Heuer ist der österreichweite Equal Pay Day. Statistisch gesehen fangen Frauen erst heute an, für Lohn zu arbeiten, während Männer schon seit Jahresbeginn ihr Einkommen erhalten. Dieser Tag wird seit 2009 mit Hilfe der jüngsten, nationalen Einkommensstatistik berechnet. Der Equal Pay Day soll deutlich machen, wie viele Tage Frauen im Jahr mehr arbeiten müssen, um das gleiche Jahreseinkommen wie Männer zu beziehen.
Wir sehen die Zahlen der AK, die sagen, dass sich die Einkommensnachteile einer Frau in ihrem ganzen Leben auf 435.000 Euro summieren. Und wir sehen auch die Zahlen von kleineren, nicht repräsentativen Umfragen, wie von der Grünen Wirtschaft. In der Befragung selbstständiger Frauen und Männer zeigte sich, dass 50 Prozent jener Unternehmerinnen, die nur 6.000 bis 12.000 Euro im Jahr verdienen, kein zweites Standbein haben. Somit kann ihre Einkommenssituation durchaus als prekär bezeichnet werden.
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Doch Zahlen hin oder her: Wie geht es den Frauen wirklich in ihrem Arbeitsleben? Wie erleben sie die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in ihren Branchen? Und am wichtigsten: Welche Veränderungen wünschen sie sich für die Zukunft? Wir haben diese Fragen mit drei Unternehmerinnen besprochen, die nicht nur unterschiedlich alt, sondern auch in komplett verschiedenen Branchen tätig sind.

WOMAN: Erzählen Sie bitte etwas über sich und Ihr Unternehmen!
Mag. Verena Florian: Ich habe Geschichte studiert, bin aber seit 20 Jahren Unternehmensberaterin und Coach. Zunächst habe ich gemeinsam mit meinem Mann ein Unternehmen aufgebaut. Ich bin jetzt dabei, mich ein zweites Mal selbstständig zu machen, mache jetzt mein eigenes Ding. Begonnen habe ich damit, dass ich mein erstes Buch schreibe, 'Männer und Frauen, die sich etwas trauen'. Da geht es um Männer und Frauen in Führungspositionen.
Durch die vielen Interviews, die ich für das Buch gemacht habe und durch eine Umfrage der Grünen Wirtschaft, habe ich gesehen, wie es Frauen in der Selbstständigkeit geht. Man kann an den Umsätzen ablesen, wie es um die Arbeit und ihre Leistung steht.
WOMAN: Sie haben zwei Töchter. Wie war das bei Ihnen mit der Kinderbetreuung?
Mag. Verena Florian: Das Vereinbaren mit Kindern und Arbeit ist nicht leicht. Man sieht an den Umsätzen und den Interviews, dass wir Frauen noch sehr stark in der traditionellen Rolle als Mutter und Hausfrau verhaftet sind. Ich will mit meinem Buch auch zeigen, dass wir uns da selber am Schopf packen und uns aus der Geschichte rausreißen müssen. Denn die gute Nachricht an der Sache ist ja, dass die Männer immer mehr in der Familie sein wollen und nicht mehr nur an Beruf und Karriere denken.
WOMAN: Haben Sie also das Gefühl, dass Frauen, weil sie vom Kopf her noch in den alten Rollen stecken, in beiden 'Welten' alles können müssen? Also, dass sie selbst nicht loslassen können?
Mag. Verena Florian: Ja, das haben Sie gut auf den Punkt gebracht. Wir Frauen sind tatsächlich noch in einem starren Feld zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wir sind halt so verantwortungsbewusst - natürlich Männer auch. Und viele Männer, mit denen ich gesprochen habe, erfahren genau dieselbe Doppelbelastung, die früher nur die Frauen kannten. Sie haben genau denselben Stress wie wir.
Männer aus den 1980er Jahrgängen ticken da schon anders, die wollen einen aktiven Part in der Familie haben. Mein Mann tickt auch anders: Wir haben von Anfang an halbe halbe gemacht. Wenn ich damals einen Mega-Job angeboten bekommen hätte, dann wäre er sofort zuhause geblieben. Der war die bessere Mutter als ich! Dieses Sorgen hat mein Mann viel mehr intus und daran sieht man auch, dass man so Stereotype nicht verallgemeinern kann, denn sonst wird dieses Sorgende eher den Frauen zugeschrieben.
Wenn man von dem ersten Jahr mit dem Kind mal absieht, wo die Mutter natürlich sehr wichtig ist, dann kann man schon sagen: Die Männer fordern das ein, sie wollen mehr dabei sein bei der Familie!
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WOMAN: Merken Sie in Ihrer Branche einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Mag. Verena Florian: Ja, total. Das wurde mir auch in den Interviews bestätigt! Ich habe über die Jahre gelernt, mich als Selbstständige selbst zu vermarkten. Ich gehe mittlerweile wahnsinnig gerne auf Netzwerk-Veranstaltungen, wo nur fremde Leute sind. Mit der Zeit habe ich gelernt, es zu mögen. Aber das gehört tatsächlich zu den Dingen, die Frauen immer noch nicht gern machen. 'Tue es gut und rede davon' ist jetzt mein Slogan, entstanden aus meiner Erfahrung und aus dem, was mir die Personen in den Interviews erzählt haben.
Frauen sollten sich aneignen, was Männer sogar manchmal zu viel tun: Sie meinen oft, etwas zu können, wo sich dann rausstellt, dass dem gar nicht so ist. Und bei uns Frauen ist es so, dass wir bei 1 Prozent des Nicht-Könnens schon sagen:'Oh nein, ich kanns doch nicht!'. Wir haben da einen starken Hang zum Perfektionismus. Und wir trauen uns nicht, uns breit hinzustellen, so richtig mit Brust raus und zu sagen: 'Ich kann das, ich mach das!', und vor allem: 'Ich mache es gut genug!'.
WOMAN: Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft? Einen Rat, was man machen könnte, damit sich die Welt mehr in Richtung Gleichberechtigung bewegt?
Mag. Verena Florian: Zunächst einmal wünsche ich mir Transparenz! Das haben mir auch meine Interviewpartnerinnen bestätigt: Es muss transparenter sein, was Frauen und Männer verdienen. Aber einen Punkt finde ich ganz wichtig: Wir Frauen müssen uns trauen, einen adäquaten Preis für unsere Leistung zu verlangen. Ich erlebe das immer wieder bei den Unternehmerinnen!
Wir müssen mit einem guten Selbstbewusstsein rausgehen und uns besser verkaufen. Das müssen wir einfach lernen, denn obwohl das nicht bei allen Frauen so ist, habe ich schon oft gehört, dass sie dann negatives Feedback auf Ihre Preisvorstellungen bekommen haben. So auf die Art: 'Na, du übertreibst ja jetzt ein bisschen.' Bei einem Mann würde das nicht so bewertet werden, da würde man eher sagen: 'Aha, der ist sicher sehr kompetent, wenn er so viel Geld verlangt.' Man ist es noch nicht gewohnt, dass eine Frau sehr selbstbewusst auftritt. Und daran müssen wir arbeiten!

WOMAN: Erzählen Sie bitte etwas über sich und Ihr Unternehmen!
Dr. Christine Pernlochner-Kügler: Mein Unternehmen ist ein Bestattungsunternehmen in Tirol. Wir sind das älteste Unternehmen in Tirol, mit dem Gründungsjahr 1872. Lange Zeit war das ein reiner Familienbetrieb, bis es 2012 zu einer Übernahme gekommen ist. Mitbeteiligt an dieser Firma sind der Sohn der ehemaligen Besitzerin und zwei Quereinsteiger: Mein Kollege und ich. Davor waren wir schon im Bestattungsbereich tätig, doch nach vielen Jahren bei der Trauerhilfe, ist uns klar geworden, dass es für uns in der Trauerhilfe keine Zukunft mehr gibt. Und da kam dann die Möglichkeit, dieses alte, traditionelle Unternehmen zu übernehmen.
Wir haben diesen heruntergewirtschafteten Betrieb neu aufgebaut und stehen mittlerweile sehr gut da. Wir haben umgebaut, ausgebaut und sind wieder ein sehr 'gesundes' Bestattungsunternehmen. Wir wollen uns ein bisschen absetzen von den anderen Unternehmen: Wir bieten Qualität an! Jeder Verstorbene bekommt das, was seinen Bedürfnissen entspricht. Wir haben auch die moderne Thanatopraxie (Anm. alle Tätigkeiten, die eine ästhetische Behandlung des Toten umfassen) in Tirol eingeführt. Einen Verstorbenen trotz seiner Verletzungen schön herzurichten ist aber nur die eine Seite, das Begleiten der Angehörigen in Zeiten des Abschiednehmens ist die andere. Da stellen wir uns immer wieder die Frage: "Wie kann ich das Abschiednehmen so gestalten, dass die Leute rausgehen und sich denken 'Das hätte ich mir nie gedacht, aber das war jetzt richtig schön.' ''
WOMAN: Merken Sie in Ihrer Branche einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Dr. Christine Pernlochner-Kügler: Ich habe natürlich drauf geachtet, dass ich gleich viel verdiene, wie meine Kollegen. Ich habe damals aber auch viel selbstständig gearbeitet, habe Vorträge gehalten, und für mich war klar, dass ich mich in der Bestattungsbranche nicht unter Wert vermarkten werde. Dieser Aspekt hat immer gepasst. Was bei der alten Firma aber immer zu spüren war, ist die gläserne Decke, also, dass immer nur Männer das Sagen hatten. Und das ist jetzt im neuen Unternehmen überhaupt nicht so.
WOMAN: Frauen haben es oft schwerer mit dem Netzwerken, habe ich schon öfters gehört. Sie müssten mehr aus sich rausgehen und sich besser vermarkten. Wie sehen Sie das?
Dr. Christine Pernlochner-Kügler: In unserem Unternehmen bin ich die Netzwerkerin! Ich kommuniziere gerne nach außen, mit den Medien, und habe gemerkt, dass ich da gut ankomme. Und ich halte auch die meisten Vorträge. In meiner Erfahrung, sind die Frauen eher die Netzwerkerinnen, während die Männer ihre alteingesessenen Seilschaften haben. Und diese darf man nicht unterschätzen.
WOMAN: Sie haben einen Sohn. Wie hat bei Ihnen die Kinderbetreuung funktioniert?
Dr. Christine Pernlochner-Kügler: Ich habe festgestellt, obwohl der Leon ein geplantes Wunschkind war, dass es nicht meine Rolle ist, das Muttersein. In den ersten anderthalb Jahren, als ich zuhause war, ist es mir nicht gut gegangen. Und danach war es wirklich schwierig in Tirol, mit der Kinderbetreuung. Ich habe angefangen zu arbeiten, eben mit der Vortrags-Geschichte, und fast das ganze Geld aus dieser Tätigkeit ist sofort in die Kinderbetreuung geflossen. Es ist kein Cent übriggeblieben, aber ich wusste, ich muss da dranbleiben, denn wenn ich nichts tue, dann werde ich verrückt.
Später habe ich mich hochgearbeitet und da war es dann finanziell kein Problem mehr. Es war einfach schwierig, einen Kindergarten- oder Krabbelstubenplatz zu finden, der mit meinen Arbeitszeiten vereinbar war. In Tirol ist es mit der Kinderbetreuung ja ohnehin katastrophaler als im Rest von Österreich. Aber ich glaube, dass wenn dieser Teil besser funktionieren würde, auch mehr Frauen bessere Jobs machen könnten.
WOMAN: Bedeutet Ihrer Meinung nach 'Karriere machen' für Frauen und Männer etwas anderes?
Dr. Christine Pernlochner-Kügler: Ja, das ist historisch so gewachsen. Es war früher so, dass wer als Mann weiterkommen wollte, der hat es halt gemacht. Und wir Frauen müssen noch viel mehr Arbeit und Kraft reinstecken, um diesen Weg zu gehen.
WOMAN: Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft? Einen Rat, was man machen könnte, damit sich die Welt mehr in Richtung Gleichberechtigung bewegt?
Dr. Christine Pernlochner-Kügler: Von heute auf morgen schaffen wir es leider nicht, den Gender Pay Gap zu schließen. Aber ich finde, wir Frauen müssen es auch einfordern und uns nicht abspeisen lassen. Viele Frauen haben einfach zu wenig Selbstbewusstsein. Die sind oft froh, dass sie einen Job haben und hinterfragen dann nicht das Gehalt. Es ist ganz schwierig, denn ich kann den Männern nicht sagen: Seid fair! Es gibt faire Männer, Gott sei Dank, aber es ist nicht überall so. Wir müssen also das Bild der starken, selbstbewussten Frauen in den Köpfen der Männer verankern.

WOMAN: Erzählen Sie bitte etwas über sich und Ihr Unternehmen!
Gabriele Harmtodt: Ich bin selbstständig seit 1999 und habe meine Firma als Einzelperson gegründet, allerdings von Anfang an mit einer Kollegin, die auch als Einzelperson arbeitet. Das ist ganz praktisch, um sich gegenseitig in schwierigen Situationen zu unterstützen, zum Beispiel bei größeren Projekten. Wir sind GrafikdesignerInnen, ganz klassisch.
WOMAN: Ich habe schon öfter gehört, dass sich viele Frauen nicht trauen würden, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Und wenn, dann funktionieren Firmen am besten, wo ein Mann und eine Frau gemeinsam an der Spitze stehen. Wie sieht da Ihre Erfahrung aus?
Gabriele Harmtodt: Interessanterweise arbeite ich seit Anbeginn mit Netzwerken zusammen. Ich arbeite hervorragend mit Frauen-Teams zusammen. Meine Erfahrung ist da also ganz anders. Wenn Männer dabei waren, war das Zusammenarbeiten eher schwieriger. Die waren nie so zuverlässig, hatte ich das Gefühl.
WOMAN: Inwiefern nicht zuverlässig?
Gabriele Harmtodt: Es geht da mehr um plötzliche Änderungen. Denn wenn man ein gemeinsames Büro hat und gemeinsame Sachen kauft, dann hofft man schon, dass das etwas längerfristiges ist. Und mit Frauen hatte ich da noch nie ein Problem. Es ist aber auch so, vor kurzem habe ich ein einjähriges Projekt abgeschlossen, an dem ich nur mit Frauen zusammengearbeitet habe. Wir hatten viel Stress, wir haben viel diskutiert, aber wir haben uns nie angeschrien oder gestritten. Wenn ein Mann dabei war, wurden so Spitzen ausgetauscht, wobei ich da aber nicht verallgemeinern möchte.
WOMAN: Merken Sie in Ihrer Branche einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Gabriele Harmtodt: Kann ich jetzt nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, wirklich ohne Belege oder so etwas. Das finanzielle kann ich nicht sagen, wir versuchen immer unsere Stundensätze so umzusetzen, wie es für uns passt. Unsere Stundensätze sind sehr moderat und transparent in der Preisgestaltung. Es ist aber schon so, dass sich Frauen in meinem Umfeld gedacht haben:'Kann ich das meinen Kunden wirklich abverlangen?' Ein anerzogenes schlechtes Gewissen befällt viele Frauen, habe ich bemerkt, wenn es ums Geld geht. Aber wie gesagt, ich weiß nicht, ob Männer da kaltblütiger sind, oder nicht.
WOMAN: Glauben Sie, dass sich Frauen, wenn sie Kinder haben wollen, entscheiden müssen, zwischen Kind und Karriere?
Gabriele Harmtodt: Bei mir war es eine Entscheidung, dass ich keine Kinder möchte. Ich würde nicht sagen, dass es mir von außen aufgezwungen wurde. Bei mir war der Kinderwunsch nicht so essentiell und für mich war eines klar damals, als ich mich selbstständig gemacht habe: In einem Land, in dem es so ungleich aufgeteilt ist, wer die Care-Arbeit macht und wer das Geld verdient, da möchte ich kein Kind haben und gleichzeitig eine Firma.
Die Kinderbetreuung von staatlicher Seite ist nicht gut genug und es gibt nicht genug Kinderbetreuungsplätze. Und da gibt es eine gesamtgesellschaftliche Haltung, dass Frauen oft allein bleiben - in einer Partnerschaft, oder auch alleinerziehend. Und das war etwas, wo ich wusste: Das werde ich nicht machen.
WOMAN: Bedeutet Ihrer Meinung nach 'Karriere machen' für Frauen und Männer etwas anderes?
Gabriele Harmtodt: Ich mag das Wort Karriere gar nicht so gern. Für mich ist es wichtig, dass ich das tue, was ich kann und was ich auch gerne mache. Das ist für mich Karriere! Ich brauche keinen Titel, keinen Porsche oder sonstige Statussymbole. Und es kann sein, dass die in der klassischen Männerwelt immer noch wichtig sind, diese Statussymbole. Ich glaube aber nicht, dass das ein Zukunftsmodell ist.
WOMAN: Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft? Einen Rat, was man machen könnte, damit sich die Welt mehr in Richtung Gleichberechtigung bewegt?
Gabriele Harmtodt: Mir gefällt das isländische Familienbild ganz gut, denn da ist ganz klar definiert, dass die Verantwortung knallhart aufgeteilt wird. Es ist nicht so wischi-waschi, wie bei uns. Ich wünsche mir, dass das irgendwann in Österreich auch so verankert wird. Ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde, aber das wäre mein Wunsch.
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