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Was passiert, wenn man im Wald trainiert!

Wer im Wald oder Park trainiert, stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern aktiviert auch die Selbstheilungskräfte. Ist Biophilia-Training der Schlüssel zu mehr Gesundheit?

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Fitness im Wald - Biophilia

Waldluft einatmen und die Selbstheilung aktivieren!

© istockphoto.com

Dass Training an der frischen Luft gesünder ist als in einem Fitnessstudio klingt logisch, oder? Dass Fitness im Wald aber einen heilenden Effekt auf unseren Körper hat, ist vielen nicht bewusst. Biologe Clemens G. Arvay und Fitness-Trainerin Mariya Beer erklären in ihrem neuen Buch "Das Biophilia-Training", warum wir öfters unser Training von der Muckibude ins Freie verlegen sollten und wie ein unheimlicher Wald uns zu Höchstleistungen anspornt!

WOMAN: Was bedeutet Biophilia?
Clemens: Wenn in der Natur zu sein uns körperlich und psychisch guttut, dann ist es unsere Biophilia, die wir spüren. Viele Evolutionsbiologen gehen davon aus, dass die Sehnsucht nach Kontakt zu lebenden Pflanzen und Tieren genetisch in uns angelegt ist. Schon Erich Fromm, der große Psychoanalytiker, erkannte, dass die biophilen Lebenskräfte uns gesund halten und länger leben lassen. Heute haben wir eine Menge wissenschaftlicher Beweise dafür, dass der Naturkontakt uns tatsächlich auch im medizinischen Sinne positiv beeinflusst, ohne dass wir dazu Arzneimittel aus Pflanzen benötigen. Der bloße Aufenthalt in der Natur reicht dazu aus.

WOMAN: Training an der frischen Luft ist besser als in einem Fitnessstudio. Klingt irgendwie logisch. Aber was ist so besonders am Training im Wald?
Mariya: Durch den Sport im Wald wird der Biophilia-Effekt, also die heilsame Wirkung der Natur auf unseren Organismus, verstärkt. Deswegen sprechen wir vom Biophilia-Training. Durch die körperliche Aktivierung nehmen wir mehr gesunde Pflanzenstoffe aus der Waldluft auf und auch die Sinneseindrücke der Natur können über unser Nervensystem besonders effektiv auf uns wirken. Studien haben belegt, dass Sport im Wald bei Depressionen die Symptome deutlich mildert. Menschen, die regelmäßig in der Natur Sport betreiben, sind durchschnittlich gesünder als Menschen, die vorwiegend im Fitnessstudio trainieren. Außerdem motiviert uns die Natur wegen ihrer Schönheit viel mehr als das Neonlicht der Sporthallen. Es ist bewiesen, dass Menschen, die in der Nähe von Wäldern oder Parks leben, dreimal so viel Sport betreiben als der Durchschnitt – auch in der Stadt. Das natürliche Gelände ist auch besser für unsere Gelenke und trainiert feinste Muskelpartien, die im Fitnessstudio vernachlässigt werden können.

WOMAN: Sie sprechen davon, dass Bäume eine heilende Wirkung auf uns haben. Was genau passiert hier?
Clemens: Bäume geben gasförmige Substanzen an die Waldluft ab. Das sind sogenannte Terpene, die Pflanzen untereinander als „chemische Wörter“ benutzen, aber auch, um sich gegen Fressfeinde und Konkurrenten zu wehren. Beim Biophilia-Training atmen wir diese Terpene effektiv ein. Die Wirkung besteht in einer Stärkung unseres Immunsystems und unserer Selbstheilungskräfte. Die Terpene schützen uns sogar vor Herzkrankheiten. Das zeigen zahlreiche Studien der letzten Jahre, die rund um die sogenannte „Waldmedizin“ durchgeführt wurden. Wir haben uns auch mit Übungen aus dem chinesischen Chi Kung beschäftigt, dank derer man die Aufnahme von Terpenen über die Lunge verstärken kann.

Fitness im Wald - Biophilia

WOMAN: Die meisten von uns joggen eher durch den Wald. Was kann man dort noch machen?
Mariya: Wenn man achtsam durch den Wald läuft, entdeckt man dort eine Vielzahl natürlich gewachsener Trainingsgeräte. Liegestützen auf umgefallenen Baumstämmen oder Felsen sind besonders effektiv, weil unsere gesamte Körpermuskulatur dabei ständig die Unebenheiten ausgleichen muss. Oft stoßen wir auf Äste, die sich perfekt für Klimmzüge mitten im Grünen eignen. Herumliegendes Gehölz eignet sich zum Stämmen, Gewichtsheben oder Werfen. Auf liegenden Baumstämmen lassen sich Balance- und Geschicklichkeitsübungen durchführen. Der Wald eignet sich auch für einen effizienten Hindernislauf. Klettern, Laufen, Stämmen und das Überwinden von Hindernissen sind genau die Bewegungsabläufe, für die unser Körper im Laufe der Evolution geschaffen wurde.

WOMAN: Wie kann man den Wald als Fitnessstudio nutzen. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Mariya: Außer den genannten Beispielen eignen sich Wälder sogar, um ein körpereigenes Doping zu aktivieren, das völlig unbedenklich ist. Unser sogenanntes Reptiliengehirn – das ist ein uralter Teil unseres Gehirns – reagiert völlig unbewusst auf Reize aus der Natur. Wenn wir während des Trainings durch ein Waldstück laufen, das uns ein bisschen unheimlich vorkommt, weil es vielleicht etwas dunkel ist und wir von Dickicht umgeben sind, dann schüttet das Reptiliengehirn natürliche Dopingsubstanzen aus, die uns kurzfristig zu unseren persönlichen Höchstleistungen befähigen. So lässt sich unsere sportliche Leistung punktuell steigern und das Training wird effizienter. Wie wir das körpereigene Doping beim Sport in der Natur verantwortungsvoll nutzen können, haben wir in unserem Buch mit praktischen Ratschlägen beschrieben.

WOMAN: Welche Pflanzen sind besonders heilsam für Menschen?
Clemens: Feldstudien haben ergeben, dass Nadelbäume besonders viel von den Terpenen abgeben, die unser Immunsystem stärken. Mischwälder, in denen außer Laubbäumen auch Nadelbäume wachsen, sind also reichhaltig an diesen wertvollen Stoffen. Aber natürlich geben auch Laubbäume über ihre Blätter und die Borke Terpene ab.

WOMAN: Was, wenn man keinen Wald in der Umgebung hat? Sind Parks auch okay?
Mariya: Parks mit Bäumen eignen sich für das Biophilia-Training. Wir wissen aus Studien, dass Menschen, die häufig in naturnahen Parks unterwegs sind, statistisch betrachtet seltener an Zivilisationserkrankungen leiden als Menschen, die ohne Bäume leben müssen. Viele Biologen und Mediziner fordern daher bereits mehr Bäume in unseren Städten.

WOMAN: Was machen Allergiker? Für die ist Biophilia-Training wohl eher nichts...
Clemens: Allergien sind ein spezielles Thema. Sie entstehen ja oft daraus, dass unsere Gesellschaft sich von den Einflüssen der Natur entfernt hat und unser Immunsystem in der Kindheit zu wenig natürliches Training erfährt. Dieses Wissen nutzt den Menschen, die bereits Allergien haben, natürlich nichts. Wir sollten aber im Bezug auf unsere Kinder daran denken, dass der Naturkontakt verhindern kann, dass sie später Allergien entwickeln. Pollenallergiker können zumindest in den Jahreszeiten, in denen keine oder nur wenige Pollen in der Luft sind, uneingeschränkt zum Biophilia-Training aufbrechen. Wie man sich im Herbst und sogar im Winter für den Natursport rüstet, wird in unserem Buch ausführlich thematisiert. Menschen mit starken Allergien müssen im Frühjahr und teilweise im Sommer vielleicht doch aufs Fitness-Studio zurückgreifen. Aber es gibt auch Landschaften, die ganzjährig für das Outdoor-Training geeignet sind und kaum Allergene enthalten. Man denke zum Beispiel an karge Felslandschaften, wo keine Bäume wachsen, die aber dennoch sehr ästhetisch und attraktiv sind.

WOMAN: Bringt es den gleichen Effekt, wenn man im Winter im Wald zu trainieren?
Clemens: Die Einflüsse der Natur das ganze Jahr nutzbar. Es gibt keine Jahreszeit, in der wir auf Sport in der Natur verzichten sollten. Vor allem die psychologische Wirkung der Landschaft kann im Winter sehr stark sein. Naturfaszination ist auch im Jänner möglich. Wir wissen, dass lichte Waldbestände im Winter den Parasympathikus aktivieren. Das ist der Nerv der Ruhe. Dadurch geht der Gehalt an Stresshormonen im Blut zurück und unsere Stimmung wird aufgehellt. Außerdem ist es ein erhebendes Gefühl, dank der richtigen Ausrüstung selbst Eis und Schnee zu trotzen und uneingeschränkt Sport im Freien zu betreiben.

WOMAN: Zu welcher Uhrzeit sollte man in den Wald gehen? Und wie lange?
Clemens: Das Biophilia-Training ist nicht nur das ganze Jahr über möglich, sondern auch zu jeder beliebigen Uhrzeit. Wir gehen sogar spät abends zum Waldlauf im Dunkeln. Dazu verwenden wir LED-Stirnlampen mit einer Lichtstärke von 250 Lumen. Wenn dann auch noch die Sterne funkeln, ist das ein ganz besonderes Biophilia-Erlebnis. Probieren Sie es aus, es lohnt sich!

Biophilia-Training Fitness im Wald

„Das Biophilia-Training – Fitness aus dem Wald“ von Clemens G. Arvay und Mariya Beer ist ab sofort um 22 Euro im Buchhandel erhältlich.

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