Hoch oben am Berg in Tirol lebt sie so, wie es sich erfüllend anfühlt: bewusste Begegnungen mit der Natur, Treffen mit ausgewählten Menschen und genaue Regeln in Sachen digitale Medien. Für die "Klarheit", um die Monika Schmiderer selbst so viele Jahre gerungen hat, findet sie hier ein ideales Umfeld. Doch das Erkennen innerer Muster, der konstruktive Umgang mit Gefühlen ist nicht ortsgebunden. "Klarheit ist eine innere Haltung, die stärker und stabiler ist als die Stürme im Außen", so die 37-Jährige. "Sie ist nicht das Gegenteil, sondern die Abwesenheit von Verwirrung und Unsicherheit." Wie man so eine sichere Festung in sich anlegt, hat sie in ihrem neuesten Buch "Finde Klarheit" beschrieben. Eine in vier Jahren Arbeit entstandene Anleitung zu mehr Tiefgang. Mit Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben.
Ein ständiges Müssen.
Sie war einst von diesem Ziel mehr als weit entfernt, "ein Kind der 80er-Jahre", schreibt sie. "Ich habe geglaubt, was die Welt mir beigebracht hat." Besser sein zu wollen als die anderen. "Und dass Effizienz uns erfolgreich und Erfolg uns glücklich macht." So wurde sie vom fleißigen Mädchen zur Spitzenschülerin, zur schnellen Studentin und letztlich zur engagierten Jungunternehmerin. Eine gefragte Kreativkraft mit eigener Werbeagentur. Sie arbeitete bis spät in die Nacht, hatte ein offenes Ohr für jeden und sorgte sich um den Planeten. "Doch immer öfter ging ich leer aus den Gesprächen, fühlte mich in Gesellschaft allein. Es wurde schwer, abends zur Ruhe zu finden und morgens aus dem Bett zu kommen."
Während sie nach außen noch eine Zeit lang das Bild der Powerfrau aufrechterhalten konnte, wurde ihre Seele immer kränker. "Aber ich musste ja so unendlich viel. Ich musste schnell sein, aber durfte keine Fehler machen. Ich musste mich behaupten, durfte aber niemanden vor den Kopf stoßen. Alles geben, aber sollte wenig dafür nehmen. Ich musste mitfühlend sein und nahbar, aber selbst damit klarkommen, wenn mir etwas zu nahe ging." Die Sehnsucht, nicht mehr auf dieser verwirrenden Welt weiterleben zu wollen, wurde für die damals 26-Jährige immer größer, bis sie sich dazu durchrang, Hilfe zu holen. Erschöpfungsdepression hieß die Diagnose. Ein langer, heilsamer Weg mit intensiven, teils auch alternativen Therapien folgte. "Ich habe gelernt, gesunde Grenzen zu setzen und meinen eigenen Bedürfnissen ehrlich zu folgen. Meditation hat mir sehr geholfen und Flow Writing. Das heißt: Gedanken, Ideen und Gefühle einfach so aufzuschreiben, wie sie gerade fließen."
Was ihre Agentur betraf, so suchte sie sich nur mehr Partner, die auf der menschlichen Ebene hundertprozentig passten. Von Freundschaften, die nicht guttaten, verabschiedete sie sich. Heute kommt sie ganz ohne Medikamente aus.
Innere Leitung.
"Das einfachste Prinzip", so weiß Schmiderer, "um wieder mehr Ordnung ins Leben zu bringen, ist der Grundsatz: Innen ja, außen ja. Innen nein, außen nein. Wenn ich etwa ein Ja aus dem Bauchhirn bekomme, wäre es schön, den Mut und die Kraft zu finden, das auch zu leben." Die dadurch gewonnene Sicherheit strahlt man aus: "Man ist nicht mehr so empfänglich für ausbeuterische Menschen oder toxische Beziehungen. Dinge, die mich früher schwer belastet haben, erreichen mich gar nicht mehr."
Die drei Stimmen in uns, die leiten können, sind Instinkt, Intuition und Inspiration. Ersterer meldet sich als reines Überlebenskonzept, wenn ich im Stress bin, in Angst und Sorgen lebe. Angriff oder Rückzug, also Aggression oder Resignation, sind die Alternativen. "Wenn ich aber lerne, bei mir zu sein, zu entspannen, mit meinen Gefühlen konstruktiv umzugehen, krieg ich wieder Zugang zur Intuition, zum Bauchhirn." Es gibt mir eine eindeutige Richtung vor: Will ich das oder will ich das nicht? Die Inspiration schließlich, als dritter Schritt, "verbindet uns mit der Quelle der Kreativität und des Ideenreichtums, bringt das Neue, das Waghalsige in unser Leben."

Die Wunden heilen.
Mit sieben Regeln, wie "fremdbestimmte Ziele und überhöhte Ideale eliminieren" oder "den Geiz-Gier-Kreislauf durchbrechen", will Schmiderers Buch zu dieser Erfahrung führen. Ganz am Anfang stehen aber die erwähnten "inneren Muster des Müssens". Jedes davon, so erfährt man, hat seine Wurzel in einer Selbstwertwunde, die gar nicht aus der Kindheit stammen muss. Zu jeder Zeit könne man nämlich verletzt werden. "Ich bin nicht willkommen","Ich genüge nicht","Ich bin zu kurz gekommen" oder "Ich muss viel für Liebe tun","Ich muss erfolgreich sein", "Ich muss mich um andere kümmern", "Ich muss entsprechen" können diese Schemata etwa lauten.
"Die Angst davor, loszulassen, für sich einzustehen, Nein zu sagen, kann durch diese Selbstwertmängel erst entstehen", betont die Expertin. "Wenn wir merken, dass sich unser komplettes Leben aus einem Müssen-Gefühl gestaltet, wir von einer To-do-Liste zur nächsten hetzen, lohnt es sich, einmal in neuer Ehrlichkeit hinzuschauen: Woher kommt der Nährboden für das alles?" Denn am Ende des Tages bleibt einem sonst nur, zu überlegen, was man eigentlich alles gern gemacht hätte, während man damit beschäftigt war, zu müssen.
Aber warum müssen wir überhaupt? Für alle, die sagen, "ich bin doch gefangen, kann nicht aussteigen", hat Schmiderer ein stichhaltiges Argument: Je öfter man sich von seinen wahren Gefühlen ablenkt, weghört, sie betäubt, desto kleiner, enger und unsicherer wird alles im inneren Möglichkeitsbereich. "Und was ich mir heute noch zutrauen würde, wage ich in einem Jahr vielleicht schon nicht mehr."
Eigene Haltung.
Es geht, betont Schmiderer, nicht darum, gleich den Job zu kündigen, aus der Beziehung zu fliehen und Ähnliches. Denn innere Klarheit und Sicherheit ermöglichen uns ein ganz anderes Standing. "Man kann gelassener mit Kritik und Stress umgehen. Und sobald wir nicht mehr wie gewohnt auf äußere Einflüsse reagieren, kommt etwas anderes, etwas Besseres auf uns zu."