Aktuell werden in Österreich rund 20.000 PatientInnen mit Cannabinoiden behandelt. Da sorgt der sogenannte CBD-Erlass vom Dezember 2018 von Beate Hartinger-Klein, Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, natürlich für Verunsicherung. Er bedeutet einen erschwerten Zugang zu Cannabis-Produkten, auch im medizinischen Bereich. Und das, obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) CBD bereits 2017 als gesundheitlich völlig unbedenklich eingestuft hat und allgemein eine Hürdenminderung bei Cannabis empfiehlt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft CBD seit 2017 als gesundheitlich unbedenklich ein
Die ARGE CANNA (Arbeitsgemeinschaft Cannabis als natürliche, nebenwirkungsarme Arznei) setzt sich daher für die Rehabilitierung der Cannabis-Medikation ein, weil sie für viele Menschen essenziell ist. Sie fordert Klarheit statt Verunsicherung und den Start einer seriösen Debatte, wie man österreichischen PatientInnen den Zugang zur vielversprechenden Schmerztherapie unter ärztlicher Aufsicht ermöglichen kann.
"Der Umgang mit Cannabinoiden muss auch hierzulande vernünftig geregelt werden“, erklärt Kaus Hübner, Pressesprecher der ARGE CANNA, ein Vereins von Schwerkranken für Schwerkranke.
THC, CBD und Co: Cannabis als Medizin
Cannabis wird oft einseitig betrachtet, denn THC (Tetra-Hydro-Cannabinol), Hauptwirkstoff der Hanfpflanze, hat eine berauschende Wirkung. Ihr zweithäufigster Wirkstoff CBD (Cannabidiol) hat diese jedoch nicht.
Beide bieten gleichermaßen viele gesundheitlich vorteilhafte Wirkungen – laut WHO 2016 gemeinsam mit über 1.000 weitere Spuren-Wirkstoffen in der Pflanze Cannabis, darunter Cannabinoide, Terpene, Flavonoide.
Zahlreichere Forschungsergebnisse und Studien aus aller Welt bestätigen die Cannabis-Heilkraft.
In Österreich gibt es 1,5 Millionen Menschen, die mit Schmerzen leben müssen, 500.000 davon mit schweren Schmerzen; Cannabis bietet ihnen ein breites Spektrum an neuen Chancen. Cannabis-Medikation wird auch bei Krankheiten wie Magen-Darm-Beschwerden, ADHS, Migräne, Glaukom, Asthma, Morbus Crohn, Epilepsie, AIDS/HIV, Morbus Parkinson, Muskelspasmen, Querschnittlähmung, multipler Sklerose, Morbus Alzheimer, dem post-traumatischen Belastungssyndrom, dem Tourette-Syndrom, Depressionen, bipolaren Störungen und Krebs eingesetzt. Es gibt Evidenz, dass Cannabinoide anti-tumorale und pro-apoptotische Effekte auf Krebszellen haben könnten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellte Anfang 2019 als Ergebnis eines langen Forschungs- und Beobachtungszeitraums fest, dass Cannabis unter den Suchtgiften falsch eingestuft ist. Es wird mittlerweile sogar empfohlen, CBD aus der Liste der Suchtgifte völlig herauszunehmen und die Zugangsschwellen zu Cannabis als Medizinprodukt allgemein erheblich abzusenken.
CBD: in Österreich natürlich verboten, pharmaindustriell erlaubt
Dennoch wurde mit dem CBD-Erlass von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein die Verfügbarkeit von auf gesundheitliche Wirkung ausgelegten Mitteln aus Cannabis in Österreich nun in vielerlei Hinsicht erheblich eingeschränkt. Pharmazeutische Einzelsubstanz-Präparate werden nun zur alleinigen Option in Österreich gemacht, natürliche pflanzliche Zubereitungen verbannt.
„In Zukunft werden natürliche CBD-Konzentrate, die aus gesundheitlichen Gründen eingenommen oder auf die Haut aufgetragen werden, wohl nur mehr als landwirtschaftliche Rohstoffe erhältlich sein, für die der Staat jegliche Haftung ablehnt. Obwohl die Wissenschaft sagt, sie wirken besser und niedriger dosiert als pharmazeutische Cannabis-Stoffe“, so Hübner.
„Der Pflanze selbst soll – ähnlich wie vor einigen Jahren bei Stevia – jegliche Marktchance verbaut werden, indem sie weder als Nahrungsmittel noch als Arzneimittel verkauft werden und ausschließlich ohne Konsumempfehlungen, Dosierungsangaben und Wirkungsbehauptungen in Umlauf gebracht werden darf. Diese Methode hat System, leider zu Lasten von Patientinnen und Patienten.“
Dazu kommen die Kosten: Dronabinol (ein Medikament aus THC, dem betäubenden Wirkstoff aus der Cannabis-Pflanze) und CBD kosten in Österreich ca. 150 Euro für 250mg THC und 250mg CBD. Zum Vergleich: 1g Medizinhanf-Blüten in Deutschland ist für 30 Euro zu bekommen und enthält etwa 200 mg THC. 1g CBD-Blüten kosten derzeit ca. 10 Euro und enthält ca. 100mg CBD.
Obwohl derzeit 20.000 Menschen in Österreich mit Cannabis-Medikation behandelt werden – pro Monat beläuft sich dies im Schnitt auf rund 900 Euro – bleiben die meisten auf diesen Kosten sitzen. Denn die Krankenkasse bezahlt nur für 8.000 PatientInnen. Natürliche CBD-Mittel sind in heimischen Apotheken erst gar nicht zu bekommen. Seit dem CBD-Erlass müssen diese im Internet bestellt werden.
Erstes Gütesiegel für Cannabis
Um PatientInnen auch in puncto Qualität noch besser beraten zu können, hat die ARGE CANNA Europas erstes Gütesiegel für Cannabisprodukte ins Leben gerufen: den AC-Tropfen. Hier wird im Handel befindliche Ware in einem transparenten Prozess geprüft und zertifiziert: in puncto Cannabinoid-Profil, Terpen-Profil, Mikrobiologie, Pestizide, Schwermetalle und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) – in Labors in Österreich, Deutschland und Spanien. Will ein Produkt das AC-Gütesiegel erhalten, müssen alle seine Werte den geltenden Gesetzen entsprechen bzw. unter den Grenzwerten der EU liegen. Zertifiziert werden vorrangig CBD-Öle und -Konzentrate, -Liquids, -Kapseln und ähnliche Mischprodukte sowie Blüten und Tee.
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