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Bundespräsidentschaftskandidat Heinrich Staudinger im frauenpolitischen Interview

Am 9. Oktober wählen die Österreicher:innen ihr neues Staatsoberhaupt. Sieben Männer bewerben sich um das Amt des Bundespräsidenten. WOMAN wollte von den Kandidaten wissen: Wie halten sie es mit der Gleichberechtigung? Wie singen sie die Bundeshymne? Und was tun gegen die großen Ungerechtigkeiten?

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Portrait des Bundespräsidentenwhalkandidats Heinrich Staudinger
© Heinrich Staudinger

Der gebürtige Oberösterreicher (69) ist Erfinder der „Waldviertler Schuhe“. Sein öffentlicher Konflikt mit der Finanzaufsicht brachte ihm medial den Spitznamen „Schuhrebell“ ein. Streitpunkt war Staudingers alternative Finanzierung seines Firmenausbaus durch zahlreiche kleine Privatkredite, was Anstoß für das 2015 in Kraft getretene Crowdfundinggesetz gab.

Ganz ehrlich, wäre es nicht mal Zeit für eine Bundespräsidentin?
Oh, ja klar.

Wann wären Sie lieber eine Frau?
Zum Beispiel jetzt bei dieser Wahl oder auch beim Autofahren ... Frauen fahren viel umsichtiger.

Was ist das weiblichste an Ihnen?
Ich bin nah am Wasser gebaut. Mich berühren Schicksale oft so sehr, dass sie mich zum Weinen bringen. Darum helfe ich gern, wenn’s irgendwie geht. Ich war 19-jährig zum ersten Mal in Afrika, hab dort gelernt, dass es im Leben nichts Wichtigeres gibt als das Leben. Dafür bin ich dankbar – drum helfe ich gern – in den letzten 15 Jahren haben wir mehr als 3 Millionen Euro für Afrika gesammelt. Mit diesen Spenden unterstützen wir gemeinschaftsdienliche Projekte. Zurzeit Hungerhilfe im Norden von Äthiopien und auch in Mali. Schrecklich, der Krieg zerstört ihre Mittel zur Selbstversorgung.
Mich berühren auch Glücks Momente – da genügt manchmal schon ein schöner Augenblick in der Natur, oder ein froher Moment im Beisein von Kindern.

Wie gleichberechtigt leben Sie Ihren Alltag mit Ihrer Partnerin?
Gleichberechtigt? Es ist bei uns völlig normal Entscheidungen z.B. von Mitarbeiterinnen in gleicher Weise zu respektieren und umzusetzen. Die Wäsche wasche ich seit Jahrzehnten selbst. Beim Bügeln lasse ich mir gerne helfen.

Was können Männer von Frauen lernen?
Fürsorge. Das haben wir in unserer Gesellschaft oft verlernt. Die Amerikaner sagen „caring“. Ja, mitfühlen und füreinander Sorge tragen.

Was können Frauen von Männern lernen?
Entschlossenheit, zielgerichtetes Handeln ... doch auch hier ist es so, dass so mancher Mann von so mancher Frau was lernen könnt.

Welche lebende Frau außerhalb Ihrer Familie beeindruckt Sie besonders und warum? Vandana Shiva, die indische Wissenschafterin und Aktivistin, weil sie ihr Leben ganz in den Dienst der Natur und der Erhaltung der Artenvielfalt gestellt hat. Und Ute Bock – mit ihr haben wir immer wieder zusammengearbeitet.

Singen Sie die Bundeshymne immer auch mit „großen Töchtern“?
Ich sing sie gar nicht oft, wenn überhaupt. Ich hab die Rilke Verse gern ...
Der erscheint mir als der Größte, der zu keiner Fahne schwört, und, weil er vom Teil sich löste, nun der ganzen Welt gehört.
Diese Verse lassen sich super gendern:
Die erscheint mir als die Größte, die zu keiner Fahne schwört, und, weil sie vom Teil sich löste, nun der ganzen Welt gehört.

Gendern Sie?
Schon, aber nicht immer.

Was bedeutet für Sie Feminismus?
Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit
Freiheit den Gedanken und Worten. Gleichheit vor dem Gesetz. Geschwisterlichkeit in der Wirtschaft.
Natürlich für alle.

Sind Sie Feminist?
Ja, so einer wie Günther Nenning. Erinnert ihr euch an ihn? Er war der Hirsch bei der Besetzung der Hainburger Au.
Günther hatte die Frauen gern und stand immer auf ihrer Seite.

Was halten Sie von Quoten?
Sind sicher dort und da hilfreich, dort und da auch notwendig.

Wie können Frauen Kinder und Karriere besser vereinen?
Ein afrikanisches Sprichwort sagt „um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Unsere Kleinfamilienstruktur, noch schlimmer die Situation alleinerziehender Mütter, ist eine Katastrophe. ... für alle.

Als Bundespräsident ernennen Sie die Minister:innen Was macht für Sie eine gute Frauenministerin aus?
Sie steht auf der Seite der Frauen. Schafft Rahmenbedingungen, in denen Frauen – auch in schwieriger Lage – das Leben gelingen möge.
Außerdem erklärt sie der Bevölkerung die Lage vieler Frauen und wirbt um Verständnis und agitiert dort, wo’s „brennt“ mit persönlichem Einsatz.

Würden Sie auch einen Mann als Frauenminister angeloben?
Das wäre doch ziemlich bizarr.
Eher würde ich eine Pazifistin zur Verteidigungsministerin angeloben.

In den USA hat das Supreme Court das Grundrecht auf einen Schwangerschaftsabbruch gekippt. Sehen Sie bei der Fristenlösung in Österreich Änderungsbedarf?
Nein.

Welche Maßnahmen fordern Sie gegen Femizide?
Mehr Polizei, mehr Überwachung?
Ich denke, das allein würde nicht fruchten. Irgendwann müssen wir uns mit unserer Lebensweise auseinandersetzen, die oft destruktiv ist. Oft überfordert sie die Menschen. Junge Paare alleine. Junge Mütter alleine. Alte in Einsamkeit. Männer ohne Ziel und Sinn. Daraus erwächst viel Unsinn.
Ermutigung zur Offenheit, immer und überall. Heraus aus der Einsamkeit und Verzweiflung, hinein ins Leben.

Frauen sind von Altersarmut besonders betroffen – was dagegen tun?
Ausgleichszahlungen, um wenigstens die schlimmste Armut fernzuhalten. Und noch einmal: Es ist doch herzlos, wie sehr die Alten an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

In puncto Gender-Pay-Gap zählt Österreich EU-weit zu den negativen Spitzenreitern. Was muss passieren?
Das ist eine Schande. Seit Jahrzehnten ein Skandal.

Fanden Sie die Me-too-Bewegung ausschließlich gut oder (auch) übertrieben?
Beides. Die Bewegung soll das Spiel zwischen Frau und Mann nicht blockieren. Und trotzdem sollen die Männer nicht deppat sein – und die Frauen a ned. Daun kann’s was werden.

Nachfrage: Haben Sie sich bei diesem Thema in der Vergangenheit etwas vorzuwerfen?
Nein.

Was wäre Ihr wichtigster Rat an eine 18-jährige junge Frau?
Frech, fröhlich und frei zu sein. Selber im Stande zu sein, zu sagen: "Hej, bitte sei ned so deppat.“ selber im Stande zu sein zu sagen "hej - bitte sei ned so deppad.“