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"Frauen, traut euch in die Selbstständigkeit!"

Die Krise hat viele zum Nachdenken gebracht: Wie verbinde ich Job und Privatleben besser? Gerade Frauen könnten von der Selbständigkeit profitieren. Das Infofestival "Business Maniacs" am 18. November soll weiterhelfen. Wir haben das Interview mit den Veranstalterinnen dazu!

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"Frauen, traut euch in die Selbstständigkeit!"
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Jede Krise birgt auch eine Chance, sagte Martin Luther King sinngemäß. In Gesprächen quer durch alle Altersgruppen spürt man es: Die Pandemie hat einen Nachdenkprozess eingeleitet. Die große Frage dabei: Wie möchte ich künftig leben und arbeiten? Am 18. November steigt unter dem Titel "Business Maniacs" ein Infofestival für Gründer:innen, Startups und Jungunternehmer:innen. Hochkarätige Keynote-Speaker:innen verraten dabei ihre Geheimnisse für eine erfolgreiche Gründung.

Wie Frauen als Unternehmerinnen die Wirtschaft bereichern, wann sie von der Selbständigkeit profitieren und wer sie dabei unterstützt, darüber sprach WOMAN vor dem Event mit Ruth Gabler-Schachermayr von der Jungen Wirtschaft Wien, einem Netzwerk der Wiener Wirtschaftskammer, und Gabriele Tatzberger, Leiterin der Startup-Services der Wirtschaftsagentur Wien.

Die Veranstaltung findet am 18. November als Online-Event statt. Als Keynote-Speakerin zu sehen und zu hören ist unter anderem Selma Prodanovic, die Grande Dame der Startups, "Business Angelina" und Motivatorin besonders für Frauen. Kostenlose Anmeldung unter: www.businessmaniacs.at

WOMAN: Frauen und Unternehmensgründungen – wie sieht es damit in der Pandemie aus?

GABLER-SCHACHERMAYR: Nun, 2020 haben in Österreich trotz der Coronakrise mehr Frauen als Männer gegründet – nämlich 54,4 Prozent. Das zeigt den Mut, den Frauen an den Tag legen.

Warum machen sich Frauen überhaupt selbständig?

TATZBERGER: Ich bin sicher: Ein Unternehmen zu gründen braucht Leidenschaft, echte Begeisterung, Beharrlichkeit und gute Vorbereitung. Alles Eigenschaften, die für die meisten Frauen aus ihrem täglichen Leben eine Selbstverständlichkeit sind.

GABLER-SCHACHERMAYR: Das wichtigste Gründungsmotiv ist neben dem Wunsch nach Eigenverantwortung tatsächlich die flexible Zeit- und Lebensgestaltung – 75 Prozent der Gründerinnen sagen das. Das Vereinbarkeitsthema liegt durch die traditionelle Rollenaufteilung in Familien immer noch zum Großteil bei der Frau. Deshalb suchen viele Mütter den Weg in die Selbstständigkeit, um zeitlich flexibler und unabhängiger sein zu können und auch alleinerziehend Business und Familie miteinander besser kombinieren zu können. Wichtig ist dabei immer, dass man gut abgesichert ist – das gilt aber für jeden und für jede.

Ruth Gabler-Schachermayr und Gabriele Tatzberger (c) Pamela Rußmann

Man hört immer von der Notwendigkeit des "Netzwerkens". Aber wie mache ich es richtig? Was machen Männer dabei richtig, was wir Frauen noch lernen müssen?

TATZBERGER: Meiner Meinung müssen Frauen nichts von Männern lernen – weder beim Netzwerken noch bei der Gründung noch beim erfolgreichen Führen eines Betriebes. Gut vorbereitet, authentisch und zielstrebig verfolgen und erreichen Frauen oder Männer ihre Ziele und bereichern die Unternehmenslandschaft.

GABLER-SCHACHERMAYR: Richtig macht man es vor allem, indem man es einfach macht. Es ist nie zu spät, mit dem Netzwerken anzufangen. Eine goldene Regel lautet: 'Netzwerken ist ein Geben und Nehmen, wobei das Geben immer im Vordergrund steht' – das bedeutet, man sollte sich von Beginn an überlegen, was man in das eigene Netzwerk hineingeben kann. Das können andere Kontakte, Know-how, Vernetzungen und mehr sein. Und dann überlegen: Was ist das Ziel dabei? Wo möchte ich in den nächsten fünf Jahren stehen und wer kann mich dabei unterstützen und fördern? Da sind Männer uns manchmal doch um ein paar Schritte voraus – vor allem, wenn es darum geht, klar über das Business zu sprechen und darüber, was wir brauchen.

Kann ich nicht einfach mal netzwerken und sehen, wo es mich hinbringt?

GABLER-SCHACHERMAYR: Schon. Aber das Ziel ist schon wichtig und kann auch beim Auditieren des eigenen Netzwerks helfen. Nicht jede ist die geborene Netzwerkerin, aber jede hat eine Passion, eine Leidenschaft. Wenn wir über die sprechen, dann sind wir authentisch und offen, dann leben wir unsere Vision – und genau dann sind wir bereit zum Netzwerken.

Sie veranstalten am 18. November in Kooperation die "Business Maniacs", ein Infofestival für Gründerinnen und Jungunternehmerinnen, bei dem es auch die Möglichkeit zum Netzwerken gibt. Was können gerade Frauen davon erwarten, und warum sollen wir überhaupt solche Events wahrnehmen?

GABLER-SCHACHERMAYR: Ich habe vorhin vom Mut der Frauen gesprochen. Genau diesen Mut gilt es zu unterstützen und zu fördern, und wir freuen uns, bei den "Business Maniacs" mit der Startup-Grande Dame Selma Prodanovic auch eine Mutgeberin als Keynoterin präsentieren zu können. Als stellvertretende Landesvorsitzende des Jungen Wirtschaft Wien und Gründerin der ersten österreichweiten digitalen Plattform zum Thema Vereinbarkeit ist es mir außerdem besonders wichtig Frauen in ihrem Vorhaben zu bestärken und sie mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Genau das tun wir bei den "Business Maniacs".

TATZBERGER: Frauen in der Wirtschaft sind nicht nur stark, sondern werden auch immer mehr. Davon sind wir schon längst überzeugt. Deshalb ist es sehr inspirierend, ihnen mit Events wie den "Business Maniacs" bei den ersten Schritten in die Selbstständigkeit eine Stütze zu sein.

Apropos Stütze: Wir erleben gerade die vierte Welle der Pandemie. Wie nützt frau eine Krise als Chance?

GABLER-SCHACHERMAYR: Neu denken, anders denken. In Lösungen arbeiten und pivotieren, das ist bei einer Frau nicht anders als bei Männern – in dieser Hinsicht ist unsere Problemlösungskompetenz aber eine große Stärke, was ja auch in der Anzahl der Neugründungen von Frauen während der Krise sichtbar wird!

Welche Denkfehler sollte Frau vermeiden, wenn sie sich selbständig macht oder ein Unternehmen gründet oder gründen will?

GABLER-SCHACHERMAYR: Zu denken, es sei einfach. Es ist zu Beginn auch oft wirklich harte Arbeit. Das heißt, man muss etwas tun, was man wirklich gerne macht. Die eigene Passion, die eigene Leidenschaft umzusetzen, hilft da sicherlich ungemein und ist ein Geheimtipp für oft auch nächtelanges Arbeiten zu Beginn. Und: Gleichgesinnte zum Austausch suchen!

Frau Gabler-Schachermayr, wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen als Mutter und Unternehmerin? Was muss eine Mutter beim Gründen bedenken?

GABLER-SCHACHERMAYR: Wichtig ist zu wissen, welche Risiken damit verbunden sind – und wie ich sie minimieren kann. Meine persönlichen Erfahrungen als Mutter und Unternehmerin sind sehr positiv. Ich kenne viele Gründungsgeschichten wie meine, denn Mutter zu sein und Familie zu haben ist ein einschneidendes Erlebnis für jede.

Man beginnt so viel zu hinterfragen, anders zu machen und sich noch einmal sehr bewusst den Sinn des Lebens vor Augen zu führen. Das Leben wird ja von einem Tag auf den anderen durcheinandergewirbelt. Das ist auf der einen Seite wunderschön, auf der anderen Seite führt es aber eben auch zu Veränderungen. Man ist plötzlich nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich – und hinterfragt damit den eigenen Werdegang, die eigene Position, die Arbeit und viel mehr. Vor allem geht es dann um die Wichtigkeit der Zukunft, für sich selbst, aber auch für die gesamte Familie, das muss man immer mitbedenken!

(c) iStock

Wie unterstützen Sie Frauen gezielt?

TATZBERGER: Die Wirtschaftsagentur Wien unterstützt seit 1999 ganz gezielt Gründerinnen und Unternehmerinnen in Wien, um den Frauenanteil bei Selbständigen zu steigern. Die Wirtschaftsagentur Wien bietet auch spezielle Förderprogramme und Beratungsleistungen für Unternehmerinnen und Existenzgründerinnen an. Geförderte Projekte, die von einer Frau geleitet werden, erhalten zusätzliche Mittel. Workshops mit dem Ziel, Mädchen für Wissenschaft und Forschung zu begeistern, tragen dazu bei, sie für Berufsbilder jenseits von Rollenklischees zu sensibilisieren.

Ist Wien ein guter Ort für Frauen, um Unternehmerinnen zu werden?

TATZBERGER: Die Statistik sagt: Ja. Von allen untersuchten europäischen Städten hat Wien den höchsten Anteil an frauenspezifischen Startup-Events. Das ist aber nur einer von vielen Gründen, warum die Stadt für Frauen besonders attraktiv ist. Man sieht es bei den Startups: Der Startup-Standort Wien machte 2020 in der Szene auch durch eine von Startup Heatmap Europe veröffentlichtes Ranking auf sich aufmerksam.

Von allen untersuchten europäischen Städten gibt es nämlich in Wien den höchsten Anteil an frauenspezifischen Startup-Events. Diese Events machen die Stadt attraktiv für weibliche Gründerinnen. Aber auch viele weitere wichtige Gründe wie Sicherheit, Infrastruktur, Kinderbetreuung machen die österreichische Hauptstadt für (internationale) Frauen besonders anziehend.

Was müsste noch geschehen, dass es für Frauen einfacher wird zu gründen?

GABLER-SCHACHERMAYR: Geschehen sollte in Wien noch einiges, um den Weg für Frauen weiter zu ebnen. Die Junge Wirtschaft Wien setzt sich etwa für weiteren Bürokratie-Abbau ein und für die Absetzung des Home-office im Wohnungsverband. Das klingt banal, es sind aber die nötigen Rahmenbedingungen, um den Weg für Unternehmerinnen einfach zu machen, um sie zu unterstützen und zu fördern. Das werden wir weiterhin ansprechen und fordern.

Themen: Karriere, Report