Eigentlich sollte es jedermann klar sein, dass es keine allzu gute Idee ist, die Ehefrau in der Wohnung einzusperren. Ein Landwirt aus Niederösterreich sah das offenbar anders. Bei einem Streit sperrte er seine Frau kurzerhand für 10 Minuten bis 1,5 Stunden (Genaueres konnte im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden) in der Bauernstube des Wohnhauses mit vergitterten Fenstern ein; angeblich um eine weitere Eskalation des Streits zu vermeiden. Dass ein solches Verhalten wohl kaum zur Deeskalation beitragen wird, kam ihm anscheinend nicht in den Sinn.
Der Vorfall hatte für den Mann sehr unangenehme Konsequenzen, denn die Frau beantragte eine einstweilige Verfügung, um ihren Mann aus dem Wohnhaus wegzuweisen. Das Bezirksgericht wies den Antrag ab, weil es weder einen körperlichen Angriff noch eine gefährliche Drohung gegeben habe. Dass der Mann der Frau im Streit auch noch an den Kopf geworfen hatte, „dass man kaputt machen soll, was einen kaputt macht“ und sie noch sehen werde, was sie davon habe, wertete das Gericht als „milieubedingte Unmutsbekundungen“.
„Milieubedingte Unmutsbekundungen“ oder nahm das Gericht die Sorgen einer Frau zunächst nicht ernst?
Das Landesgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Begründung, dass es sich ja nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe. Außerdem habe der Mann die Lage ja nur beruhigen wollen.
Alles halb so schlimm also? Eher nicht, denn die Frau wollte sich damit verständlicherweise nicht zufrieden geben und brachte die Sache zum OGH. Das Höchstgericht gab der Frau schließlich Recht und entschied, dass der Mann die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung verlassen und für die Dauer von 6 Monaten nicht mehr zurückkehren darf.
Auch ein weiteres Zusammentreffen muss der Mann in diesem Zeitraum vermeiden. Der OGH stellte klar, dass der Entzug der persönlichen Freiheit eine massive, nicht tolerierbare Verletzung der persönlichen Integrität ist. Die Rechtfertigung des Mannes, er habe mit dem Einsperren der Ehefrau eine weitere Eskalation vermeiden wollen, ließ der OGH nicht gelten, weil der Mann ja auch einfach selbst den Ort des Streits verlassen hätte können.
Bezirksgerichte bei Gewaltschutzverfügungen leider viel zu zurückhaltend
Dass es dafür eine Entscheidung des OGH benötigt, ist eigentlich sehr verwunderlich und zeigt, dass die Bezirksgerichte bei Gewaltschutzverfügungen in der Praxis leider viel zu zurückhaltend sind. Die Konsequenzen einer Wegweisung mögen für den Täter durchaus schwerwiegend sein, dies kann aber nichts daran ändern, dass derartige Verhaltensweisen völlig inakzeptabel sind und unter keinen Umständen toleriert werden können.
"Ist ja nur einmal passiert" ist keine Entschuldigung
Und auch die Entschuldigung, es habe sich ja nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt, sollte Opfer nicht davon abhalten, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des OGH rechtfertigen auch einmalige Tätlichkeiten, wenn sie nicht völlig unbedeutend sind, eine einstweilige Verfügung. Und in jeder Gewaltbeziehung gibt es ein erstes Mal.

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Über die Autorin: Mag. Carmen Thornton ist selbständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Scheidungen, Obsorge und Unterhaltsverfahren. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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