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Wenn Frauen keine Kinder kriegen können...

Ausbildung, Beruf, der richtige Partner und schon ist man Mitte 30 - wer bekommt heute noch früh Kinder? Kaum jemand. Deswegen wird das Thema künstliche Befruchtung immer wichtiger. Eine Option, die nicht nur lesbische Paare in Anspruch nehmen!

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Eizellenspende in Österreich

Auch für lesbische Paare ist die künstliche Befruchtung seit Anfang 2015 erlaubt.

© istockphoto.com

Anfang des Jahres wurde die Eizellspende in Österreich legalisiert und erstmals ist auch die künstliche Befruchtung für homosexuelle Paare erlaubt. Viele haben die Neuigkeit zu dieser wichtigen Gesetzesnovelle nicht mitbekommen... Warum? Weil selten darüber gesprochen wird. Nach wie vor scheint dies ein Tabuthema für viele zu sein. Kaum jemand möchte darüber sprechen... aus Scham. Dabei sollte gerade in der heutigen Zeit, in der es durch das spätere Geburtsalter immer schwieriger wird schwanger zu werden, offen darüber gesprochen werden.

"Wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt, kann dies zu einer großen psychischen Belastung für beide Partner werden", weiß die Klinische und Gesundheitspsychologin Mag. Andrea Ertl. "Vor allem Frauen neigen dazu, die Schuld sofort bei sich selbst zu suchen." Andrea Ertl begleitet Frauen und Paare auf ihrem Weg vom Kinderwunsch bis zur Mutterschaft. Mit WOMAN spricht sie über die Sehnsucht nach dem Babyglück und die damit verbundenen Strapazen ihrer PatientInnen.

WOMAN: Ist es heutzutage schwieriger Kinder zu bekommen, als vor 30 Jahren?
Andrea Ertl: Vor 30 Jahren hat man früher Kinder bekommen, heute machen viele Frauen zuerst ihre Ausbildung, möchten sich im Beruf etablieren und müssen den perfekten Partner finden, mit dem sie ein Kind zeugen. Das Geburtsalter steigt also an. Österreicherinnen bekommen derzeit durchschnittlich erst Ende 20 ihr erstes Kind. Ab 26 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit der Frau aber schon rapide ab. Deswegen ist es heute auch schwieriger ein gesundes Kind zu bekommen, als vor 30 Jahren.

Fruchtbarkeit Frau Statistik Alter
via babyforum.at

WOMAN: Warum wird so selten über das Thema künstlichen Befruchtung gesprochen?
Andrea Ertl: Für die Betroffenen ist dies ein sehr sensibles Thema, das ihnen nicht selten peinlich ist. Nicht darüber sprechen ist eine Art Selbstschutz. Aussagen von den eigenen Freunden oder Verwandten wie: "Wenn es nicht sein soll, muss man das auch akzeptieren" oder "Wenn du dich nicht so verkrampfst, wird es schon klappen" setzen Paare, aber vor allem Frauen, zusätzlich unter Druck. Dies ist auch der Grund, warum viele Frauen die Schuld bei sich suchen, wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt. Außerdem: Je mehr Leute im Umkreis davon wissen, desto mehr Erwartungshaltung haben sie. Es ist nicht angenehm, wenn man ständig gefragt wird, ob es nun endlich funktioniert hat. Deswegen wird das Thema künstliche Befruchtung wohl auch nicht so nach außen getragen.

WOMAN: Woran könnte es liegen, dass die Frau nicht schwanger wird?
Andrea Ertl: Dafür gibt es viele Gründe. Der primäre Grund ist aber das Alter. Ab 26 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit der Frau rapide ab. Mitte 30 ist es schon schwieriger ein gesundes Kind zu bekommen. Natürlich kann die Ursache aber auch beim Mann liegen. Um dies festzustellen wird ein Spermiogramm erstellt, das Aufschluss darüber gibt, ob die Spermien des Mannes in Ordnung sind. Je nachdem welches Problem vorliegt, gibt es aber Möglichkeiten, um mit einer künstlichen Befruchtung nachzuhelfen.

Verliebtes Paar

WOMAN: Seit Anfang 2015 ist die Eizellenspende in Österreich legal. Erkläre uns den Unterschied zwischen der herkömmlichen In-vitro-Fertilisation (IVF) und der Eizellspende.
Andrea Ertl: Bei der klassischen IVF wird die Eizelle der Frau genommen und mit dem Samen des Mannes befruchtet. Dies passiert im Reagenzglas, wo es dann unter bestimmten Voraussetzungen reift, um danach den Embryo in die Gebärmutter der Frau eingesetzt zu werden.
Bei der Eizellspende hingegen wird nicht die eigene Eizelle verwendet, sondern die einer Spenderin. Diese wird wieder mit dem Spermium des Mannes befruchtet und dann in die Gebärmutter eingesetzt. Österreich hat sich mit dem Gesetz in der Fortpflanzungsmedizin sehr von anderen Ländern abgehoben, denn in Deutschland zum Beispiel ist die Eizellspende noch illegal.

WOMAN: Und wer spendet diese Eizellen?
Andrea Ertl: Entweder ist es eine Bekannte oder Verwandte, die Eizellen spendet oder eine anonyme Spenderin. Bisher gibt es in Österreich mehr Anfragen, als Spenderinnen, da ein Werbeverbot für das Spenden von Eizellen besteht.

Mag. Dr. Irmhild Gruber, Biologin an der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe betont: "Ich als Frau halte das Werbeverbot für Eizellspenden für gut und wichtig, denn ansonsten könnte es so ablaufen wie in den USA, wo Frauen ihre jungen Eizellen an IVF verkaufen, um sich ihre Ausbildung leisten zu können. Die IVF-Institute verkaufen diese dann teuer an zahlungskräftige Paare weiter."

WOMAN: Welche Schwierigkeiten sind mit der Eizellspende verbunden?
Andrea Ertl: Für einige Frauen ist es nicht leicht zu verkraften, dass in ihnen ein Baby heranwächst, das genetisch nicht mit ihnen verwandt ist. Eine Patientinnen hatte zum Beispiel Angst es könnte sich so anfühlen, als würde ein Alien in ihr heranwachsen. Hier komme ich ins Spiel und helfe den Frauen in dieser schwierigen Phase.

WOMAN: Das muss auch für die Beziehung sehr belastend sein, oder?
Andrea Ertl: Natürlich, man stelle sich das gesamte Szenario vor: Wenn sich ein Paar entscheidet ein Baby zu bekommen ist die Freude total groß, dann stellt man fest, es tut sich nichts, also versucht man zum bestmöglichen Zeitpunkt (den fruchtbaren Tagen) Geschlechtsverkehr zu haben. Hier wird es zum ersten Mal schwierig, weil man nicht mehr Sex hat, weil man gerade Lust darauf hat, sondern weil man versucht ein Baby zu bekommen. Klappt dies wieder nicht, sucht man sich Hilfe in der Klinik. Wenn zum ersten Mal festgestellt wird, wer der beiden Partner "Schuld" ist, steht man unter Druck und ist von schlechtem Gewissen geplagt. Entscheidet man sich für eine künstliche Befruchtung, wird die Frau wochenlang mit Hormonen behandelt, damit sich möglichst viele Eizellen bilden. Dies ist für den Körper und Psyche sehr anstrengend. Auch der Warteprozess ist furchtbar zermürbend... immer wieder die Frage "Hat es diesmal geklappt?".

WOMAN: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es durch IVF zu einer Schwangerschaft kommt?
Andrea Ertl: Die Wahrscheinlichkeit beim ersten Mal liegt in Österreich bei 30 bis 45 %. Weniger als eine 50:50-Chance also. Das Gute ist, dass man bereits beim ersten mal mehrere Eizellen entnehmen kann (falls genug vorhanden) und diese einfriert. Wenn es also nicht klappt, kann man so auf einen Vorrat zurückgreifen und muss die gesamte Hormonspritzen-Prozedur und Entnahme nicht noch einmal durchlaufen.

WOMAN: Muss man die künstliche Befruchtung selbst bezahlen?
Andrea Ertl: Es gibt in Österreich einen Fond, der 70% der IVF finanziert, mit 30% Selbstbehalt. Jedes Paar (man muss in Österreich verheiratet sein oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben) hat vier Versuche. Außerdem darf die Frau zum Zeitpunkt des ersten Versuches einer IVF nicht älter als 39 Jahre sein und der Mann nicht älter als 49 Jahre.

WOMAN: Was, wenn es trotzdem nicht klappt?
Andrea Ertl: Es kommt auch vor, dass es nach 6-7 Versuchen nicht funktioniert. Dann berate ich meine Patienten weiter in den Fragen: Möchte ich adoptieren? Lebe ich ohne Kinder? Dies ist ein harter Prozess, denn im Grunde muss das gesamte Leben neu orientiert des gesamten Lebens, Einstellung auf Leben ohne Kinder auch die Beziehung wieder abermals auf eine harte Probe gestellt.

Andrea Ertl Klinische und Gesundheitspsychologin
www.andrea-ertl.at
Mag. Andrea Ertl, Klinische- und Gesundheitspsychologin in Wien

Mag. Andrea Ertl begleitet und unterstützt Frauen in ganz besonders schwierigen Lebenssituationen wie: Unerfüllter Kinderwunsch, Fehlgeburten oder IVF. Aber auch während der Schwangerschaft und dann, wenn das Kind da ist steht sie den Frauen zur Seite.

www.andrea-ertl.at

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