"Sei nicht so wie ich – hol dir Hilfe" ist die zentrale Aussage eines neuen Videos. Darin blickt ein Mann zurück in seine Vergangenheit und glaubt, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben. Er war doch immer ein kleiner Gentleman zu seiner Schwester. Aber er wird älter, hatte womöglich eine oder mehrere Beziehungen und eine Ehe, die aus irgendeinem Grund zerbrochen ist. Spätestens hier merkt er, dass er immer wieder stark ausrastet. Womöglich ist gerade das der Grund, warum seine Ehe in Brüche gegangen ist. Womöglich konnte er nie besonders gut und gewaltfrei mit Konflikten und Problemen umgehen.
Das Video zeigt ein Verhalten, das viele Männer an den Tag legen – vor allem dann, wenn es zu einer Trennung und Scheidung kommt. Dann wenn die Situation für sie aussichtslos erscheint.
Das Video soll zudem aufzeigen, dass dieses Verhalten keine Lösung ist, sondern zerstörerisch, gewalttätig und vielfach katastrophal enden kann, vor allem für Frauen und Kinder. In Österreich wird jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Männergewalt. Und viele Frauen werden von ihrem eigenen Ehemann, Partner oder Ex-Partner ermordet. Seit 2014 haben sich die Morde an Frauen sogar verdoppelt.
Gewalt gegen Frauen verhindern?
Ein mehr als notwendiger Weg dies zu verhindern? Jeder Mann kann sich selbst Hilfe holen, um Schlimmeres zu verhindern. Je früher er sein Problem der Gewaltbereitschaft erkennt, desto besser ist es für ihn selbst und auch für seine Partnerin. Denn Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern stark und männlich.
Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern stark und männlich
Gewalt an Frauen ist ein Männerproblem und muss daher auch von Männern gelöst und verändert werden. Es hilft nicht, dass Frauen versuchen sich besser zu schützen, viel wichtiger ist es, die Gründe für all die Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen: Denn es ist ein strukturelles, anerzogenes und tief verwurzeltes patriarchales Denkmuster, oft gekoppelt mit frauenverachtenden Einstellungen, das dazu führt, Gewalt an Frauen und Kindern zu tolerieren oder gar auszuüben – unabhängig von Nationalität, Herkunft oder Hautfarbe.
Hilfe bei Gewalt gibt es bei allen Männerberatungsstellen
Dazu Erich Lehner, Vorsitzender des Dachverbands für Männer-, Burschen- und Väterarbeit (DMÖ): „Aus unserer Sicht kann ein nachhaltiger Gewaltschutz nur mit der Einbindung der Täterarbeit gelingen, denn es ist unsere Aufgabe, die Männer mit den Folgen ihres Handelns zu konfrontieren und ihnen Wege aus ihrem gewalttätigen Verhalten aufzuzeigen“. Denn auch wenn es einer Frau gelinge, sich aus einer Gewalt-Beziehung zu lösen und sich von ihrem Partner zu trennen, sei es möglich und wahrscheinlich, dass dieser Mann ohne ein spezialisiertes Anti-Gewalt-Angebot in einer neuen Beziehung wiederum Gewalt anwende.
Hilfe holen BEVOR etwas geschieht
Noch besser wäre es natürlich, Gewalt zu verhindern, bevor diese überhaupt geschieht. Es gibt in Österreich die Möglichkeit, die Angebote der Männerberatungsstellen und des Männergesundheitszentrums Wien auch präventiv in Anspruch zu nehmen, um sich Hilfe zu holen.
Viele Männer sind nicht gewalttätig, sie können Probleme und Schwierigkeiten mit ihrer Partnerin und den Kindern partnerschaftlich lösen. Aber Männer, die tiefsitzende patriarchale Denkmuster und somit frauenverachtende Einstellungen haben und vertreten, neigen dazu Gewalt an Frauen und Kindern anzuwenden – unabhängig von Nationalität, Herkunft oder Hautfarbe.
Bei Gewaltausübung von Männern handelt es oft um ein erlerntes Muster, um ein anerzogenes und sozialisiertes Verhalten, das bereits in der frühen Kindheit verankert ist. Viele dieser Männer haben meist schon in der Kindheit Gewalt an der Mutter mitansehen müssen, haben den Frauenhass des Vaters miterlebt und begonnen, sich mit dem Vater zu identifizieren.
Diese Männer haben nicht gelernt, Konflikte, Probleme oder Streit gewaltfrei zu lösen. Sie haben nicht gelernt, mit ihren Gefühlen gut umzugehen bzw. diese zu zeigen. Sie sind daher oft nicht in der Lage, Bedürfnisse, Wünsche und Probleme mit jemandem zu besprechen. Schon gar nicht mit der eigenen Freundin oder Partnerin. Sie machen sich alles mit sich selbst aus, schlucken alle persönlichen Verletzungen und Kränkungen hinunter, sie können und wollen keine Fehler zugeben.
Darüber hinaus haben diese Männer meist kein Schuldbewusstsein bzw. keine Schuldeinsicht sowie starkes Besitzdenken und Eifersuchtsempfinden. Sie geben die Verantwortung an die Frau und an die Kinder ab. Für diese Männer gibt es oft nur ein Ja oder Nein, jede Gegenmeinung wird als Provokation empfunden. All dies macht eine Ehe oder Partnerschaft für Frauen oft zu einer gefährlichen Lebensform.
Besonders gefährlich wirkt sich Männergewalt an Frauen bei Trennung und Scheidung aus
Für gewalttätige Männer spielen Macht und Kontrolle eine zentrale Rolle. Wenn sich Frauen von ihren gewalttätigen Partnern trennen oder scheiden lassen wollen, wenn sie eine Anzeige erstatten, oder die Polizei rufen, dann kommt es zu den gefährlichsten Situationen. Täter kommen mit dem Machtverlust und Kontrollverlust nicht zurecht und überlegen, wie sie das Leben ihrer (Ex-)Partnerin zerstören können. Es handelt sich meist um Wiederholungstäter, die erst dann zu stoppen sind, wenn sie Konsequenzen und Sanktionen erfahren.
Gewalttäter sind nicht krank oder schwach, auch dann nicht, wenn sie selber in der Kindheit Gewalt erlebt haben. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und zerstörerisches und gewaltbereites Verhalten zu verändern.
Strategien und psychologische Merkmale von Tätern
Gewalttäter wenden oft ganz bewusst Strategien und Tricks an, um von ihrem gewalttätigen Verhalten abzulenken, die Betroffenen zu beeinflussen und ihre eigenen Taten zu verschleiern oder zu rechtfertigen. Sie neigen dazu, die Umgebung zu manipulieren.
Zu den Täterstrategien und psychologischen Merkmalen von Tätern gehören:
- Zwischen Betroffenen und Tätern besteht eine enge Beziehung.
- Gewalttäter haben daher einen leichten Zugang zu den betroffenen Frauen und daher viele Möglichkeiten, die Betroffene zu beeinflussen und zu manipulieren.
- Alkohol und Drogen sind nicht die Ursache der Gewalt, sie verstärken jedoch die Gewalthandlungen.
- Gewalttätern fehlt es an Unrechtsbewusstsein.
- Gewalttäter sind überzeugt, dass ihr Verhalten zur Männlichkeit gehört und sie daher recht haben.
- Gewalttäter versuchen nicht nur auf die Partnerin, sondern auf das Umfeld der Partnerin Einfluss zu nehmen und sich in der Öffentlichkeit und vor Behörden von der besten Seite darzustellen (Stichwort: zwei Gesichter).
- Victim Blaming (Beschuldigung des Opfers) bezeichnet die Strategie, der Partnerin die Schuld zu geben und auf diese Weise die eigene Verantwortung abzuschieben.
- Verharmlosen oder Verleugnen der Gewalttaten
- Ablenken von Gewalttaten und -handlungen
- Falsche Darstellungen der Gewalthandlungen
- Zurechtlegung von zahlreichen Rechtfertigungen wie etwa: Kontrollverlust, Provokation, Alkohol, Drogen, Geldprobleme oder Stress
Es ist daher sehr wichtig, die Verantwortung nicht bei der betroffenen Frau zu suchen und nicht auf Ablenkungsversuche und Rechtfertigungsstrategien des Gewalttäters einzugehen, sondern sie anhand der Taten und Fakten zu beurteilen. Gewalttäter müssen bei den ersten Anzeichen von Gewalt (Anzeigen, Betretungsverbote, Hilferufe der Frauen etc.) zur Verantwortung gezogen werden. Nur so kann Gewalt an Frauen und Kindern gestoppt werden. Nur so können Morde an Frauen und Kindern verhindert werden.
Männer können selbst Gewalt verhindern
Männer haben die Möglichkeit ihr Verhalten zu verändern, indem sie:
- den Männernotruf anrufen: 0800 246 247
- sich an eine der Männerberatungsstellen in ganz Österreich wenden: maennerberatung.at oder maenner.at
Gewalt an Frauen und Mädchen in Österreich
- Jede 5. Frau ist körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt.
- Jede 5. Frau erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr physische und/oder sexuelle Gewalt.
- Jede 3. Frau wird ab ihrem 15. Lebensjahr sexuell belästigt.
- Jede 7. Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr von Stalking betroffen.
Der neue Kampagnenspot über Männergewalt an Frauen „Hol dir Hilfe“ ist eine Kooperation der AÖF – Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser gemeinsam mit dem Dachverband für Männer-, Burschen-, und Väterarbeit in Österreich (DMÖ), der Männerberatung Wien, White Ribbon Österreich und dem Verein Poika (Verein für gendersensible Bubenarbeit).
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