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Einschlafgeschichten für Erwachsene

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Einschlafgeschichten für Erwachsene
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Wir alle haben sie als Kind geliebt: Geschichten, die man uns ins Bett gekuschelt zum Einschlafen vorgelesen hat. Diese gibt es nun auch für Erwachsene - mit Texten, die dich besonders gut einschlafen und tief schlummern lassen.

Immer mehr Menschen leiden an Schlafstörungen. Ob es nun Stress, ein hektischer Lebensrhythmus, die ständige Erreichbarkeit oder Sorgen sind – vielen Menschen gelingt es selten, ausreichend zu schlafen. Dagegen sollen die "Einschlafgeschichten für Erwachsene" Abhilfe leisten, die nun erstmals in Buchform erschienen sind. Dabei handelt es sich um Geschichten mit idyllischem Setting und beabsichtigt sehr wenig Spannung, die die Leser:innen zu ihrer inneren Ruhe führen und sanft in einen gesunden Schlaf hinüberleiten.

Die Rückkehr einer geliebten Tradition

Früher, als wir noch Kinder waren, schien alles einfacher. Auch das Einschlafen. Unter die Decke gekuschelt, lagen wir im warmen Bett und ließen uns jeden Abend eine Geschichte vorlesen. Und egal, wie aufregend der Tag auch war, nach einer Weile fielen uns die müden Augen zu, und wir wanderten ins Land der Träume.

Heute, als Erwachsene, leben wir in einer vernetzten und hektischen Welt, übernehmen Verantwortung für uns und unsere Familien. Wenn wir abends im Bett liegen und es Zeit zu schlafen wäre, dreht sich unser Gedankenkarussell oft noch unentwegt weiter und hält uns wach. Die Folge ist unruhiger und unbefriedigender Schlaf.
Deshalb schreibt Ithar Adel Einschlafgeschichten für Erwachsene. Damit wir uns alle auch selbst die Zeit und die Liebe entgegenbringen und uns jede Nacht in den Schlaf lesen.

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Wie diese Geschichten beispielsweise aussehen und vor allem anfühlen, erfährst du hier mit dieser Leseprobe:

Einschlafgeschichte für Erwachsene: Der Nachtzug

Lena sah den dunkelblauen, altmodischen Zug langsam am Bahnhof einfahren und merkte, wie Vorfreude in ihr aufkam.
Sie war auf der Reise zum Ferienhaus der Großeltern, und sie wusste: Keine Zugstrecke war so schön wie diese. Den restlichen Abend und die gesamte Nacht würde sie in diesem Zug verbringen und morgen früh entspannt an der Endhaltestelle ankommen, in dem kleinen Ferienort am Meer, den sie seit ihrer Kindheit jedes Jahr besuchte.
Der Zug kam so zum Halt, dass Lena vor dem Wagen stand, in dem sie ihren Schlafplatz reserviert hatte. Die Tür öffnete sich automatisch, und Lena stieg erwartungsvoll ein. Der Waggon kam ihr bereits vertraut vor.

Der Zug war eines jener antiken, liebevoll eingerichteten Modelle, wie sie Lena aus alten Filmen kannte. Das Licht im Waggon war warm und gedimmt. Von draußen schien die Abendsonne herein. An diesem kühlen Frühsommerabend war es hier im Zug angenehm warm und gemütlich.

Lena ging einige Meter bis zu dem leeren Abteil, an dem sie ihre Platznummer entdeckte. Sie betrat das Abteil, setzte sich ans Fenster und stellte ihren kleinen
Koffer auf den Boden, um sich erst einmal in Ruhe umzuschauen. Sie strich sanft mit der Hand über den burgunderrot bezogenen Sitz neben ihr. Die Plätze waren geräumig, und ihrer fühlte sich sehr bequem an.

Der Boden war mit dunklem, tannengrünem Teppich belegt, der dem Abteil eine behagliche und wohnliche Atmosphäre verlieh. Die Wände des Zuges waren aus edlem Mahagoniholz. Links und rechts von dem großen Fenster, durch das die Abendsonne fiel, hingen dunkelbraune Stoffvorhänge. Sie würden das Abteil während des Schlafens angenehm dunkel halten, freute sich Lena.

Lena legte den Koffer nun auf die Gepäckablage und nahm Platz. Sie vernahm, wie sich im Hintergrund leise die Türen schlossen. Dann fuhr der Zug gemächlich los. Schon wenige Minuten später trat eine sympathische Schaffnerin ins Abteil ein und begrüßte Lena freundlich. Nachdem sie Lenas Ticket kontrolliert hatte, informierte sie sie darüber, dass dieser Zug ganz ohne Zwischenstopp bis zur Endhaltestelle durchfahren würde. Lena wusste dies bereits von ihren früheren Fahrten und liebte diese Strecke genau dafür. Sie bedankte sich lächelnd bei der Schaffnerin und wünschte ihr einen schönen Abend und eine gute Nacht. Als die Schaffnerin das Abteil verlassen hatte, schaltete Lena ihr Handy aus und verstaute es in ihrem Koffer. Sie wusste, dass sie es die restliche Fahrt nicht mehr brauchen würde und dass sie die Fahrt so am besten genießen könnte.

Lena hatte eine lange Woche hinter sich und freute sich, den Abend ganz für sich zu haben. Sie merkte, wie ein Gefühl der Dankbarkeit in ihr aufkam – dafür, dass sie diesen Abend in vollständiger Ruhe und Gemütlichkeit verbringen konnte. Sie lehnte sich in ihren Sitz, atmete tief ein und ließ mit dem Ausatmen die Anspannungen in ihrem Körper los.

Wie immer auf dieser Fahrt hatte sich Lena eine flauschige Decke und ein großes, weiches Kissen mitgenommen. Sie machte es sich in ihrem geräumigen Sitz bequem. Das Kissen legte sie hinter ihren Kopf, die Decke über den ganzen Körper. Die Decke duftete frisch gewaschen, sie war weich und warm. Lena drehte ihren Kopf und schaute entspannt aus dem Fenster, wo sie die Eindrücke der vorbeirauschenden Außenwelt wahrnahm: Der Zug hatte die Stadt bereits hinter sich gelassen und fuhr nun an kilometerlangen Weizenfeldern vorbei. Am Horizont erschien ein weitflächiger Nadelwald. Die langsam untergehende Sonne warf ihr Licht auf die vielen Bäume und hüllte den gesamten Wald in einen goldenen Schleier.

Noch weiter entfernt am Horizont erstreckte sich ein breites Bergpanorama. Die Berge, die man nur blass erkennen konnte, waren an der Spitze mit Schnee bedeckt und blieben hinter den Bäumen des Waldes, an denen der Zug vorbeifuhr, gänzlich unbewegt im Hintergrund. Der Himmel gedämpftes Blau, bestückt mit einem leuchtenden Wolkenmeer.

Bald wichen die Weizenfelder einem verträumten Weiher. An seinem Rand wiegten sich die Zweige groß gewachsener Trauerweiden im Wind. Sie ragten mehrere Meter in den Himmel. Ihre ausladenden Baumkronen ragten über den Weiherrand. Manche ihrer hängenden Äste berührten sanft die Wasseroberfläche. Auf der Wasseroberfläche des Weihers spiegelte sich das Blau des dunkler werdenden Abendhimmels. Die Abendsonne legte einen orangefarbenen, leuchtenden Schimmer auf das Gewässer, dessen Oberfläche der sanfte Wind in leichte Wellen legte. Die Wasseroberfläche funkelte golden. Auf einer Seite des Weihers waren auch die Bäume in das Abendlicht gehüllt.

Am Rande des Gewässers ragte vereinzelt wildes Schilfrohr aus dem Boden. Ringsherum pickten ein paar braungraue Enten in gelassener Geschäftigkeit mit ihren gelben Schnäbeln im Wasser herum. Unter ihnen waren auch einige Küken, die eifrig die älteren Tiere nachahmten und ihnen überallhin folgten. Einige Enten trieben unbekümmert auf dem Wasser, mit geschlossenen Augen, ihre Köpfe friedlich auf dem Federkleid abgelegt. Sie schienen die Wärme der letzten Sonnenstrahlen zu genießen.
Lenas Blick blieb bei den schlafenden Enten. Sie drehte ihren Kopf mit ihnen, während der Zug langsam an den possierlichen Tieren vorbei weiterrollte. Die ruhenden Enten strahlten Frieden und Gelassenheit aus, die Lena in diesem Moment auch in sich spüren konnte.

Lena horchte in sich hinein. Sie fühlte eine Ruhe im Brustbereich, die sie seit langer Zeit nicht mehr so klar gespürt hatte. Sie nahm wahr, wie sich ihre Bauchdecke mit dem Einatmen langsam auf … und mit dem Ausatmen langsam ab bewegte. Auf … und ab …

Mit der wohligen Wärme unter ihrer Decke überkam Lena ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit, und sie ließ sich für einen erholsamen Moment in dieses Gefühl hineinfallen.
Langsam griff sie in ihren Rucksack und holte eine silberne Thermoskanne heraus, in die sie sich ihren geliebten Gutenachttee gefüllt hatte. Sie öffnete den Deckel der Kanne und nutzte ihn als Tasse. Aus der Kanne dampfte die warme Flüssigkeit und verteilte im Abteil den wohligen Geruch von Lavendel.

Sie schenkte sich eine Tasse ein und nahm einen Schluck. Der Tee schmeckte genau so, wie sie ihn liebte. Er wärmte erst ihren Hals, dann ihren Bauch und innerhalb weniger Momente ihren ganzen Körper. Lena trank fast jeden Abend vor dem Zubettgehen noch einen Lavendeltee und fühlte sich so auch hier im Zug fast wie zu Hause vor dem Schlafengehen. Dann richtete Lena ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Szenerie außerhalb des Zuges. Sie hatten den Weiher hinter sich gelassen. Vor ihren Augen eröffnete sich ein neues Panorama. Weite, flache, sattgrüne Felder erstreckten sich über Kilometer hinweg.

Der Zug näherte sich einer Kurve und verlangsamte seine Fahrt. In diesem Tempo konnte Lena die Felder besonders genau betrachten. Das Gras wuchs wild auf unebenem Boden und war hier und da von Büscheln aus Gänseblümchen, Brennnesseln und Löwenzahn durchzogen. Der Löwenzahn hatte sich bereits in Pusteblumen mit weißen, wollig runden Köpfen verwandelt und wiegte sich leicht im Wind.

Bei genauerem Hinsehen entdeckte Lena einen Feldhasen, der über die Wiese hoppelte. Sein Fell war braun mit dunklen Spitzen. Seine Löffelohren waren länger als bei einem Kaninchen, und an den Spitzen waren sie ebenfalls dunkel. Sein runder Stummelschwanz war weiß und flauschig. Der Hase blieb stehen und mümmelte genüsslich im Gras. Für Lena war es ein beruhigender Anblick, ein Tier in ungestörter Freiheit zu erleben. Dann hoppelte er weiter und verschwand hinter einem kleinen Busch. Eine Weile lang konnte Lena noch seine Löffel hinter dem Gestrüpp erspähen, bis das Tier irgendwann gänzlich verschwunden war.

Es war mittlerweile schon etwas dunkler geworden, und an den Farben außen konnte Lena sehen, dass die Sonne schon sehr tief stand. Das dunkle Grün der Felder war an den Stellen, an denen die Sonne darauffiel, in ein sattes, schimmerndes Dunkelorange gehüllt. Für ein paar Augenblicke tauchte Lena komplett in die Szenerie ein und nahm sie in vollen Zügen in sich auf.
Lena schaute wieder verträumt auf die Felder und bemerkte vereinzelt violette Farbtupfen, die aus dem Gras ragten. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass es Lavendel war. Je weiter der Zug vor sich hin fuhr, desto mehr war der Boden mit Lavendelbüschen übersäht. Es wurden immer mehr. Bald waren die Felder weit und breit voll mit Lavendel, ebenmäßig verteilt wie ein Teppich. Das Licht der Abendsonne ließ das Violett des Lavendels besonders warm erscheinen.

Hinter dem Lavendelfeld ragte ein Hügel empor, auf dem ein paar Dutzend Häuser eng aneinander standen. Sie zeigten in verschiedene Richtungen und waren auf unterschiedlichen Höhen verteilt, vom Fuße bis zur Spitze des kleinen Berges. Die Häuser waren in rosafarbenen Pastelltönen gestrichen, von den Fassaden bis über die Türen, und selbst ihre Ziegeldächer leuchteten in sattem Rosa. Zwischen den einzelnen Häusern des Dorfes blühten Kirschbäume. Die Baumkronen leuchteten in Pink und Weiß und sahen aus der Entfernung aus wie Zuckerwatte. Die Sonne schien auf die Fassaden der Häuser und ließ das ganze Dorf warm strahlen. Mit dem Lavendelfeld am Fuße des Dorfhügels erinnerte Lena dieser Anblick an das Motiv einer romantischen Postkarte. Aus der Entfernung konnte sie keine Menschen erkennen und fragte sich, was für Menschen es wohl waren, die in dem verträumten Dorf lebten. Sicherlich waren einige Lavendelfarmer unter ihnen. Und bestimmt hatten sie einen Hang zum Schönen und wussten um die harmonische Lage ihres Dorfes, dachte sich sie sich schmunzelnd. Wer in so einer märchenhaften Kulisse lebte, wusste das bestimmt zu schätzen.

Der Abendhimmel hatte mittlerweile einen anderen Ton angenommen, die Sonne würde nun jeden Moment untergehen. Die letzten Strahlen leuchteten fast flammend rot über dem Dorf und dem Feld. Die Luft schien zu pulsieren und zu flackern. Das Lichtspektakel glich einem Gemälde, wie französische Impressionisten es malten. Lena nahm den Anblick mit einem tiefen Einatmen in sich auf und fühlte sich verbunden mit dem, was sie draußen sah, und vergaß völlig, dass sie in einem fahrenden Zug saß. Sie war eins geworden mit dem wunderschönen Anblick des Dorfes am Lavendelfeld.

Der malerische Moment dauerte nur wenige Sekunden, fühlte sich aber an wie eine kleine Ewigkeit. Innerhalb weniger Augenblicke war das feurige Spektakel vorbei. Die letzten Sonnenstrahlen waren erloschen und einem dezenten rötlichen Schleier am Himmel gewichen, der noch ein klein wenig Wärme in sich trug. Die Fassaden des Dorfes leuchteten nur noch schwach. In einigen der Häuser brannte Licht, und auf den Wegen gaben Laternen schummriges Licht von sich. Das Lavendelfeld hatte ein kälteres Violett angenommen, und Lena konnte förmlich spüren, dass es draußen mit der untergehenden Sonne um einiges kühler geworden war. In den Häusern, stellte sie sich vor, hatten es die Menschen warm und gemütlich. Genauso wie Lena in ihrem Abteil.

Dem Lavendeldorf folgten großen Felder. Lena war entspannt, und ihr Blick wanderte ins Innere des Abteils auf den gegenüberliegenden Sitz. Sie war in ihrem kleinen Reich, vor dessen Fenster die Natur ihr abendliches Schauspiel aufführte. Lena war entspannt und ausgeglichen wie lange nicht mehr.
Lena machte sich schlafbereit. Sie griff nach ihrem Rucksack, warf ihn sich über die rechte Schulter und verließ ihr Abteil. Auf dem Weg in den Waschraum lief sie an anderen Abteilen mit verschlossenen Glastüren vorbei. In einem Abteil saß eine junge Mutter mit einem Kleinkind auf dem Schoß. Der Junge schlief in ihren Armen. Sie wiegte ihn langsam hin und her und küsste ihn zart auf die Stirn. In einem anderen Abteil saßen sich eine ältere Dame und ein älterer Herr gegenüber. Beide hatten sich zugedeckt. Der Mann hatte seine Augen geschlossen und schien auch schon zu schlafen. Seine Hände lagen auf seinem Bauch und hielten ein Buch, über dem er anscheinend eingenickt war.
Die Frau trug eine Lesebrille und las bei gedimmtem Licht in einem dicken, braun gebundenen Buch.

Lena konnte nicht erkennen, was für ein Buch es war, es schien jedoch sehr spannend zu sein, denn ihre Augen folgten Zeile um Zeile mit einem konzentrierten Gesichtsausdruck. Lena musste an ihre eigenen Großeltern denken und spürte ein warmes, liebevolles Gefühl in sich aufkommen. Früher war sie diese Strecke oft zusammen mit ihren Großeltern gefahren und hatte so lange gelesen, bis sie in den Armen ihrer Großmutter eingeschlafen war.

Zurück aus dem Waschraum, ging Lena wieder in ihr Abteil. Im Vorbeigehen schaute sie noch einmal in das Abteil der älteren Dame. Sie war nun auch eingeschlafen. »So spannend war das Buch wohl doch nicht«, dachte Lena und schmunzelte. Die junge Mutter mit dem Kleinkind war ebenfalls eingeschlafen. Das Kind lag friedlich in ihren Armen, und sie hatte über sich und das Kleine eine kuschelige Decke gelegt. Lena genoss für einen Moment den friedlichen Anblick.

Wieder in ihrem Abteil angekommen, konnte es Lena kaum erwarten, es sich nun selbst bequem zu machen und zu schlafen. Sie sank auf den weichen Sitz, deckte sich mit ihrer Decke zu und rekelte sich hinein in die angenehmste Position, um entspannt zu schlafen. Sie blickte noch mal aus dem Fenster. Draußen war es bereits dunkel, und der Zug fuhr immer noch an weiten Feldern vorbei. Dort, wo die Sonne untergegangen war, schimmerten am Horizont noch einige Wolkenschleier rötlich auf. Der Rest des Himmels war blasses Blau.

In der Ferne machte Lena hohe, schlanke Türme aus, die quer über die Felder verstreut standen. Es dauerte einige Momente, bis Lena erkannte, dass es sich um Windräder handelte. Anmutig ragten sie in die Luft. Ihre Flügel drehten sich geschmeidig und ebenmäßig im Kreis. Vor dem erloschenen Abendhimmel waren die Windräder nur noch in dunklen Silhouetten zu erkennen.

Aus Neugier begann Lena, die Windräder zu zählen: Eins … zwei … drei … vier … fünf … sechs … sieben … acht … neun … zehn.
Gerade als der Zug an den Windrädern vorbeigefahren war, sah Lena, wie sie sich einer weiteren Gruppe von Windrädern näherten. Sie begann, auch diese zu zählen, diesmal etwas langsamer: Eins … zwei … drei … vier … fünf … sechs … sieben … acht … neun … zehn.
Die Windräder verschwanden allmählich in der Ferne.

Draußen war es mittlerweile richtig dunkel, und Lena erkannte nur noch die Silhouetten der Baumspitzen eines Waldes. Lenas Augenlider wurden schwer. Sie schaute sich in ihrem Abteil um, nahm noch einen Schluck vom warmen Tee und schloss ganz langsam die Augen. Sie atmete tief ein und entspannt aus. Dann ließ sie sich noch tiefer in ihren Sitz zurückfallen und merkte, wie sich ihr ganzer Körper mit einem wohligen, warmen Gefühl der Geborgenheit und Entspannung füllte. Ihr Schlafplatz trug sie durch die Nacht, und ihr war fast so, als hielte ihr Sitz sie liebevoll in seinen Armen.

Der Zug fuhr gemächlich vor sich hin und schwankte leicht. Es war wie das beruhigende, leichte Schaukeln auf einer Hängematte. Während Lena immer müder wurde, sank sie tief ein in das beruhigende, sich sanft wiederholende Fahrgeräusch des Zuges auf seiner langsamen, rhythmischen Fahrt. Es war das ihr vertraute, angenehme Geräusch, das die Räder von alten Zügen machen, wenn sie über Gleise gleiten.

Lena fing an, im Takt des Fahrgeräusches zu zählen: Bei zehn angekommen, fing sie von vorne an. Sie bemerkte, dass sie mittlerweile im Takt der Zuggeräusche atmete. Eins … zwei … drei … vier … fünf … sechs … sieben … acht … neun … zehn.
Vom Rhythmus ihres Atems getragen, lösten sich Lenas Gedanken in immer ferneren Gefilden auf, und sie glitt in einen tiefen, entspannten Schlaf.

Als Lena am nächsten Morgen erwachte, war sie wunderbar erholt. Der Zug fuhr am Bahnhof ein, und sie erkannte bereits den Strohhut auf dem Kopf ihrer Großmutter, die am Bahnsteig sehnsüchtig auf Lena wartete.

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