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Wäre Raf Camora Feminist …

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Ebru Sokolova
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Ebru Sokolova, 23, knöpft sich deutschsprachige Musiker vor, die mit teils frauenfeindlichen Lyrics in den Charts landen. Ihre Texte schreibt sie zu feministischen Hymen um. Von überholten Stereotypen und persönlichen Erfahrungen.

"Wir waren die ersten, die die Tamponsteuer gesenkt haben … Camora ist topfit, macht mit Periode einen Welthit" – so in etwa könnte es sich anhören, würde Rapper Raf Camora feministische Songs veröffentlichen. Schwesta Ebra, eigentlich Ebru Sokolova, 23, aus Wien textet die Lyrics bekannter Musiker wie Yung Hurn und Capital Bra um. Die Satire-Videos postet sie auf TikTok und Instagram, wo sie zehntausendfach gelikt werden.

"Sprache schafft Bewusstsein", sagt die Lehramts-Studentin und will genau auch das damit erreichen: Aufzeigen, was falsch läuft und andere motivieren, daran etwas zu ändern. "Würden sich Vorbilder der jüngeren Generationen gezielt feministisch positionieren, könnte das zu einem (unbewussten) Umdenken bei den HörerInnen führen. Immerhin sind viele sexistische, diskriminierende Strukturen meist unbewusst in uns verankert." Das seit Jahrhunderten. Dementsprechend viel gibt es noch zu tun.

Männer müssen sich mit Feminismus auseinandersetzen, auch wenn sie glauben, es betrifft sie nicht. Tut es doch, als Teil der Gesellschaft.

Für Ebru beginnt die Veränderung bei den Kleinsten: "Es braucht Bildung und Aufklärung! Man sollte bereits Kinder dafür sensibilisieren, sodass diese vielen falschen gesellschaftlichen Annahmen erst gar nicht entstehen." Außerdem, so die Wienerin, geht es darum, ganzheitlich anzusetzen. "Es gibt ein Bild, das ich schon öfter auf Social Media gesehen habe: Auf dem steht durchgestrichen ,protect your daughter‘ und darunter ,educate your son‘. Das finde ich sehr treffend, denn Männer müssen sich mit Feminismus auseinandersetzen, auch wenn sie glauben, es betrifft sie nicht. Tut es doch, als Teil der Gesellschaft."

Ebru selbst lebt seit acht Jahren in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, steht offen zu ihrer Beziehung und Sexualität. Mittlerweile. Ihr Coming Out als Jugendliche "vom Land" war schwierig: "Ich habe mich lange sehr allein gefühlt und auch damit gehadert, es meiner Familie zu sagen, aus Angst vor ihrer Reaktion." Sie weiß, was es bedeutet, diskriminiert und abgelehnt zu werden. In einem ihrer Instagram-Postings schreibt sie über ihre Erfahrungen: "Als Teil der LGBTIQ+ Community muss man sich im Laufe des Lebens nicht selten mit Kommentaren, Bemerkungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und unangebrachten Fragen von Mitmenschen herumschlagen."

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© © Ebru Sokolova
Als ich mich dann auch noch als lesbisch geoutet habe, gingen viele davon aus, dass ich ein Mann sein wollte …

Viele Aussagen sind hängengeblieben, kränken sie auch heute noch: "Ich habe mir in der Hauptschule die Haare kurz schneiden lassen und hatte sie dann für einige Jahre so. Ich musste mir oft anhören, dass es nicht ersichtlich wäre, ob ich denn eine Frau oder ein Mann wäre. Das ging sowohl von Bekannten als auch Verwandten aus, auf Social Media sowieso, teilweise auch heute noch. Ich habe mich nicht geschminkt und habe auch sehr lange Zeit Fußball gespielt. Im Verein war ich damals jahrelang das einzige Mädchen, da gab es noch keine Mannschaften für Frauen. Alles keine stereotypischen ,Mädchensachen‘, die ich gemacht habe. Als ich mich dann auch noch als lesbisch geoutet habe, gingen viele davon aus, dass ich ein Mann sein wollte. Das hat mich damals wirklich sehr verletzt und traurig gemacht. Ich habe oft versucht mich ,extra weiblich‘ zu verhalten, um mir solche Aussagen zu ersparen, aber das bin einfach nicht ich." Eines der größten Probleme dabei: "Dass die Gesellschaft glaubt, selbst den banalsten Dingen wie Frisuren, Farben, ... ein Geschlecht geben zu müssen."

Das sind alles wichtige Schritte, die für mehr Repräsentation sorgen und jungen Mädchen zeigen, dass sie Chefinnen, Politikerinnen, Rapperinnen und Wissenschaftlerinnen werden können.

Dass wir noch lange nicht an dem Punkt angekommen sind, wo wir als Gesellschaft sagen können: "So wie’s jetzt ist, so passt’s", ist klar. Aber was hat die Welt in puncto Anti-Diskriminierung in den letzten Jahren richtig gemacht? "Es geht in die richtige Richtung", ist Ebru überzeugt: "Diversität wird gefordert, sexistische Werbungen werden online angeprangert und angesprochen. In der Musikszene gibt es weitaus mehr erfolgreiche Rapperinnen als zum Beispiel noch vor fünf Jahren. Elliot Page der ist der erste Trans-Mann auf dem Cover des Time Magazin. In den USA wurde erstmals eine Indigene Frau Innenministerin, ... Das alles sind wichtige Schritte, die für mehr Repräsentation sorgen und jungen Mädchen zeigen, dass sie Chefinnen, Politikerinnen, Rapperinnen oder Wissenschaftlerinnen werden können."

Jetzt hat die 23-Jährige ihren ersten eigenen Song veröffentlicht: "Männer haben". Es ist eine Abrechnung mit dem Patriachat und ein Plädoyer für das Frauenvolksbegehren.

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