Die Polizei steigt aus einem viel gelobten Gewaltpräventionsprojekt aus, Frauenorganisationen werden drastisch die finanziellen Mittel gestrichen, im Bildungsministerium wird die Abteilungen für Gender Mainstreaming aufgelöst, Schulungen für die Polizei durch Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern werden nicht mehr finanziert: Die politischen Maßnahmen, die diese Woche bekannt oder beschlossen wurden, zeichnen ein recht eindeutiges Bild davon, welcher Wind jetzt in der Frauenpolitik weht. In den vergangenen Tagen erschienen in den österreichischen Medien so viele Berichte und Kommentare, die sich mit der mutwilligen Zerstörung frauenpolitischer und feministischer Errungenschaften beschäftigen, dass man schön langsam den Überblick verliert, was eigentlich passiert ist. Was bisher geschah:
Frauenorganisationen bangen um Existenz
Nachdem immer mehr "Einzelfälle" von Kürzungen der finanziellen Mittel diverser Frauenorganisationen durch das Frauenministerium unter der Leitung von Juliane Bogner-Strauss (ÖVP) bekannt wurden, fügt sich nach einem WOMAN.at-Rundruf bei diversen Frauenorganisationen und zahlreichen Medienberichten langsam ein umfassendes Bild zusammen. So wurden Organisationen, die zum Teil seit den 1990er-Jahren durchgängig gefördert wurden, die Mittel komplett gestrichen. Darunter etwa die "Frauen*solidarität", die bisher bzw. im Jahr 2017 17.000 Euro an Förderung durch das Frauenministerium erhielt - WOMAN.at hat berichtet. Ebenso die Organisation "Frauenhetz", die eine Institution der feministischen Bildungsarbeit ist und ebenfalls seit den 1990er-Jahren gefördert wurde, erhält vom Frauenministerium nichts mehr. Oder One Billion Rising Austria - eine 2015 gegründete künstlerische Kampagne für ein Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen - bekam 2017 vom Frauenministerium 5.500 Euro Förderung, 2018 nichts mehr. "Derzeit stehen wir vor dem Nichts - es ist existenzbedrohend für den Verein", sagt Obfrau Aiko Kazuko Kurosaki gegenüber WOMAN.at.
Weitere Organisationen denen die Mittel komplett gestrichen wurden: Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, (bisher: 5.000 Euro), "nowa" - Netzwerk für Berufsausbildung in der Steiermark (bisher 20.000 Euro), das autonome Frauennetzwerk Innsbruck (bisher 5.000 Euro), die feministische Zeitschrift L'Homme des Instituts für Zeitgeschichte (bisher 5.000 Euro), oder auch die ARGE der FrauenGesundheitszentren (bisher 20.000 Euro, alleine für Salzburg entfallen 3.000 Euro - "ein schmerzlicher Betrag für eine kleine Einrichtung wie wir es sind", sagt Geschäftsführerin Aline Halhuber-Ahlman). Eine erste grobe Rechnung ergibt hier Kürzungen in der Höhe von rund 100.000 Euro, diese Zahl dürfte wohl noch steigen. Denn das sind nur jene Organisationen, denen die Mittel komplett gestrichen wurden, viele andere haben drastische Einschnitte bei den Fördermitteln hinnehmen müssen. Allen voran der Frauenring, die Dachorganisation der österreichischen Frauenvereine, welcher fast 8.000 Euro verliert oder der Klagsverband, der sich für die Rechte von Diskriminierungsopfern einsetzt, welchem die Hälfte der Förderung gestrichen wurde - dort versucht man sich derzeit mit einer Crowdfunding-Kampagne zu retten.
Offener Brief an die Bundesregierung
Die Sorge darüber, was diese Kürzungen und auch jene, die noch folgen könnten, für die Frauen in Österreich bedeuten, hat der Österreichische Frauenring in einem offenen Brief, der am 17. Juli an die Bundesregierung erging, zum Ausdruck gebracht. Darin wird darauf verwiesen, wie sehr im Regierungsprogramm der Stellenwert von Familien und deren Unterstützung betont wurde. Dem gegenüber stünden nun massive Kürzungen, etwa jene von 4,2 Prozent bei den Familienberatungsstellen. Darüber hinaus werden auch die oben genannten Kürzungen massiv kritisiert, denn dabei handle es sich "um Frauenorganisationen, die sich seit Jahrzehnten für Frauenrechte, für Geschlechtergerechtigkeit und die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen", so der Text im Brief.
Polizei steigt aus Gewaltschutzprojekt aus
Der nächste Aufreger dieser Woche: Der Ausstieg der Polizei aus den sogenannten „Fallkonferenzen“. Hierbei haben sich bisher die Interventionsstellen gegen Gewalt an Frauen, die Justiz und eben die Polizei einmal monatlich getroffen, um miteinander darüber zu beratschlagen, wie mit bereits weggewiesenen Gewalttätern, von denen nach wie vor eine Bedrohung ausgeht, im Einzelfall umgegangen wird. WOMAN.at hat bereits ausführlich darüber berichtet. Auch hier wurde mit dem Verweis auf einen eher dürftigen Evaluationsbericht erklärt, dass man bei dem Projekt „keinen Mehrwert“ mehr erkennen könne, das Projekt wird nun eingestellt. Dass diese Konferenzen international als Best-Practice gelten und in England nachweislich dazu beigetragen haben, dass weniger Frauen von ihren (Ex-)Partnern ermordet wurden, scheint dabei nicht berücksichtigt worden sein. Dass alleine im heurigen Jahr 16 Frauen in Österreich von Tätern aus dem „Beziehungsumfeld“ getötet wurden und die Tendenz im Steigen ist, konnten Innenministerium und Polizei offenbar auch nicht von der Notwendigkeit überzeugen.
Ringvorlesung "Eine von Fünf" wird nicht mehr gefördert
Bleiben wir beim Thema Gewalt gegen Frauen: Ein Fixpunkt in der theoretischen Auseinandersetzung damit ist für einen Großteil der Studierenden auf der Uni Wien die Ringvorlesung „Eine von Fünf“ - die schon im Titel darauf verweist, dass jede fünfte in Österreich lebende Frau körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist. Diese Vorlesung wurde über 10 Jahre vom Frauenministerium gefördert - auch damit ist nun Schluss. Die Vorlesung wird zwar fürs Erste noch stattfinden, aber die Referentinnen erhalten ab sofort kein Geld mehr für die Vorlesungen, sie werden ehrenamtlich referieren müssen.
Kein Geld mehr für Referentinnen bei Polizeischulungen
Wer übrigens auch kein Geld mehr bekommt, sind jene Referentinnen der Frauenhäuser, die bisher bei der Polizei Schulung für die ExekutivbeamtInnen durchgeführt haben. Diese Schulungen werden seit dem Jahr 1997 im Rahmen der Polizeigrundausbildung durchgeführt. Dabei haben Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern die PolizistInnen etwa in Sachen Gewaltschutzgesetz geschult, aber auch aus ihren Erfahrungen in der Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen berichtet und die BeamtInnen für den Umgang mit Betroffenen sensibilisiert. Auch damit ist Schluss. Aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Stephanie Cox (Liste Pilz) durch den zuständigen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) geht hervor, dass sich das Innenministerium nun gemeinsam mit der "Frauensektion im Bundeskanzleramt" – dem Frauenministerium – in einer "koordinierten Herangehensweise" um die Seminare kümmere.
Hier muss angemerkt werden, dass dieser Beschluss noch von der Vorgängerregierung, also unter dem damaligen Innenminister und heutigem Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gefasst wurde. Das ändert nichts daran, dass es im Jahr 2018 für die Schulungen durch Frauenhaus- und Interventionsstellenmitarbeiterinnen keine Bezahlung mehr gibt - wenn sie damit weiter machen wollen, dann müssen sie Gratis-Vorträge halten. Darüber hinaus wurden die Seminare, die im Rahmen der Grundausbildung stattfinden von 16 auf 12 Stunden gekürzt.
Unterrichtsprinzip Erziehung zur Gleichstellung aufgehoben
Und noch etwas ist passiert: Im Rahmen der neuen Regierungsbildung wurden bzw. werden auch viele Ministerien und ihre Abteilungen neu strukturiert - so auch im Bildungs- und Wissenschaftsministerium unter der Leitung von Heinz Faßmann (ÖVP). Dort wurde eine neue Geschäftseinteilung beschlossen, im Rahmen derer unter anderem die Sektionen für Allgemeinbildung und Berufsbildung zusammen gelegt wurden. Eine Erscheinung dieser neuen Geschäftseinteilung ist, dass damit auch die Abteilung "Gender Mainstreaming - Gleichstellung und Schule" nicht mehr existieren wird. Im Bildungsministerium verweist man darauf, dass zwar die Abteilung in der Form nicht mehr existiert, aber eine Arbeitsgruppe zum Thema in der neu geschaffenen Abteilung "Gleichstellung und Diversity" eingerichtet wird. Das habe nichts damit zu tun, dass Gender Mainstreaming keine Priorität mehr habe, sondern sei eine Folge der Zusammenlegung von Bildungs- und Wissenschaftsministerium. So oder so: Pikant mutet dieses Detail der neuen Geschäftseinteiltung in jedem Fall an, nicht zuletzt deshalb weil erst kürzlich das Unterrichtsprinzip "Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern" aufgehoben wurde - zur „administrativen Entlastung von Schulleitungen“ wie es im Rundschreiben Nr. 09/2018 heißt, das gleichzeitig auch 99 andere Rundschreiben und Erlässe aufhebt.
Kommunikation fragwürdig
Irritierend ist bei all dem nicht nur die politische Herangehensweise, sondern auch die kommunikative. Wie bereits erwähnt, wurden zahlreiche betroffene Organisationen zu einem sehr späten Termin über die Kürzung oder komplette Streichung der finanziellen Mittel informiert bzw. wissen sie nach wie vor nicht, ob sie von Kürzungen betroffen sind und wie es weiter geht. Viele Organisationen müssen seit Jänner Personalkosten vorfinanzieren. Und bleiben im schlimmsten Fall darauf sitzen. Aber nicht nur das, viele der betroffenen Institutionen wurden nicht mal direkt informiert, sondern haben auf Umwegen oder durch Zufall davon erfahren. Und auch wenn man als Journalistin diesen Dinge nachgehen will, wird es einem nicht gerade leicht gemacht. Sowohl im Frauen- als auch im Innenministerium wird man sofort darauf verwiesen eine E-Mail zu schreiben, dem dann entweder eine verklausulierte, unbrauchbare Antwort folgt oder im Falle dessen, dass sogar ein Rückruf gewährt wird, man zumindest mehrere Stunden, teils Tage und oft auch für immer (vergeblich) darauf wartet.
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