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Ein Stern am heimischen Musiker-Himmel: Singer/Songwriterin Marilies Jagsch

Ihr Debütalbum „Obituary For A Lost Mind“ wurde hoch gelobt und groß gefeiert, die eindrucksvollen Gitarrenklänge und die melancholische Stimme der gebürtigen Riederin (OÖ) haben nicht nur die alternative Musikwelt begeistert. Am 28. Mai 2010 erscheint das zweite Album – WOMAN hat die 25-Jährige zum Interview gebeten.


Ein Stern am heimischen Musiker-Himmel: Singer/Songwriterin Marilies Jagsch
© Arnold Pöschl/Medienmanufaktur

Der Titel der zweiten Platte von Marilies Jagsch, „From Ice To Water To Nothing“, klingt auf den ersten Blick eher bedrückend – doch genau wie beim ersten Album „Obituary For A Lost Mind“ verbergen sich hinter den Liedern viele kleine Geschichten, die bei genauerem Hinhören gar nicht so depressiv sind. Die HörerInnen erwarten klare Akkorde, teilweise zart, teilweise laut, eine ehrliche Stimme, die manchmal zerbrechlich und zutiefst traurig wirkt, aber dann wieder kämpferisch, stark und laut. Während beim Erstlingswerk hauptsächlich Jagschs Gitarrenelemente dominierten, wirken die neuen Songs, die fast durchgehend mit Band gespielt wurden, lauter und vielleicht auch etwas wütender, wie die Songwriterin selbst verrät.

WOMAN: Ende Mai erscheint Ihr zweites Album, „From Ice To Water To Nothing“, das klingt ja vom Titel her auf den ersten Blick eher düster. Wie würden Sie sagen ist die Bedeutung des Titels zu interpretieren?

Jagsch: Der Titel ist eigentlich ein Überbegriff des Albums, er lässt sich auf viele Lieder inhaltlich übertragen... Für mich ist er nicht unbedingt düster, so wie auch der des ersten Albums, „Obituary For A Lost Mind“. „Obituary“, also „Nachruf“, bedeutet für die meisten automatisch, dass jemand gestorben ist. Bei mir ist aber keine Person gestorben, es geht um den Nachruf auf den verlorenen Verstand... Ich finde, das regt eher zum Schmunzeln an... Und beim aktuellen Album ist es auch wieder ein bisschen irreführend, aber das ist genau das, was ich daran so mag. Einerseits düster wirken, andererseits etwas ganz anderes meinen... Dieses „to nothing“ klingt, als wäre gar nichts mehr übrig. Wenn man die Aggregatszustände betrachtet gibt’s das ja eigentlich nicht: erst Eis, das schmilzt zu Wasser und dann kommt der Dampf... Der Dampf steht für etwas, das wir nicht wahrnehmen, es ist dann für uns „nichts“, weil wir es nicht mehr sehen können.

WOMAN: Wodurch unterscheidet sich „From Ice To Water To Nothing“ vom Debütalbum?

Jagsch: Es ist viel lauter. Und ein bisschen wütender vielleicht... Und durchgehend mit Band. Es gibt nur eine Solo-Nummer.

WOMAN: Waren bei diesem Album auch wieder einige Szene-Musiker mit am Werk wie beim ersten?

Jagsch: Ja, es spielt jeder zusätzlich in einer anderen Band. Gernot Scheithauer, der Schlagzeuger, spielt bei Liger, Bernd Supper, der Klavier spielt, spielt auch bei The Scarabeusdream. Und Helmut Garschall, der Gitarrist, spielt bei Echophonic. Ist bei Proben öfter schwierig, dass jeder Zeit findet... (lacht)

WOMAN: Ihr Bruder Konstantin spielt auch in Ihrer Band mit...

Jagsch: Ja, der war schon bei der vorigen Band dabei, die sich dann irgendwann aufgelöst hat. Aber mit der hatten wir nur kleine Auftritte in Ried und Umgebung.

WOMAN: Und funktioniert das mit Ihnen und Ihrem Bruder in einer Band? Oder gibt’s da auch öfter Geschwisterstreitereien?

Jagsch: Also, wenn irgendwo Stress oder so ist, dann kriegt er’s schon gern mal ab. (lacht) Aber es funktioniert generell ganz gut. Wir verstehen uns gut, wir wohnen auch in Wien zusammen.

WOMAN: Welchen Part hatten Sie in Ihrer ehemaligen Band?

Jagsch: Ich habe gesungen, aber die Lieder wurden nicht von mir geschrieben. Allerdings habe ich zu dieser Zeit begonnen, meine eigenen Lieder zu schreiben. Die haben wir dann am Ende der Bandgeschichte gemeinsam noch gespielt.

WOMAN: Was waren die ersten Schritte Richtung breitere Öffentlichkeit und Solo-Karriere?

Jagsch: Ich hatte mehrere Musiker in meinem Umfeld, die schon weiter im „Business“ waren, unter anderem die Mitglieder von A Life A Song A Cigarette. Die haben mich angetrieben, einfach auf eine Bühne zu gehen. Und irgendwann hat mir Clara ( Clara Humpel von der Band Clara Luzia, sie ist auch Gründerin des Plattenlabels Asinella Records, bei dem Marilies Jagsch unter Vertrag ist, Anm. ) auf MySpace geschrieben, dass ihr meine Demos gefallen, sie mich bei einem Konzert gehört hat und mich gerne unter Vertrag nehmen möchte. Ich habe zu dieser Zeit noch nicht so genau gewusst, ob ich überhaupt eine CD aufnehmen will, ob ich schon so weit bin. Aber der Zuspruch von Clara hat dazu beigetragen, dass das Projekt verwirklicht wurde. Ein weiterer großer Unterstützer war Charlie Bader von der MedienManufaktur, der ebenfalls sehr schnell nach einem meiner ersten Auftritte auf mich zugekommen ist und meinte, er würde mich gerne – wie man so schön sagt – managen. Das hat schon sehr viel gebracht, und auch im privaten Umfeld hatte ich viele Leute, die mich unterstützt haben.

WOMAN: Und die Eltern?

Jagsch: Die waren dann sehr schnell stolz.

WOMAN: ...waren sie denn anfangs skeptisch?

Jagsch: Nein, eigentlich haben sie uns – also mich und Konstantin – immer unterstützt. Nachdem ich nicht vor hatte, mit dem Studium aufzuhören und nur noch Musik zu machen, hatten sie keinen Grund, skeptisch zu sein.

WOMAN: Ist Ihre Familie wie Sie musikalisch?

Jagsch: Mein kleiner Bruder ist Schlagzeuger und meine Mutter hat mit uns wieder angefangen, Klavier zu spielen.

WOMAN: Und musiziert ihr da zuhause auch öfter gemeinsam?

Jagsch: Nein, nicht wirklich.

WOMAN: Sie gelten als Singer/Songwriter. Sind die Lieder vom neuen Album wieder von Ihnen?

Jagsch: Das Grundkonzept der Lieder ist von mir, das heißt die Gitarre, die Akkorde, die Lyrics schreibe alle ich. Und damit gehe ich in den Proberaum und die anderen helfen mit den Arrangements.

WOMAN: Was für persönliche Geschichten stecken hinter den Liedern?

Jagsch: Es wechselt zwischen persönlichen Erfahrungen und Dingen, die man in der Umwelt wahrnimmt. Am Ende ist es nie alleine ein persönliches Erlebnis. Bei meinen Liedern geht’s meistens um sehr viele Dinge, die zusammenwirken. Also, zum Beispiel: ich hab das erlebt, dann das gesehen, das gelesen... Diese Eindrücke führen dann dazu, dass ich mich hin setze und ein Lied schreibe. Manchmal sind’s Geschichten, manchmal Eindrücke, Momentaufnahmen... Und manchmal der Versuch, ein Gefühl für einen Moment festzuhalten.

WOMAN: Gibt es ein Lied, das für Sie am persönlichsten ist?

Jagsch: Das ist schwer zu sagen. Die Bedeutung der Lieder wechselt für mich ständig. Wenn ich mir ein Lied ein halbes Jahr später noch mal anschaue und dann überlege, was es für mich bedeutet, heißt es wieder ganz etwas anderes als zu Beginn, weil man in einer anderen Lebensphase einen anderen Zugang hat. Und jeder, der das hört, hat auch einen anderen Zugang dazu... Aber im Moment ist „From Ice To Water To Nothing“ meine persönliche Lieblingsnummer. Jedoch wechselt das ständig.

WOMAN: Ich habe bei einem Konzert einmal erlebt, dass Sie bei einem Lied offensichtlich auch sehr mit den Tränen gekämpft haben, als wäre das Spielen für Sie gerade nicht sehr leicht...

Jagsch: Ich weiß nicht mehr genau, wann das war und was da der Auslöser war. Es ist interessant, dass das nach außen so gewirkt hat. Es kann schon sein, dass der Inhalt des Liedes dazu beigetragen hat, aber ich glaube, das war was anderes...

WOMAN: Überspitzt gesagt klingen manche Ihrer Texte auch sehr depressiv. Hat es extreme Einschnitte in Ihrem Leben gegeben, die in den Liedern wiedergeben werden?

Jagsch: Ich glaube, dass jeder Mensch in seinem Leben mal irgendeinen Tiefpunkt hat, aus dem er wieder rauskommen und schöpfen muss... Und das dann in irgendeiner Form auch verarbeiten muss, und das machen die Menschen halt unterschiedlich. Ich habe nicht unbedingt Lieder geschrieben, um schwierige Phasen zu überwinden. Wenn man wirklich an einem Tiefpunkt ist, kann man nichts Kreatives schaffen... So etwas geht erst, wenn es einem besser geht. Sicherlich gab’s einige unangenehme Situationen in meinem Leben, die sich auch in den Liedern widerspiegeln, aber genauso die positiven. In meinen Texten geht es immer wieder um extreme Gefühlsmomente. Die konträren Gefühle liegen oft so nahe beieinander.

WOMAN: Gibt es eine Grundbotschaft Ihrer Songs?

Jagsch: Es geht in ganz viele verschiedene Richtungen, das kann ich nicht auf einen Satz reduzieren.

WOMAN: Was hören Sie persönlich?

Jagsch: Wenn ich jetzt drei Namen sagen würde, dann würde das ein falsches Bild ergeben... (lacht)

WOMAN: Wie schaut ein Tag im Leben von Marilies Jagsch aus?

Jagsch: Ich schätze, so ähnlich wie im Leben von anderen jungen Menschen... Eher Nachtmensch als Frühaufsteher. Und alles, was ich so mache, ist meist eher spät. Ich bin auf jeden Fall kein Mensch, der gern zuhause ist, sondern bin viel unterwegs am Abend.

WOMAN: Das Wiener Nachtleben sieht Sie also oft?

Jagsch: Ja!

WOMAN: Ihre nächsten Ziele?

Jagsch: Wir versuchen in Deutschland Fuß zu fassen. Die CD erscheint dort erst im August, aber wir sind schon fleißig am Planen.

WOMAN: Und langfristige Ziele?

Jagsch: Ich lass mein Leben auf mich zukommen...

„From Ice To Water To Nothing“ erscheint am 28. Mai 2010 bei Asinella Records (Hoanzl). Eine Woche vorher, am 20. Mai 2010 präsentiert Marilies Jagsch ihr zweites Album im Wiener WUK (Währinger Straße 59, 1090).

Mehr über Marilies Jagsch:
myspace.com/marilies
www.medienmanufaktur.com

Interview: Marlene Altenhofer