Woman: Sie bringen fast jedes Jahr einen neuen Sex-Schmöker auf den Markt. Ein Buch schreiben ist zeitintensiv. Haben Sie selbst keinen Sex mehr?
Senger: (lacht) Nein, nein, dafür hab ich ausreichend Zeit!
Woman: Mit wie vielen Jahren gings bei Ihnen los? Wann klärten Ihre Eltern Sie auf?
Senger:
Gar nicht. Meinen Vater lernte ich nie kennen, der ist 1942 im Krieg gefallen. Und das Einzige, was mir meine Mutter Blanka mitgab, war, dass es zwei Geschlechter gibt. Das Thema Sex interessierte mich aber schon seit jeher. Ich sammelte erstes Wissen mit Gleichaltrigen. In der Klosterschule. Aber auch nach der heiligen Messe mit den
Ministranten. Dann haben wir uns gegenseitig diverse Sachen gezeigt
Woman: Also Rockerl rauf und Hose runter?
Senger: Ja sicher, das war zu dieser Zeit auch notwendig. Es gab kein Internet und auch keine Aufklärungsbücher. Zum Glück wurde ich nie erwischt. Und deshalb gings mit Doktor-spielen weiter. Bei meinem ersten Kuss war ich auch noch sehr jung. Er hieß Hansi. Und als wir in der Schule gerade den Unterschied zwischen ß und ss lernten so wie bei der Kuß und die Küsse , drückte ich Hansi gegen die Wand. Er hat nur geschrien
Woman: Weil Sie ihn gleich mit Zunge küssten?
Senger: Nein, das passierte mit 15. Mit Herbert. Küssen war wie eine Sünde. Ihm widmete ich sogar einen Roman. Ich dachte, ich sei der einzige Mensch auf der Welt, der dieses Gefühl erleben kann. Herbert hingegen hatte nur sein Fahrrad im Kopf. Das ließ er nicht mal beim Schmusen aus.
Woman: Und mit welchem Herrn hatten Sie Ihr erstes Mal?
Senger: Das war der Heinz. Wir waren extrem verliebt und warteten ein Jahr aufeinander. Drei Tage nach meinem 17. -Geburtstag wars dann so weit: Meine Mutter war für ein paar Tage weggefahren. Da holte ich Heinz gleich zu mir Später haben wir uns sogar verlobt. Aber geheiratet hab ich ihn nicht. Wir entschieden, dass wir dafür zu jung sind.
Woman: Trotzdem haben Sie mit 22 Ihren ersten Mann, einen Rechtsanwalt, geehelicht.
Senger: Zehn Jahre hielt es auch. Ich war gerade Mutter geworden (Sohn Daniel ist 38). Doch dann traf ich auf Iwi. Er war meine verbotene Liebe, denn auch er war verheiratet und Vater (Tochter Michaela, Sohn Niki). Wir wehrten uns gegen diese Anziehung, wussten aber gleichzeitig, dass es mehr ist als nur ein Pantscherl. Iwi aber blieb hartnäckig und ließ das Band zwischen uns nicht mehr aus. Als er die Scheidung einreichte, gestand ich auch meinem Mann: Es gibt da wen anderen Doch er meinte ganz pragmatisch: Diese Leidenschaft wird sich schon legen. Tat sie natürlich nicht. Bald darauf waren wir eine fünfköpfige, harmonische Patchwork-Familie.
Woman: Wie haben Sie sich nach dem ersten verbotenen Sex mit Iwi gefühlt?
Senger: Schlecht! Ich hätte nie geglaubt, dass ich in so eine Situation komme. Dachte, dass ich eine Ehe führe, in der es das nicht gibt. Das haben auch alle Menschen um uns herum geglaubt.
Woman: Muss eine Beziehung nicht schon einen Riss haben, damit überhaupt für andere Gefühle aufkommen können?
Senger: Als ich meinen ersten Mann kennengelernt habe, war ich 21. Ein Jahr später haben wir geheiratet. Heute würde eine 22-Jährige gar nicht auf die Idee kommen sich so früh fürs Leben zu binden. Wir haben uns beide entwickelt und verändert. Da sind einfach Lebensereignisse gewesen, die uns verändert haben und vielleicht dazu geführt haben, dass nach zehn Jahren diese Liebesenergie nicht mehr da war. Wenn sie da ist, passiert so etwas ja nicht
Woman: Kann man so eine Liebesenergie zwischen zwei Menschen eigentlich zerstören? Sie und Iwi hätten das geheimnisvolle Band, dass Sie verbunden hat, auch zerstören können?
Senger: Ja, durch schlampiges Verhalten in der Beziehung kann man es zerstören.
Woman: Wie schaffen Sie und Iwi dieses Gefühl über 38 Jahre hinweg zu konservieren?
Senger: Wir haben gewusst, dass das, was uns wiederfahren ist, extrem kostbar ist. Und dass man damit behutsam umgehen muss. Schließlich sind wir beide schon einmal gescheitert.
Woman: Wenn man einen Mann betrügenderweise kennenlernt: Bleibt da nicht der schale Beigeschmack der Affäre für immer erhalten?
Senger: Wir haben darunter enorm gelitten. Aber sobald wir uns offiziell zueinander -bekennen konnten, waren die Schuldgefühle und auch das schlechte Gewissen weg. Ich habe keine Angst, dass Iwi neben mir fremdgeht.
Woman: Was ist eigentlich die Basis Ihrer Beziehung?
Senger: Freundschaft, Kameradschaft, Erotik, Lachen, Inspiration, Genießen wir kochen gern, lesen gern, trinken gern ein Glas Wein. Aber auch Diskussion und Konfrontation. Wir sind nicht immer einer Meinung.
Woman: Nervt Iwi Ihre Psychoschiene manchmal?
Senger: Hin und wieder sagt er, ich soll nicht soviel interpretieren und deuten. Da weist er mich schon in die Schranken.
Woman: Und Sie legen das dann ab?
Senger: Nein! (lacht)
Woman: In Ihrem Buch steht, dass Männer sich eine treue Ehefrau wünschen und nebenher ein paar Konkubinen. Was, wenn Iwi Ihnen sagt: Gerti, ich will mit einer anderen ins Bett?
Senger: Das wäre für mich unerträglich. Liebe hat für mich einen exklusiven Anspruch. Für eine offene Beziehung wäre ich zu eifersüchtig bin Skorpion im Sternzeichen! Ich war Iwi immer treu. Jedem, dem ein One-Night-Stand passiert, rate ich, darüber zu schweigen. Mit den Schuldgefühlen muss man allein fertigwerden und darf nicht den Partner damit behelligen. Ich kann nicht nachhause kommen und sagen: Ich liebe dich, aber bis 5 Uhr früh hab ich mit jemand anders gevögelt
Woman: Oft hapert es gerade an der Kommunikation. Etwa wenns darum geht, seine intimsten Fantasien zu äußern.
Senger: Weil viele Angst vor der Zurückweisung haben oder davor, ausgelacht zu werden. Die Nähe zwischen Paaren ist ein Hemmnis. Je näher man sich steht, umso schwieriger ist es, den total geilen Sex zu erleben, von dem man -vielleicht träumt. Es ist schon ein Vorteil, dass Iwi und ich öfter getrennt sind, wenn er auf Geschäftsreise ist. Und so hart es klingt: Auch Kinder sind eine erotische Störung. Vielleicht haben mein Mann und ich auch deshalb unbewusst auf gemeinsame verzichtet.
Woman: Apropos erotische Störungen: Passiert es Ihnen manchmal, dass Sie während des Aktes zu analysieren beginnen?
Senger: Nein. Da gebe ich mich ganz den Vorstellungen in meinem Kopf hin.
Woman: Rufen Sie immer die gleichen Gedanken ab?
Senger: Ich kontrolliere meine Fantasien nicht. Aber eines kann ich sagen: Auch wenn mir Tom Cruise gut gefällt, der Gedanke an Sex mit ihm erregt mich nicht.
Woman: Wann törnen Männer Sie an?
Senger: Wenn sie eine archaische Urkraft haben. Ich brauch keine Burlis, die ich an der Hand nehmen muss. Ich will mich als Frau fühlen, nicht als Mutter. Ich war immer gerne Sexobjekt! Und selbstbewusst genug, um zu artikulieren, was ich will. Mit einem Mann, mit dem ich mir keine Kinder vorstellen konnte, wollte ich auch keinen Sex. Ich war immer schon bindungsfreudig.
Woman: Waren Sie nie Single?
Senger: Nur mit 20. Für ein Jahr. Das war der Horror. Ich mag das Alleinsein nicht.
Woman: Im Vorfeld haben wir eine Umfrage im Bekanntenkreis gemacht. Fazit: die schlimmsten Hallodris tun sich schwer, über Sex zu reden. Und zuzugeben, dass sie es nicht schaffen in einer Frau die Heilige und Hure, Mutter und Kumpelfreundin zu sehen...
Senger: Frauen tun sich genauso schwer dem Mann zu sagen was sie wollen. Jeder verlässt sich auf das Gefühl, aber Paare sagen einander kaum, was sie sich sexuell wünschen. Die Nähe, die es zwischen Paare gibt, ist eben ein Hemmnis. Das ist die Schwierigkeit, sonst würden alle Paartherapeuten nicht ausgebucht sein.
Woman: Internetpornografie nimmt zu. Man kann dort dunkle Begierden ausleben
Senger: Im Netz findet man all das, was Freud als prägenitale Triebe bezeichnet hat: Exhibitionismus, Voyeurismus, Sadismus. Das heißt, dass Reste dieser Triebe in jedem Menschen schlummern. In mehr oder weniger ausgeprägter Form. Wie ausgeprägt der Trieb ist, hängt damit zusammen wie man sozialisiert wurde. Manchen glückt es, damit so umzugehen, dass es die Paarbeziehung nicht stört sie brauchen auch nichts auslagern oder wo anders suchen. Manchen gelingt das nicht. Leicht ist es ja nicht
Woman: Sadismus gibt es aber nicht nur sexuell, sondern auch emotional...
Senger: Richtig. Wenn aber in einer Therapie zur Sprache kommt, dass hinter Machtspielen eigentlich Sadismus steckt, kann man ein bisschen davon in das sexuelle Leben integrieren. Zum Beispiel, dass die Frau im Bett die Devote spielt. Dann haben Männer es auch nicht nötig, im Alltag ihre Frauen zu quälen.
Woman: Wünschen sich Männer eigentlich zuhause mit der Frau den gleichen Sex wie den in ihren Lieblingspornos? Oder genau umgekehrt?
Senger: Um das zu praktizieren was einem im Netz gefallen hat, steht im echten Leben meist die Nähe und diese zärtliche Beziehung zur Frau im Weg. Man überfordert die Frau auch damit, wenn er nach 20 Ehejahren sagt, dass er dieses oder jenes jetzt ausprobieren will. Frauen fühlen sich auch ästhetisch extrem unter Druck. Da hat eine vielleicht ein paar Kilo mehr als diejenige, die er sich im Erotikfilm anschaut. Sie hat vielleicht Kinder bekommen, ihr Körper ist anders gezeichnet. Es ist ein großes Problem...
Woman: Spüren Sie, dass die Gesellschaft mehr Ratgeber braucht, weil der Sex 2012 einfach nicht mehr emotional funktioniert?
Senger: Ich glaube, es wird sehr viel von sexueller Freiheit gesprochen und sehr viel sexuelles Wissen transportiert, aber für den einzelnen ist das nicht in das eigene Leben integrierbar. Deshalb gibt es auch so viele Ratgeber. Das ist wie mit Kochbüchern. Man liest die Diäten, praktiziert sie aber nicht.
Woman: Man geht heute schneller mit wem ins Bett als früher. One-Night-Stands oder Affären fordern aber auch ihre Opfer. Viele Frauen kränken sich dann doch, wenn er sich nicht danach meldet. Was würden Sie da raten?
Senger: Sich selbst einen Wert zu geben! Ich erinnere mich noch an meine Singlezeit damals. Wenn mich samstags um 17 Uhr ein junger Mann angerufen hat und mit mir etwas unternehmen wollte, habe ich immer gesagt, dass ich schon etwas vorhabe. Obwohl ich dann alleine zuhause gesessen bin. Aber mir war klar, dass der vor mir schon drei andere Frauen angerufen hatte und wahrscheinlich versetzt wurde. Ich wollte nie ein Lückenbüßer sein. Und wenn jemandem etwas an einem liegt, kümmert er sich zeitgerecht um ein Date...
Woman: Verlischt eigentlich das Feuer zwischen zwei Menschen, wenn man es nicht schürt oder bleibt das ewig?
Senger: Die Liebe ist nicht resistent gegen Untaten. Man glaubt immer: wir lieben uns und das ist ausreichend, um die nächsten Jahre zu überstehen. Da reicht gar nichts! Wenn die liebe nicht das kriegt, was sie braucht um lebendig zu bleiben und um sich entfalten zu können, dann geht sie kaputt. Man kann Liebe also verrotten lassen.
Woman: Wenn Liebe nicht das bekommt, was sie will, dann ist sie aber sehr egoistisch....
Senger: Ja! Aber was ist nicht egoistisch? Sowohl egoistisch als auch altruistisch. Diese Form von Egoismus finde ich nicht zerstörerisch, der ist schon okay. Für viele ist ja die unerfüllte oder unerreichbare Liebe die größte, denn sie hat das Verwelken nicht erlebt. Und auch die Schäden, die die Liebe durch den Alltag nimmt, bleiben ihr verwehrt Trotzdem: Ich würde nie auf die Liebe verzichten. Dazu bin ich wahrscheinlich auch zu begehrlich! Ich würde mich immer darauf einlassen und dann zu zweit versuchen, gegen den Alltag anzukämpfen. Wer das nicht wagt, ist feig und dumm.
Interview: Petra Klikovits & Melanie Zingl