Heute Mittag: Eine junge Frau öffnet die Türe zum Friseurladen in Wien-Mariahilf und flüstert hinein: "Hallo, ich hab keinen Test, aber könnten Sie eine Ausnahme machen? Nur Spitzenschneiden?" Eine der Angestellten ruft in Richtung Ausgang: "Das ist verboten! Und jetzt Abmarsch!" So grantig hatten die anderen KundInnen ihre Friseurin noch nie erlebt. Die murmelt nur: "Langsam reicht’s. Manche führen sich auf als gäbe es die Toten und Kranken nicht…"
Nach wochenlangem Lockdown durften die Friseursalons am Montag wieder öffnen. Der große Ansturm blieb aber aus, denn die Auflagen sind streng: Den behördlichen Zutrittstest mit dem Friseurtermin zu koordinieren, stellt für viele KundInnnen eine große Hürde dar. Zudem fehlt in vielen ländlichen Regionen eine dichte Test-Infrastruktur. Für ältere Personen ist die 20 bis 40 Kilometer lange Anreise zur nächsten Teststraße nur schwer zumutbar. Eine mittelfristige Lösung sind die Tests in den Apotheken – auch sie sind zugelassen und seit Beginn der Woche kostenlos. Allerdings bisher nur an 400 Standorten in ganz Österreich.
"Das Angebot hilft uns leider nicht", sagt Marianne Kandlhofer vom Friseursalon Haarwerk in Vorau, einer 4.700-Einwohner-Gemeinde in der Oststeiermark. "Die örtliche Apotheke hat diese Woche keine freien Termine mehr. Wenn das so weitergeht, werde ich bald zusperren müssen", klagt die Friseurmeisterin. Der erste Tag nach der Öffnung verlief holprig, die Mitarbeiterinnen hatten viele Pausen, einige KundInnen sagten den Termin kurzfristig ab. Während viele Ältere Probleme hatten, den Testtermin zu koordinieren, bleibe die junge Kundschaft aus: "Viele KundInnen warten, bis es ein breiteres Testangebot gibt. Aber auch wegen der fehlenden Events wie etwa Bälle, Dorffeste oder Geburtstagsfeiern zögern einige den Friseurbesuch hinaus", so Kandlhofer.
Doch das sei nicht das einzige Problem: Die Hausbesuche, für die die KundInnen übrigens keine negativen Testergebnisse vorlegen müssen, würden sich häufen. Zudem sei Schwarzarbeit noch immer ein Problem. "Der Pfusch blüht", meint die Friseurin.
Hausbesuche von FriseurInnen ohne Tests möglich
Auch Wolfgang Eder von der Bundesinnung der FriseurInnen kritisiert diese Lösung. Allerdings müsse gewährleistet werden, dass immobile KundInnen körpernahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. "Bei Hausbesuchen kann man deshalb derzeit noch keine Zutrittstests verlangen. Wir sind dazu in vielen Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium." Ein weiterer Grund dafür liege auch in der mangelnden Kontrollierbarkeit: "Es gilt das Recht auf Privatsphäre – hier kann und darf nicht überprüft werden."

Doch die Salon-BetreiberInnen geben sich damit nicht zufrieden: Der Salzburger Friseurmeister Christian Sturmayr macht auf einen Aufstand innerhalb der Branche aufmerksam und fordert eine Gleichstellung zwischen Salons und mobilen Diensten. "Es brodelt gewaltig. Die Friseursalons erhalten Arbeitsplätze, bilden aus, zahlen Miete und werden nun benachteiligt", so Sturmayr. Die Luft wird immer dünner: "Wir verdienen mit unserer Arbeit nicht wahnsinnig viel und deshalb sind diese Stolpersteine besonders ärgerlich", so Sturmayr. HeilmasseurInnen und PhysiotherapeutInnen sind übrigens ebenfalls von den behördlichen Zutrittstests ausgeschlossen. "Ich wünsche mir eine faire und nachvollziehbare Behandlung aller Branchen", erklärt Sturmayr.
Welche Tests sind für den Friseurbesuch erlaubt – ein Überblick:
- Test, die von öffentlichen Teststraßen/Testzentren durchgeführt werden: erlaubt (und kostenlos).
- Apotheken-Tests: erlaubt (und kostenlos).
- Selbsttests/Nasenbohrtests, die zuhause durchgeführt werden: nicht erlaubt.
- Gurgeltests/Selbsttests vor Ort: nicht erlaubt.

Salons deuteten an, illegale Selbsttests zu akzeptieren
Der rege Andrang und der finanzielle Druck dürfte aber viele dazu veranlasst haben, selbst tätig zu werden: Mehrere Friseurgeschäfte boten nun Schnelltests vor Ort an oder appellierten auf Social Media an "die Selbstverantwortung der Kunden." Wir haben bei einem dieser Salons (in Baden, Niederösterreich) nachgefragt – dieser warb auf Instagram damit, Selbsttests zu akzeptieren, die zuhause durchgeführt wurden. "Leider dürfen wir das derzeit noch nicht anbieten", ließ man uns dann doch am Telefon wissen und verwies uns an die nahegelegene Apotheke. Die Situation dürfte dem Betrieb dann doch zu brenzlig geworden sein. Weder Selbsttests vor Ort, noch jene, die zuhause durchgeführt werden können, sind derzeit für den Friseurbesuch erlaubt.
"Das Strafmaß bei fehlenden oder ungültigen Covid-Tests liegt bei 30.000 Euro" , warnt Wolfang Eder von der Friseurinnung. Auch ein Kosmetikstudio in Wien warb mit einem "kreativen Lösungsvorschlag" auf dessen Website: "Kommen Sie eine halbe Stunde vor dem Termin bei uns vorbei, machen Sie den Test bei uns", hieß es. Wir gaben uns auch hier als potenzielle KundInnen aus, die letztendlich abgewehrt wurden: "Wir bemühen uns, die Tests vor Ort bald anbieten zu können, aber die gesetzliche Lage erlaubt es uns noch nicht", klärt der Inhaber das "Missverständnis" auf. 30.000 Euro könnten ein ohnehin schon gebeuteltes Geschäft völlig ruinieren. Der unlautere Wettbewerb dürfte aber weiterhin Zündstoff in die Branche bringen.
– Christian Sturmayr
Forderung nach Anerkennung von Selbsttests vor Ort
Ein Wunsch, den Salonbetreiber Christian Sturmayr ganz deutlich äußert: "Die KundInnen müssen derzeit zwei Termine für ihren Friseurbesuch koordinieren. Für uns wären Gurgeltests vor Ort durchaus machbar." Der Andrang in seinen 19 Filialen in Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Kärnten und Wien war nach diesem Lockdown vergleichsweise durchwachsen – für nächste Woche gibt es aber viele Anfragen. "Die Kundinnen sind wahnsinnig froh, dass sie wieder kommen dürfen", so der Friseurmeister. Und auch Wolfgang Eder von der Innung sieht in den Selbsttests vor Ort eine Lösung: "Wenn wir beim Testen bleiben müssen, könnten kostenlose Selbsttests, die in den Salons aufliegen, eine Lösung sein."
Was sagen die KundInnen?
Man ist sich einig: Der Kundenandrang ist dieses mal schwächer als nach den beiden letzten Lockdowns. Petra Haudum, Sprecherin der Klipp- FriseurInnen: "Wir arbeiten ohne Terminvergabe. Das kommt uns momentan sehr zugute." Die 185 Filialen in Österreich seien seit Beginn der Woche gut besucht. Aber auch hier sei der Andrang nicht mit den Öffnungen der letzten Male zu vergleichen. Mit der Kontrolle der Covid-Tests hatten die FriseurInnen übrigens keine Probleme. "Dank regelmäßiger Testungen, FFP2-Masken und Abstandsregelungen", sagt Haudum, "ist ein Friseursalon momentan wohl einer der sichersten Orte abgesehen von der eigenen Wohnung."