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Gewalt gegen Frauen: Polizei steigt aus Schutzprojekt aus

Bisher gab es regelmäßige Gespräche zwischen Interventionsstellen und Polizei, wenn eine große Bedrohung von Ex-Partnern ausging. Das Innenministerium hat die Teilnahme der Polizei an dieser Präventionsmaßnahme nun gestrichen.

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Gewalt gegen Frauen: Polizei steigt aus Schutzprojekt aus
© iSotck/lofilolo

Erst gestern war von einem Mann zu lesen, der seine Frau in eine Kammer schubste, sie dort mit Benzin übergoss und sie anschließend anzünden wollte. Dass das nicht passiert ist, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass das Feuerzeug, dass er mehrfach zu betätigen versuchte, kaputt war. Oder der Artikel über jenen Mann, der seiner Ex-Freundin ein Glas ins Gesicht schlug und ihr schwere Verletzungen zufügte. Das war vorgestern. Tagtäglich sind Frauen in Österreich von Gewalt durch Männer betroffen, allein im heurigen Jahr wurden schon 16 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet, im vergangenen Jahr waren es in Österreich 24. Jede fünfte in einer Beziehung lebende Frau wird hierzulande von ihrem Ehemann und Lebensgefährten misshandelt und 38 Prozent aller Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr schon psychische Gewalt erlebt. Betrachtet man das Thema EU-weit, so ist häusliche Gewalt ist die Hauptursache für den Tod oder die Gesundheitsschädigung bei Frauen zwischen 16 und 44 Jahren und rangiert damit noch vor Krebs oder Verkehrsunfällen.

16. Juli 2018 (orf.at).


Ein Mittel, das dabei helfen soll Gewalt und im schlimmsten Fall Mord durch Ex-Partner zu verhindern, sind Betretungsverbote, die gegen jene Männer verhängt werden, von denen eine Gefährdung für ihre ehemaligen Partnerinnen ausgeht. Im Vorjahr sind 9.000 dieser Verbote ausgesprochen worden. Allein: Bei vielen Männern bringt diese Maßnahme für sich noch zu wenig, Frauen müssen darüber hinaus beraten und geschützt werden. Dabei geholfen haben bisher Interventionsstellen und Polizei gemeinsam: In regelmäßigen Gesprächen haben sich die ExpertInnen mit PolizistInnen getroffen, um zu besprechen, wie groß das Gefährdungspotenzial ist, dass von bestimmten Gewalttätern ausgeht, wie man mit dem Mann weiter verfahren soll, ob etwa die Möglichkeit besteht, dass ein Anti-Gewalttraining in Anspruch genommen wird. Die Informationen wurden zwischen Polizei, Justiz und Interventionsstellen ausgetauscht. Die Polizei nimmt ab sofort nicht mehr an diesen Treffen teil, das habe man im Innenministerium so entschieden, berichtet das Ö1-Morgenjournal. Weiterführende Informationen aus dem Innenministerium gibt es aktuell noch nicht, man müsse sich über das konkrete Projekt bei den Zuständigen erkundigen, heißt es aus der Pressabteilung des Innenministeriums auf WOMAN.at-Anfrage.

Wiener Polizei: "Projekt hat keinen Mehrwert"

Von der Wiener Polizei erfährt man auf Nachfrage, dass ein Evaluierungsbericht ergeben hätte, "dass dieses Projekt keinen Mehrwert mehr hat und deshalb nun ausläuft." Einsehen konnte man den Evaluierungsbericht bis zum 30. Juli allerdings nicht, aufgrund des großen Medieninteresses wurde nun auf der Website der LPD Wien online gestellt. Wirklich tiefgehende Analysen sucht man darin aber umsonst . Nicht zuletzt, weil der Evaluationsbericht ausschließlich auf den Informationen der LPD Wien (14 Interviews mit involvierten BeamtInnen, 45 Dokumente und 24 E-Mail-Nachrichten), beruht und auch dort - wie im Bericht nachzulesen ist - nicht sehr viel Dokumentation vorhanden war.

Stattdessen will man sich bei der Polizei in Sachen Opferschutz und Täterarbeit vor allem mit den Ergebnisse der Task Force Strafrecht von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) befassen. Dass diese aber voraussichtlich noch bis zum zweiten Quartal 2019 brauchen wird, bis überhaupt Ergebnisse vorliegen, würden nichts daran ändern, dass das Projekt der Marac-Konferenzen (Multi-Agency Risk Assessment Conference), wie diese Fallkonferenzen in der Fachsprache genannt werden, zum jetzigen Zeitpunkt auslaufen. Aber, man könne sicher sein, dass das keineswegs bedeute, dass sich die Polizei weniger für Opferschutz einsetze als bisher - "aber im Rahmen von anderen Projekten und nicht mehr mit der Interventionsstelle." Einen vergleichbaren, institutionalisierten Austausch wie im Rahmen der "Fallkonferenzen" wird es nicht mehr geben, es gebe ohnehin "jährliche Vernetzungstreffen auf regionaler Ebene." Und wenn Gefahr im Verzug sei, dann wäre die Polizei ohnehin erste Anlaufstelle und würde sofort handeln, so die Leiterin der Wiener Polizei Pressestelle. Dass nun eine längerfristige Beobachtung und ein Austausch über potenzielle Gefährder wegfalle will sie nicht so stehen lassen: "Was soll das überhaupt bringen, wenn man drei Wochen später über einen Vorfall redet?". Sie vertraue viel mehr darauf, dass die Polizei handle, wenn Gefahr im Verzug ist.

15. Juli 2018 (orf.at).

ExpertInnen aus der Gewaltprävention bzw. aus Interventionsstellen und Frauenhäusern sehen das anders. "Dieser Austausch war enorm wichtig - vor allem in Zusammenhang mit den sogenannten Hochrisikofällen, die stetig zunehmen", sagt etwa Maria Rösslhumer von den autonomen Frauenhäusern gegenüber WOMAN.at. Das merke man auch in der Arbeit im Frauenhaus, dass es immer mehr Fälle gebe, wo die Bedrohung, die von Männern ausgeht so groß ist, dass Frauen in ein anderes Bundesland flüchten. "Dieser Zugang des multi-institutionellem Austauschs kommt aus England, wo damit große Erfolge im Kampf gegen Gewalt an Frauen erzielt wurden. Die Zahl der Morde ist zurück gegangen." Denn: Je mehr man über den Täter und sein Verhalten wisse, umso größer die Chance weitere Gewalt gegen die Frauen zu verhindern. Dabei seien die institutionalisierten "Fallkonferenzen", wo sich eben ExpertInnen und Polizei austauschen, enorm wichtig gewesen, mehr noch "man bräuchte darüber hinaus eine Gesamtstrategie", sagt Rösslhumer. Denn: "Vielen wissen über die Zusammenhänge in Gewaltbeziehungen nicht Bescheid." Gerade da sei der professionelle Austausch enorm wichtig.

"Abschaffung dieser Institution fatal"

Dass das Projekt, das unter anderem in Wien, Niederösterreich und Tirol durchgeführt wurde und nun beendet wird, wertet Rösslhumer als "traurig und fatal." Diese Treffen wären ein Rahmen gewesen, in dem "alle gemeinsam überlegt haben, wie man den Frauen bestmöglich helfen kann. Und es lag nicht an ihr, von einer Stelle zur nächsten zu laufen. Wir wissen aus den Berichten der Interventionsstellen und der betroffenen Frauen, dass diese Angebot wertgeschätzt wird, dort hatten die Frauen das Gefühl, ernst genommen und geschützt zu werden. Für mich ist völlig unverständlich, warum das jetzt vom Innenministerium abgeschafft wird."

Wie man sich verhält, wenn man Zeugin oder Zeuge von Gewalt in Beziehungen wird, kann man im Rahmen des Projekts "Stadtteile ohne Partnergewalt" erfahren, das erst kürzlich in Wien Margareten angelaufen ist.

Die wichtigste Kontaktnummern
Polizei: 133
Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800/222555
Frauenhausnotruf Wien: 05/7722
Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: 01/5853288
Männerberatungsstelle Wien: 01/6032828