"Auf den ersten Blick haben Bruce und ich nicht viel gemeinsam. Er ist ein Weißer aus einer kleinen Stadt in New Jersey, ich bin ein Schwarzer, geboren auf Hawaii, der seine Kindheit mit Reisen verbracht hat. Er ist eine Rock'n'Roll-Ikone und ich bin nicht ganz so cool." So beginnt der Podcast von Barack Obama und Bruce Springsteen. Zwei Folgen haben sie von "Renegades: Born In The USA" schon veröffentlicht. Acht weitere Episoden sind in Planung.
Das erste Mal haben sich die beiden 2008 im Rahmen von Obamas Wahlkampftour getroffen. Beim Politiker sprang gleich der Funke über: "Ich dachte: 'Mensch, der ist ja in Wirklichkeit total schüchtern.' Das gefiel mir sehr. Und dann, nachdem wir schon einige Male zusammen gegessen hatten, merkte ich, dass Bruce nur Zeit brauchte, um aufzutauen." Aus den zuerst oberflächlichen Treffen sei eine tiefe Freundschaft gewachsen.
Diese Verbundenheit spürt man, wenn sie über das schwierige Verhältnis mit ihren Vätern reden. "Ich habe mit meinem Vater nie ein richtiges Gespräch geführt", so Springsteen. "Er war schizophren und konnte keinen Job behalten. Deshalb war er viel zuhause, was unser Leben sehr schwierig gemacht hat." Auch die Großeltern hätten dem Sänger keinen Halt gegeben. Vielmehr sorgten sie mit ihrer "exzentrischen Art" dafür, dass sich Springsteen schon von klein auf wie ein Außenseiter fühlte: "Meine Oma hatte ihre fünfjährige Tochter bei einem Autounfall verloren. Deshalb wollte sie mir, als ich in demselben Alter war, alles Recht machen. Meine Großeltern ließen mir daher alles durchgehen." Er habe den ganzen Tag draußen verbracht, Nachbarn terrorisiert, sei spät ins Bett gegangen und noch später aufgestanden: "Sie meinten es gut. Aber ich kannte weder Grenzen noch Regeln." Deshalb sei er auch in der Schule nicht zurechtgekommen: "Erst als ich angefangen habe Musik zu machen, konnte ich meine Gefühle so richtig einordnen und ausdrücken."
Obama war zwei Jahre alt als sein Vater die Familie verließ. Später kehrte dieser zurück und wohnte einen Monat lang mit dem damals Zehnjährigen und dessen Mutter zusammen: "Ich spürte überhaupt keine Verbindung zu ihm. Es war so, als würde ein Fremder mit uns im Haus leben." Ähnlich wie Springsteen habe auch er sich genauso als Außenseiter gefühlt. Aber nicht nur wegen der fehlenden Vaterfigur, sondern auch wegen seiner gemischten Herkunft: "Meine Großeltern waren weiße, amerikanische Iren. Wenn ich mit meinem Opa am Strand saß, kamen oft Touristen vorbei und fragten ihn, ob ich ein echter Hawaiianer sei. Daraufhin meinte er nur: 'Das ist der Sohn von King Kamehameha.' (Der erste König auf Hawaii, Anm.)" Heute könne er über die Schlagfertigkeit seines Großvaters lachen. "Als Kind lebte ich in einer Welt, in der niemand so aussah wie ich."
Auch in den kommenden Folgen des Podcasts wollen die beiden amerikanischen Legenden ihre persönliche und die Geschichte ihres Landes beleuchten. Es sind die großen Themen wie Rassismus, Zugehörigkeit und moderne Männlichkeit, die im Fokus ihrer Gespräche stehen sollen. Warum sie so offen über ihre seelischen Verletzungen sprechen? Weil das Außenseitertum zu ihrem "American way of life" dazugehöre, so Obama: "Wenn ich mir meine besten Freunde anschaue, dann sehe ich eine große Ähnlichkeit zu dir, Bruce. Sie stammen alle aus schwierigen Verhältnissen und passten irgendwie nicht in die Gesellschaft. Aber sie zeigen mir, dass der amerikanische Traum für alle ist."