut klar, wie "schlimm" es um mein Gewicht steht, da ich eigentlich seit meiner Kindheit extrem geschwankt habe. So merkt man schnell, wenn die Waage überraschend 10 Kilo mehr zeigt als noch vor dem Sommer. Im Winter 2012, also vor etwa einem Jahr, hatte ich dann mein absolutes Höchstgewicht erreicht. Ich mache (leider) kaum Sport und wenn, dann viel zu wenig intensiv und viel zu selten. Es war also höchste Zeit, mir einen Notfallplan zu überlegen. Vor allem war ich als Freund nicht mehr repräsentativ und wundere mich immer noch, was sich hier viele Leute wohl gedacht haben. Mit einer sportlich, gut-trainierten besseren Hälfte war mein Leben fast wie das von Doug und Carrie aus der TV-Serie "King of Queens", Homer und Marge, Fred und Wilma oder ähnliche Paarungen.

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Vorher - Nachher © © Sandra Kager

Immer wieder habe ich Vorher/Nachher-Bilder gesehen, von Leuten, die eine Diät mit dem etwas japanisch klingenden Namen "Keto" ausprobiert hatten: extreme Gewichtsverluste in unglaublich kurzer Zeit. So etwas kann nicht funktionieren, so etwas kann nicht gesund sein und schon gar nicht lustig. Ich zweifle normalerweise an Diäten aus einem ganz einfachen Grund: Sie funktionieren langfristig kaum bei jemanden. Wie oft ich schon tolle Stories gehört habe, so und so viele Kilo in so wenigen Tagen. Man muss nur Salat essen oder irgendwelche Säfte, Beeren, Nüsse, oder alles nur keine Nüsse, oder kein Fett, nicht jeden Tag, aber jeden zweiten Tag, wenn der Mond gut steht und was weiß ich noch alles. Ich denke Sport und eine Ernährungsumstellung ist das Einzige, das langfristig hält und auch der einzig gemeinsame Nenner bei jenen, die es in meinem Bekanntenkreis über Jahre hinweg geschafft haben.

Mit 30 Kilo zuviel, ist es aber schwer, schnell mal einen Halbmarathon zu laufen oder von heute auf morgen weniger zu essen. Der Körper ist hungrig. Zumindest denkt man das. Aber dann probierte ich Keto. Keto ist eine wissenschaftlich erstaunlich gut fundierten Diät aus Amerika, die eine etwas vernünftigere (und faktenbasierendere) Variante von ATKINS ist. Sie wurde als Standardmethode bei epileptischen Kindern entdeckt und kommt nun als Diät auch anderen zu Gute.

Der Körper liebt Kohlenhydrate, diese lassen sich unmittelbar in Energie umwandeln. Eine Banane, oder eine Semmel, sofort Energie. Das wissen auch Diabetiker und Diabetikerinnen (aus einer anderen Richtung heraus > Insulinreaktion). So lange der Körper Kohlenhydrate hat, wird er diese zuerst verbrennen. Wenn alle Kohlehydrate verbrannt sind, verarbeitet er das aufgenommene Fett und die Proteine.

Hat der Körper zu viele Kohlehydrate aufgenommen, kann er diese kostbare Energie nur dann speichern, wenn er sie mit Wasser anreichert und somit in Fett konvertiert. Diese Fettzellen legen sich dann an. Weniger Kohlenhydrate (oder genau richtig bemessen) und es wird kein Fett angelegt.

Noch weniger Kohlenhydrate (zu wenige) und der Körper wird schwach und braucht Energie. Diese holt er sich aus allem, was noch im Magen ist (Fette, Proteine) und wenn dieser ebenso leer ist, macht er sich an die Reserven. Der Körper löst das gespeicherte Fett auf und kann dieses in Energie konvertieren. Dabei verliert er das Wasser wieder und das Fett. Da wir aber alle so verwöhnt sind, ist dieser Vorgang die ersten 2-3 Tage (kennen alle, die schon einmal gefastet hat) etwas unangenehm. Man hat Kopfschmerzen, fühlt sich beinahe wie bei einer Grippe - daher nennt man dies auch das "Keto-Fieber". In dieser Zeit lernt der Körper wieder (etwas angefressen und frustriert), wie er das gespeicherte Fett relativ schnell in Energie umwandelt. Der Vorgang heißt Ketosis (und nicht zu verwechseln mit Ketoazidose). Hat er das wieder drauf, ernährt er sich quasi vom eigenen Körperfett.

Man verliert in den ersten Tagen sofort 5-7 Kilo, obwohl man normale Portionen isst. Dies geschieht durch die Mobilisierung der Fettreserven und Abgabe des im Körper gespeicherten Wassers.

Hier noch einmal die wesentlichen 5 Punkte die mich überzeugt haben:

  1. Sport ist nicht notwendig, man stellt nur seine Ernährung um.
  2. Man ernährt sich von sättigenden Mahlzeiten und muss nicht "hungern": Fett/proteinreiche Nahrung hat eine viel geringere Insulinreaktion als Kohlehydrate, somit hat man nicht gleich wieder Hunger. Jeder kennt das McDonalds-Fiasko - nach dem Big Mac-Menü folgt der Hunger erneut zwei Stunden später.
  3. Die Diät wird in der Medizin bei epileptischen Anfällen (vor allem bei Kindern) verschrieben und dadurch lange geprüft.
  4. Man nimmt keine Nahrungsergänzungen zu sich, keine Medizin und keine esotherischen Gebete.
  5. Man darf Speck, Käse, Braten und jede Art von Fleisch essen.

Im Alltag:

Nachdem diese Diät sehr fett- und proteinreich ist, gibt es eigentlich in jedem Restaurant genügend Gerichte die sich perfekt eignen. Das Problem liegt jedoch in den Beilagen. Der Österreicher und die Österreicherin lieben Knödel, Reis und Nudeln als Beilage. Als Gebäck dann gerne noch eine Semmel oder ein Vollkornbrot. Und genau diese Dinge sind zu vermeiden. Jedes Kohlehydrat zählt. Die genaue Anzahl (in Gramm) kann man sich berechnen, empfohlen werden aber weniger als 20-30 Gramm Kohlehydrate pro Tag aufzunehmen. Das wäre etwa eine halbe Semmel – nicht sehr viel. Glücklicherweise freuen sich Tischnachbarn meist über zusätzliche Beilagen, so wird hier relativ einfach der Teller weitergereicht.

Da man sich aber nicht nur von fettigen Speisen und Fleisch ernähren kann (irgendwann wird es dann doch zuviel Fett), gewinnt der Salat (von mir eigentlich immer sehr stiefmütterlich behandelt) plötzlich an unglaublichem Wert. Es begann mit der Neuentdeckung von Rucola, über Vogerlsalat, Eisbergsalat, Blattsalat, alles Salat. Ich habe eine noch nie gekannte Liebe für Essigsorten und Salatdressings entwickelt und erkannte mich kaum wieder. Echt toll!

Das Auswechseln von Kohlenhydraten gegen Salat ist mir eigentlich relativ leicht gefallen, etwas schwieriger gestalteten sich bestimmte Speisen, wie etwa Pizza oder Burger. Es gibt zahlreiche Methoden, Keto-kompatible Pizza zu backen, oder Burger Buns. Meist schmecken diese Konzepte aber doch sehr stark nach einem netten Versuch – zumindest einer temporären Lösung.

Noch schwieriger wird es dann außerhalb der eigenen vier Wände. Daheim war meine Ernährung sofort komplett umgestellt, eine Küchenwaage, viel Salat, Käse, Eier und Fleisch im Kühlschrank und Keto machte sich nach zwei Tagen bereits bemerkbar. Eingeladen zum Essen stellte mich vor eine Herausforderung, die mir so noch nicht bekannt war. Vegetarierin und Vegetarier kennen die Situation: Man muss sich erklären, sich entschuldigen, sich nur auf die Beilage stürzen, die Hauptspeise ablehnen. Mir ging es ähnlich, hinzu kam die Frage: Keto? Oje, und das soll funktionieren? Das hältst du durch? Kein Brot, das kann ja nicht gesund sein! Was, keine Fruchtsäfte? Ich möchte deinen Arzt oder deine Ärztin mal dazu hören.

Früher oder später kommt unweigerlich der Gedanke: "Bringt's das wirklich?"

Hier zeigt sich der zweite Vorteil von Keto: Innerhalb weniger Tage merkt man sofort was passiert. Der Körper stellt die Energieverarbeitung um, man verliert relativ schnell die ersten 5 Kilo (viel Wasser). Wer sich in den ersten zwei Wochen auf die Waage stellt wird begeistert sein. So viel Erfolg, für so wenig Aufwand. Das war mein Sprungbrett. Es fällt sehr viel leichter, wenn man Erfolge vorzuweisen hat. Nach zwei Monaten merken es auch alle anderen, man wird nun mit anderen Fragen beschäftigt: Wie funktioniert das genau? Was müsste ich tun?

Was man lernt:

Zucker ist nicht nur in Süßigkeiten. Für den Körper sind Kohlehydrate wie Zucker. Ob eine Semmel oder 10-15 Stück Zucker ist das selbe Resultat. Ich hätte das nie geglaubt, hätte ich mir diese Werte nicht angesehen. Die Fruchtsäfte enthalten unglaublich wichtige Vitamine, aber eine noch unglaublichere Menge an Fruchtzucker. Mir hat niemand gesagt, dass Fruchtsaft auch negative Auswirkungen auf meine Figur haben kann (ich weiß, ich war naiv).

Ich war zum Glück nie ein großer Fan von Zucker. Weder in Süßigkeiten, noch in Fruchtsäften. Mein Cola trinke ich light und im Vergleich zu vielen anderen armen Seelen, habe ich mich auch zu Aspartam und dem ewig falschen Urban Myth dazu informiert (Tipp: Eine schlecht zitierte Studie, die später zurückgezogen wurde). Die Zuckerindustrie ist stark und aggressiv, man merkt selbst in Wien die vielen Plakate, die verzweifelt versuchen zu erklären, dass Stevia (auf Plakaten mit grausigen chemischen Formeln bezeichnet) oder andere Süßstoffe Chemie sind, während Zucker natürlich ist (zweiter Tipp: Haushaltszucker = C12H22O11).

Menschen lieben Urban Myths und man merkt, wie wenig Chance hier eine Studie oder die Meinung eines Mediziners oder einer Medizinerin oft hat. Auch unter Ärzten und Ärztinnen gibt es immer noch viele, die Keto mit Ketoacidosis verwechseln – hier hilft ein Blutwertetest (oder genereller Check) vor/nach Keto um auch die Zweifelnden zu überzeugen.

Erfolg?

Absolut. Mein Leben hat sich dramatisch verändert seit ich mit dieser Ernährungsumstellung begonnen habe. Fast 30 Kilo verloren, ein unglaublicher Fortschritt in einem Jahr, ohne Sport. Mein Kleiderkasten hat sich fast verdoppelt, einkaufen macht wieder unglaublich viel Spaß. Ich bin auch gerne wieder auf Fotos und habe kein Problem, auf Facebook getagged zu werden (eine Sache die mir vorher unangenehm war). Ich möchte demnächst auch langsam mehr Sport machen, ich fühle mich körperlich auch endlich mehr danach. Ich achte nun automatisch auf den Inhalt meines Essens, etwas weniger Kohlenhydrate, aber ab und an mal eine Pizza, kein Thema. Wenn ich Salat essen kann statt den Kartoffeln, Nudeln oder dem Reis, dann ziehe ich den Salat immer vor. Versteht man die Gefahr von Zucker (und wie wenig der Körper davon braucht eigentlich), fühlt sich "essen" ganz anders an. Ich merke wieder was ich will, was mein Körper braucht.

Es bleibt bei einer Reihe von kleinen Dingen die ich jetzt anders mache, aber noch viel wichtiger: Es bleibt das selbe Gewicht. Ich wiege mich jeden Tag und schwanke in etwa um +/- 3 Kilo, je nach Reisetätigkeit, Arbeitsstress, Essen zu Hause oder unterwegs.

Leute, die mich kennen würde im Moment sagen, ich esse absolut normal und vernünftig. Nur halt mit 30 Kilo weniger im Gepäck.

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