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406.000 Klicks: Julia Brandner zerlegt sexistische Stereotype mit ihren Instagram-Videos

Typisch Mann, typisch Frau? Vergiss es! Die Wiener Comedyfrau Julia Brandner bricht mit ihren Instagram-Videos Geschlechterklischees. Richtig lustig. Wie das funktioniert? Wir haben mit der Newcomerin gesprochen.

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406.000 Klicks: Julia Brandner zerlegt sexistische Stereotype mit ihren Instagram-Videos
© Ben Deiß

"Jean Pierre, es tut mir leid, ich möchte einfach keinen Sex mit einem Mann haben, der schon mit so vielen verschiedenen Frauen geschlafen hat. Es ist ja jedem klar, dass so was das männliche Glied verformt, und dann spürst du als Frau nicht mehr so viel." Oder: "Sag, Thorsten, bist du dir sicher, dass du heute Pizza essen willst? Es ist ja schon März. Hast du keine Angst, dass du nicht mehr in deine Badehose passt?"

Willkommen in der wunderbaren Welt von Julia Brandner! Die 25-jährige Wienerin ist Comedienne und dreht für ihre 28.800 Follower auf Instagram Videos, die es in sich haben. Coronabedingt hat sie ihre Bühne in die sozialen Medien verlagert. Unter dem Arbeitstitel "Wenn man mit Männern reden würde wie mit Frauen" gibt Brandner kurze Sketches zum Besten, in denen sie Geschlechterrollen einfach auf den Kopf stellt. Und das ist schockierend, verrückt und lustig gleichzeitig! Einerseits möchte man laut loslachen, aber im gleichen Moment bleibt einem das Lachen im Hals stecken, weil durch diese Umkehrung klar wird, wie absurd unsere Welt eigentlich tickt.

Über Wutanfälle und nasse Socken

Die Idee dazu kam ihr beim Wäscheaufhängen. Genauer gesagt:nachdem sie ein "ziemlich sexistisches Buch gelesen hatte" und sich "furchtbar darüber aufregen musste". Ob die nassen Socken den Anfall überlebt haben, wissen wir leider nicht. Fest steht auf jeden Fall, dass sie bald danach ihr erstes Video online gestellt hat. "Meine Wut trieb mich an! Ich möchte zeigen, was man sich als Frau jeden Tag für absurde Dinge anhören muss, sowohl von Männern wie von Frauen, von Fremden oder sogar von der eigenen Familie." Brandner will dazu anregen, mehr darüber nachzudenken, wie wir alle miteinander reden. "Sprache formt unsere Realität", sagt sie. Und: "Ich habe mich ja selber auch oft genug dabei ertappt, wie ich den einen oder anderen Satz aus meinen Videos zu anderen Frauen gesagt habe", gibt sie zu.

Julia Brandner bricht Geschlechterklischees und verpackt sie in witzige Sketche:

Baba, Ex-Freund

Und wie ist das Feedback ihrer Follower? "Größtenteils positiv. Natürlich gibt es auch User, die sich von meinen Videos angegriffen fühlen. Da kommt dann auch heftiger Gegenwind bis hin zu Beschimpfungen. Mein Ex-Freund ist mir entfolgt, weil ich seinen Namen in einem Video erwähnt habe, aber damit kann ich leben", lacht die Comedy-Durchstarterin. "Ich bekomme oft Nachrichten, in denen mir Menschen, darunter viele Männer, erzählen, dass ihnen erst durch meine Videos viele Missstände klargeworden sind und sie das motiviert hat, ihr Verhalten zu überdenken. Das macht mich total stolz und fühlt sich so an, als hätte ich die Welt ein Stück besser gemacht."

Comedy hat der 25-Jährigen geholfen, ihre Schüchternheit zu überwinden. "Ich war früher immer sehr ängstlich und habe mich daher tendenziell eher im Hintergrund gehalten." Bei ihrem ersten Auftritt im Jahr 2019 wäre sie vor Angst fast gestorben, gesteht sie. "Es gibt auch einen Videomitschnitt davon, und ich habe fast ein Jahr gebraucht, bis ich Mut genug hatte, ihn mir anzusehen. Weil mir meine eigene Unsicherheit so peinlich war!" Mittlerweile gibt ihr "Comedy und die Tatsache, etwas gefunden zu haben, das ich liebe, gutmache und wofür ich darüber hinaus auch noch Bestätigung von außen bekomme, Selbstbewusstsein". Ihrer Mama taugt's genauso! Als Profilbeschreibung auf Brandners Instagram-Account steht da nämlich: "Meine Mutter findet mich lustig. Ich mich selber manchmal auch."

Hier eines ihrer lustigen "Wenn man mit Männern reden würde wie mit Frauen"-Sketches zum Nachschauen:

Für ihren eigenen Seelenfrieden liest Brandner dann keine Kommentare mehr unter ihren Beiträgen, wenn sie merkt, dass die Stimmung gerade ins Negative kippt: "Wenn der Hate anfängt, höre ich damit auf." Außerdem hat die Wienerin sowieso Besseres zu tun, als zu lange über unnötige Hassnachrichten nachzudenken.Schließlich arbeitet sie abseits der Schmäh-Schiene als Texterin, schreibt an einem Buch, und sie feilt an der Idee für einen Podcast. Mit einem Fernsehsender ist sie ebenfalls in Verhandlungen! "Aber alles noch nicht spruchreif..."

Über all dem steht jedoch die Sehnsucht nach einer echten Stage im "Real Life". Dazu Brandner abschließend: "Ich vermisse Comedy-Bühnen! Sie sind mein Zuhause, und es ist einfach was anderes, Likes und liebe Kommentare auf Instagram zu bekommen, als wirklich Menschen lachen zu hören." Mit diesem Wunsch ist sie nicht allein.