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"Was hat eine Frau im Hochzeitskleid mit Gemüse zu tun?"

Was im Leben einer Frau nicht fehlen darf? Sexismus! An jeder Ecke wird frau mit misogyner Werbung und übergriffigem Verhalten konfrontiert, weiß die politische Influencerin Julia.

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© iStock

Vor drei Tagen war ich mit meinem Hund spazieren. Ich kam an einer großen Plakatwand vorbei; darauf eine Frau im Hochzeitskleid, die Gemüse in einer Plastikverpackung in der Hand hält. In Großbuchstaben steht darüber "Frisch vom Markt". Ich bleibe stehen und schau mir die Werbung an. "Was hat eine Frau im Hochzeitskleid mit Gemüse zu tun?" "Frisch vom Markt" – Und dann erkenne ich den Zusammenhang; die frischverheiratete Frau ist "frisch vom Markt", genauso wie das Gemüse, das hier beworben wird. Eine Form von Sexismus. Frauen werden mit dem Gemüse als Ware gleichgesetzt und als "frisch vom Markt" betitelt. Eigentlich eine ganz deutliche Anspielung, die man aber auf den ersten Blick nicht erkennt, weil der Sexismus hier versteckt ist und man über die Werbung nachdenken muss, um zu bemerken, wie problematisch sie eigentlich ist.

Ich gehe weiter, bin immer noch wütend über die Werbung, die ich gerade gesehen habe. Ein Auto fährt vorbei und hupt mich an. Die drei Typen, die im Auto sitzen schreien irgendwas durch das offene Fenster. Als ich meinen Freundinnen von der Werbung erzähle, fragen sie mich, ob ich mir sicher bin, dass das sexistisch ist und ob ich nicht vielleicht zu viel reininterpretiere. Als ich ihnen vom Nachhupen erzähle, sagen sie mir, dass ihnen das auch oft passiert und ich das nicht so ernst nehmen darf, als Frau passiert einem sowas nun mal. Männer seien einfach so.

»Weiblich gelesene Personen wachsen so auf, dass es "nun mal so ist", dass einem nachgepfiffen oder nachgerufen wird.«

Sexismus ist so tief in uns verankert, dass wir ihn teilweise gar nicht mehr wahrnehmen oder ihn als normal ansehen. Egal ob sexistische Werbungen, Witze oder Songtexte- für uns ist Misogynie alltäglich; leider zu oft ohne Konsequenzen. Zum Beispiel existieren gegen viele Personen des öffentlichen Lebens Vorwürfe, dass sich diese übergriffig verhalten haben und trotzdem wird diesen weiterhin eine Reichweite geboten. Die Vorwürfe werden ignoriert, oder mit einem Statement, dass man klare Beweise braucht, ehe man der Person keine Bühne mehr bieten kann, abgetan. Trotz, dass es zahlreiche Studien gibt, die belegen, wie viele weiblich gelesene Personen Opfer von übergriffigem Verhalten werden. Man entscheidet sich bewusst dazu diesen Männern trotz Missbrauchsvorwürfen eine Bühne zu bieten. Das sind keine Einzelfälle.

Weiblich gelesene Personen wachsen so auf, dass es "nun mal so ist", dass einem nachgepfiffen oder nachgerufen wird. Oft schreiben mir junge Mädchen, dass sie durch mich und meinen Instagram-Kanal gelernt haben, dass es nicht okay ist, wenn sich Männer gegenüber ihnen übergriffig verhalten. Wie traurig ist es in einer Welt zu leben, in der es für die Hälfte der Weltbevölkerung normal ist, belästigt zu werden? Und nicht nur, dass es für viele normal oder alltäglich ist; viele nehmen die Belästigung nicht mal als Belästigung wahr oder denken, sie würden übertreiben- all das resultiert aus Alltagssexismus und patriarchalen Strukturen. Das Patriarchat lernt uns, dass Männer stark und gefühlskalt sind, während Frauen gerne übertreiben und zu sensibel sind. Es lernt uns, dass Männer mächtiger sind und eher für Führungspositionen gemacht sind. Wir verinnerlichen dieses Denken, diesen Sexismus in uns und es fällt uns nur auf, wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen.

»Männer töten nicht aus Liebe, sie töten, um zu besitzen.«

Die jüngsten Ereignisse in Österreich, in denen Frauen gewaltvoll ermordet wurden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Jeder kleine misogyne Frauenwitz, jedes Nachpfeifen in der Öffentlichkeit und jede Person, gegen die es Missbrauchsvorwürfe gibt, die aber trotzdem eine Bühne hat, tragen dazu bei, dass Männern gelernt wird, dass sie eine gewisse Macht gegenüber Frauen haben. Männer töten nicht aus Liebe, sie töten, um zu besitzen. Sie töten, weil sie die Macht über ihre Partnerin zu verlieren fürchten oder sie bereits verloren haben.

Aus all diesen Strukturen auszubrechen ist schwer, weil das Patriarchat nahezu überall ist. Aber genau aus diesem Grund ist es so wichtig auch über die "kleinen" Dinge, wie die sexistische Werbung zu sprechen. Es ist wichtig Übergriffe in die Öffentlichkeit zu tragen. Es ist wichtig laut zu sein und immer wieder gegen das Patriarchat zu kämpfen, auch wenn sich dieser Kampf manchmal wie einer anfühlt, den man nur verlieren kann. Wir kämpfen diesen Kampf gemeinsam.

trinksaufmich

Julia betreibt die Instagram-Seite trinksaufmich und teilt dort die Erfahrungen von Frauen, die Opfer sexueller Gewalt und Belästigung wurden. Die 24-Jährige bezeichnet sich selbst als politische Influencerin. Ihre Themen: Feminismus, Selbstliebe und ihre homosexuelle Beziehung.

Thema: Feminismus