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Die extravagante Schauspielerin Sunnyi Melles im WOMAN-Interview

Die extravagante Schauspielerin, stets in Rosa und Schwarz gekleidet, spielt ab 31.12. am Burgtheater in Woody Allens "Mittsommernachts-Sex-Komödie" eine Männer verführende Diva. Privat geht dem Bühnenstar die Familie über alles.


Die extravagante Schauspielerin Sunnyi Melles im WOMAN-Interview
© Lukas Beck

WOMAN: Regisseur Matthias Hartmann verlegt die Handlung von „Mittsommernachts-Sex-Komödie“ ins Jahr 1905! Wie ist das für die Frau und Mann von heute?

Melles: Das sollte eine Überraschung werden! Die Emanzipation der Frau, wie man Liebe und Sexualität sieht ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts natürlich anders, aber geblieben sind dieselben Probleme, Hormone, Sehnsüchte, Verwirrungen. Genauso wie das Begehren und die Liebe gleich geblieben sind.

WOMAN: Die deutsche Psychoanalytikerin Margarethe Mitscherlich sagt mit 94 Jahren: „Die Libido erlischt erst in der Sterbesekunde.“ Stimmen Sie dem zu?

Melles: Ja natürlich! Es klingt vielleicht sogar noch nach, vielleicht wie ein Nachatmen. Ich habe mir gerade überlegt: Wie oft denke ich wie in diesem Stück an Sex und den Eros an einem Tag? Das macht vielleicht jeder Mensch. So wie ich an meinen Mann und die Kinder denke, wie ich so gestrickt bin. Es ist eine andauernde Mit-sich-Beschäftigung, was strahlt man aus, was empfängt man. Und das wird in dem Stück auf eine schöne tragisch humorige Art gespielt. Es ist ein dauerndes Flirren an Erotischen Verwirrungen.

WOMAN: Kann man begehren und lieben überhaupt trennen?

Melles: Kann man nur lieben ohne Begierde oder nur mit Begierde oder muss man diese Gefühle trennen? Durch das Analysieren bin ich total verwirrt, wenn ich von der Probe komme. Natürlich wird jeder Mensch als erotisch oder abstoßend empfunden. Man ist von einem Geruch fasziniert oder kann eine Berührung nicht ertragen. Und man wird selber getroffen wie ein Pfeil, wenn plötzlich jemand da steht und man sich verliebt. Die Liebe ist sehr brutal, sie schießt ins Herz und man kann gar nichts dabei machen.

WOMAN: Andrew und Ariel, Ihre Rolle, verbindet eine Art unausgesprochene Anziehung. Ist die heimliche Liebe nicht die schönste?

Melles: Nein. Es ist nicht unbedingt ist es die schönste Liebe. Aber wenn ich von mir ausgehe, finde ich die schönste Liebe zu meinem Mann und meinen Kindern.

WOMAN: Sie leben in einer langen Partnerschaft, was ist deren Basis?

Melles: Vertrauen. Und man muss etwas dafür tun und nicht einen Menschen nur besitzen wollen. Den Partner auch nicht immer verstehen wollen, ich liebe auch seine Geheimnisse und seine andersdenkende Lebensauffassung. Nur ich kann mich selber nicht belügen, entweder liebe ich meinen Mann oder nicht mehr. Gerade in den Krisen sehe ich wie sehr ich meinen Mann liebe und hänge. Und wenn es schön ist, ist es sowieso schön. (Aber es kann immer passieren, dass man jemanden anderen trifft, davor ist keiner gefeit.)

WOMAN: Gibt es Liebe auf den ersten Blick?

Melles: Das fragt sich Woody Allen auch, aber man weiß oft am Anfang nicht, warum man sich verliebt hat.

WOMAN: Wenn Sie so viel arbeiten, wie machen Sie das mit der Familie?

Melles: Ich glaube, ich bin nicht die einzige Familie, die arbeitet. Um meine Kinder zu sprechen und zu sehen, skype ich. Diese Kommunikation zwischen Ländern und Städten wäre im 19 Jahrhundert schwierig gewesen. Auch das I –Book ist eine geniale Erfindung, weil ich über 300 Bücher, Drehbücher und Theaterstücke in meiner Tasche habe. Ich liebe diese Kommunikation, weil man immer für die Familie erreichbar ist. Die Familie ist mein Motor, meine Basis und dann kommt lange, lange nichts.

WOMAN: Nicht der Beruf?

Melles: Meine Kinder und mein Mann sind das Schönste, was ich besitze. Ich bin mir nicht so wichtig.

WOMAN: Aber Sie haben doch einen hohen Anspruch an sich selber?

Melles: Und wie. Ich suche die Herausforderung. Ich mache es mir im Leben nicht bequem machen, worauf soll ich mich denn ausruhen?

WOMAN: Und sind Sie pflegeleicht oder fordern Sie?

Melles: Ich will herausgefordert werden, man sollte nicht immer verlangen, dass der andere denkt und lenkt. Humor ist wichtig, kritikfähig zu bleiben und mitzudenken. Ich kann gar nicht anders.

WOMAN: Wie entspannt Ihre Seele?

Melles: Wenn ich nachdenke, was mir geschenkt wurde. Und auch wenn es schwierig ist, wieder ja zu sagen. Zitat von Goethe: „Ein Werdender wird immer dankbar sein.“ Nur so lernt man an sich. Ich lerne viel, wenn ich unsicher bin, wenn ich die Forderungen annehme im Beruf und im Leben wirkt das manchmal anstrengend. Dass es geschafft wurde – wie auch immer – befriedigt mich mehr, als wenn ich mir das Mittelmaß ansehe und denke es ginge auch so.

WOMAN: Machen Sie jede Idee – und wenn Sie noch so aberwitzig ist – eines Regisseurs mit?

Melles: Natürlich. Der Regisseur ist das Wichtigste für mich, wir sind absolut voneinander abhängig. Wenn ich eine schlechte Schauspielerin bin und er ein schlechter Regisseur ist, leiden beide und manchmal stimmt die Chemie nicht. Nur nie aufgeben! Da hängt ja noch der ganze Stab dran. Ich fechte auch Streitereien auf der Bühne aus.

WOMAN: Werden Sie schwierig, wenn es während der Proben nicht so gut läuft?

Melles: Ich weiß nicht, was das Wort schwierig bedeutet. Jeder Mensch ist auf seine Art kompliziert. Das ist existenziell wichtig.

WOMAN: Bei Ihnen hat man immer das Gefühl, es sind Sie selbst auf der Bühne.

Melles: Im Leben trinke ich nie, auf der Bühne bin ich meist besoffen. Dann bring ich jemanden um, zum Glück habe noch nie jemanden umgebracht. Wie wahrhaftig man etwas tun würde, wenn man in so einer Situation ist, das ist wichtig. „Aber lass dich beim spielen erwischen“ höre ich Spencer Tracy sagen.

WOMAN: Sie sehen toll aus, verraten Sie uns ihr Geheimnis?

Melles: Ich liebe Bio, Milch von glücklichen Kühen, Datteln mit frischem rohen Ingwer. Man muss dem Körper etwas Gutes tun und sich vernünftig ernähren. Es gibt zu Hause keine Tiefkühlkost, im Tiefkühlschrank sind nur Kissen und Pullover. Der Kühlschrank ist immer leer, weil wir nur frische Lebensmittel einkaufen. Mein Mann kocht so gut. Ich bin auch nie krank.

WOMAN: Das glaube ich gerne, aber das ist doch nicht alles?

Melles: Man muss sich selber lieben, wie es auch in der Bibel steht. Das ist auch körperlich gemeint, man muss sich pflegen und darf sich nicht gehen lassen. Natürlich ist es schwer zu verzichten, aber wir essen sicher zu viel, der Körper kann das nicht verdauen. Das ist doch eine einfache Milchmädchenrechnung.

WOMAN: Stimmt das, dass Sie sich vor jeder Vorstellung bekreuzigen?

Melles: Nicht nur davor sondern auch während der Vorstellung, da ich ja auf - abtrete.

WOMAN: Ich habe gelesen, Sie sind dafür den Zölibat aufzuheben?

Melles: Jeder Mensch braucht einen Partner. Wir sind für das Alleinsein nicht so geschaffen. Diese Missbrauchsfälle sind schlimm genug. Auch wenn man homosexuell ist, darf man sich seinen Partner auswählen. Jeder hat seinen Gott und jeder hat seine Liebe. Das würde ich Papst Benedikt XVI bei einer Audienz gerne fragen. Er hat ja auch keine Antwort!

WOMAN: Welche Qualität hat Ihr Leben?

Melles: Gesund zu bleiben, um für meine Familie da zu sein. Es macht mich auch mental sehr stark.

WOMAN: Und in Ihrem Beruf?

Melles: Dass ich auf die Probe komme mit dem was ich habe und nicht mit dem was ich nicht habe.

Interview: Andrea Braunsteiner