Als Heidi Klum zum ersten Mal als selbsternannte "Model-Mama” auftrat, lief im Kino "Der Da Vinci-Code”, Shakira sang "Hips don’t lie” und die coolen Kids telefonierten mit ihrem Motorola-Klapphandy. In den letzten 15 Jahren hat sich in der Gesellschaft einiges verändert – auch bei GNTM: Der Modelwettbewerb ist – zumindest auf den ersten Blick – diverser geworden. So nehmen seit einiger Zeit auch regelmäßig trans* Frauen an der Show teil – von Pari Roehi, die 2015 den Grundstein legte, bis zu Alex Mariah Peter, die in der aktuellen Staffel ihr Debüt als Topmodel-Anwärterin gibt.
Warum das wichtig ist? Weil mediale Repräsentation großen Einfluss auf die Gesellschaft, ihre Normen und Regeln hat. Je diverser und bunter Fernsehsendungen, Magazine und Filme gestaltet sind, desto mehr Menschen haben die Möglichkeit sich mit den Inhalten zu identifizieren. Jene trans Models, die um den Titel "Germany's Next Topmodel” mitkämpfen, könnten somit zu Identifikationsfiguren und Vorbildern werden.
Ehrliche Diversität oder Quotenmacherei? Wir haben bei zwei trans Frauen nachgefragt. Steffi Stankovic sieht es positiv, Sophie Rauscher empfindet es als schädlichen Wettbewerb für alle Frauen.

Steffi Stankovic ist gebürtige Serbin und lebt seit neun Jahren in Wien. Die 28-Jährige arbeitet als Make-up-Artist und widmet ihre Freizeit dem Aktivismus: Als Integrationsbotschafterin spricht sie in Schulen über ihren eigenen Werdegang, um Kindern sowie Jugendlichen neue Perspektiven aufzuzeigen.
"Die Repräsentation von transidenten Menschen in den Medien ist extrem wichtig. Es muss einfach klar sein, dass wir dazu gehören! In den letzten 20 Jahren waren fast gar keine transidenten Personen im TV oder in Magazinen zu sehen. Und wenn, dann war die Darstellung oft mit einem gewissen "Freak-Faktor” behaftet. Deshalb ist es umso schöner, jemanden vor sich zu haben, der einem ähnelt oder eine ähnliche Vergangenheit hat.
Ich habe zwar nicht jede GNTM-Staffel verfolgt, aber letztes Jahr habe ich mich etwas intensiver mit der Show beschäftigt, weil eine Freundin ein großer Fan des trans Models Lucy war. Dabei hatte ich nie das Gefühl, dass sie anders behandelt wurde als die anderen Kandidatinnen. Ich kann mich gut an ihre Transformation erinnern – und, dass sie Vorher- und Nachher-Aufnahmen gezeigt hat. Für mich sind solche Bilder bedeutsam, weil sie den ZuseherInnen zeigen, dass es immer möglich ist, zu lernen, sich selbst zu lieben und zu akzeptieren. Auch, wenn man sich lange unwohl im eigenen Körper gefühlt hat. Ihre Transition war ja wirklich kurz, nur ein, zwei Jahre. Das zeigt, dass man sein Leben im Handumdrehen komplett verändern kann.
Ich weiß, dass die trans Models in Medien manchmal im selben Atemzug mit dem Wort 'Quote' genannt werden. Aber in dem Moment ist das gar nicht wichtig. Viel stärker zählt, dass diese Personen eine Chance bekommen und diese nutzen. Plus: Dass sie damit etwas Gutes tun. Für sich und für andere.
Trotzdem würde ich mir auf jeden Fall mehr Diversity wünschen – also nicht nur für uns transidente Personen, sondern für die ganze Gesellschaft. Weil Menschen einfach immer noch in bestimmte Schubladen gesteckt werden. Ich bin selbst ein gutes Beispiel: Am Anfang meiner Transition vor zehn Jahren hat sich für meinen Aktivismus niemand interessiert. Ich glaube, das hing auch damit zusammen, dass ich nicht weiblich genug war und nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprach. Ich habe andere transidente Personen beobachtet und gemerkt, dass viele leichter durchs Leben kommen, wenn sie als biologische Frauen oder Männer wahrgenommen werden.
Deshalb habe ich angefangen, mich mehr zu schminken und ein paar Dinge an mir zu ändern. Ich sage aber nicht, dass das jede Person so machen sollte. Es gibt leider einfach einen gesellschaftlichen Standard, der dafür sorgt, dass es Menschen mit einem gewissen Look einfacher haben.”

Sophie Rauscher wohnt in Berlin. Die 29-jährige Journalistin arbeitete zuletzt bei einem großen internationalen Unternehmen im Bereich Public Policy. Außerdem ist sie im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher*innen und produziert gemeinsam mit ihrem Kollegen Gen Eickers den Podcast „trans sein".
"Ich hoffe immer, dass Repräsentation auch zu Veränderung führt. Das ist etwas naiv. Eigentlich bräuchte es eine Revolution: Wen wir auf den Bildschirmen sehen, müsste sich grundlegend ändern. Genauso wenig, wie ein Topmodel Frauen tatsächlich repräsentiert, finden sich die meisten trans Frauen als ebenbürtige Kandidatinnen in einem Schönheitswettbewerb wieder. Schönheitsideale sind problematisch. Leider funktioniert der Mainstream eben nach wie vor nach dem Prinzip 'Die Schöne und das Biest' – auf der einen Seite ein vermeintliches Ideal, nach dem wir alle streben sollen und auf der anderen Seite die Ausgestoßenen, die Hässlichen, von denen wir uns im besten Fall klar unterscheiden.
Selbst positive Repräsentation trifft oftmals zunächst auf Gegenreaktionen. Sei es im Alltag in Form von Gewalt oder auf struktureller Ebene mit Gesetzen und politischen Gegenbewegungen. Sichtbarkeit bedeutet, dass diejenigen, die Böses wollen, nun verstärkt mit trans Personen konfrontiert werden. Sie müssen sich dem Thema stellen.
Die wichtige Frage ist also: Welche Veränderungen kann diese Repräsentation mit sich bringen? Viele sagen: Jetzt sieht man, dass auch trans Personen dazugehören. Das ist aber viel zu pauschal! Es ist nicht gut, ein System mitzutragen, das eigentlich gegen die eigene Gruppe arbeitet. In der Fachsprache heißt das, 'ein Token zu sein'. Nach außen wirkt es dann so, als wäre zum Beispiel diese Fernsehsendung inklusiv und positiv für trans Personen. Gleichzeitig schadet sie aber über einen falschen Schönheitsanspruch den meisten. Diese Wettbewerbe helfen keiner Frau, sie schaden uns allen, weil wir an unerreichbaren Bildern gemessen werden.”
*Anmerkung: Wir verwenden das Wort "trans" als Adjektiv. Warum, erklärt Sophie Rauscher: "trans ist ein Adjektiv. Genauso wie cis Personen, sind wir trans Personen, keine Transmenschen oder Transfrauen, sondern trans Menschen und trans Frauen. Das ist nämlich so, als würde man "Österreichfrau" sagen und im Gegensatz zu "österreichische Frau" klingt das seltsam vereinnahmend."