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"Ich war sexsüchtig!": Franzobel
alias Stefan Griebl im WOMAN-Talk

Schriftsteller Franzobel alias Stefan Griebl, 44 – mittlerweile in zweiter Ehe verheiratet und zweifacher Vater – packt in WOMAN über sein umtriebiges Vorleben aus.


"Ich war sexsüchtig!": Franzobel
alias Stefan Griebl im WOMAN-Talk
© Roland Ferrigato

WOMAN: Ihr neuer Schelmenroman „Was die Männer so treiben, wenn die Frauen im Badezimmer sind“ widmet sich ausführlich dem Stöhnen. Gehen Sie jetzt unter die Sex sells-Autoren wie Charlotte Roche?

Franzobel: Nein. Aber ich beleuchte den gesellschaftlichen Umgang mit Sex. Mein Protagonist Hildy ist von einer Empathielosigkeit getrieben. Vor lauter Katastrophenmeldungen berührt ihn nichts mehr. Um gegen diese Abgestumpftheit zu arbeiten, glaubt er, dass er im weiblichen Orgasmusstöhnen einen Zugang zu sich selbst findet. Dass ihn ihm etwas aufbricht. Aber weil er das anfangs nicht schafft, wird er männliche Hebamme, Puffvater, Sterbebegleiter und Sargträger um das Gestöhne in den jeweiligen Situationen zu analysieren. Irgendwann tritt er in einen Dialog mit den Vögeln. Und ums Vögeln kreisen auch weiter seine Gedanken...

WOMAN: Sie schreiben, dass Stöhnen das „Tor zur Seele“ ist. Laut Studie sind aber 80 Prozent der Österreicher mit ihrem Sexleben unzufrieden. Also 80 Prozent des ekstatischen Geseuftztes sind ein Fake!

Franzobel: Ich hoffe, dass meine Frau (mit der Schauspielerin Maxi Blaha ist er in zweiter Ehe verheiratet, Anm.) da nicht dazugehört. Als Mann weiß man nie, ob etwas echt ist oder nur vorgespielt. Es ist eine bedenkliche Entwicklung, wenn’s zuhause allmählich so zugeht wie bei den Sexhotlines, wo Frauen scheinbar erregt in den Telefonhörer stöhnen, um die Männer geil zu machen, aber nebenbei bügeln. Aber offenbar stumpfen wir alle wirklich immer mehr. Ich beobachte das oft bei Geschäftsmännern. Durch meine Lesereisen bin ich viel in Hotels. Und Pay-TV ist dort der Anschluss zur Unmoral.

WOMAN: Kann man die sexuelle Ur-Kraft überhaupt steuern?

Franzobel: Mit Tantrayoga geht das! Viele der Befreiungssekten der 60er-Jahre haben so gearbeitet, vor allem um Sexentzug als Form der Unterdrückung zu missbrauchen. Auch der Zölibat der Katholischen Kirche tut nichts anderes. Das ist ein Mittel, womit man die Priester schuldig weiß. Ich habe mal wo gelesen, dass selbst erleuchtete Shaolinmönche völlig überfordert sind, wenn sie Pay-TV schauen. Selbst denen fehlt die Lösung für eine geistige Triebabfuhr. Es liegt nun mal in der Natur des Mannes, seinen Samen möglichst großflächig zu streuen, um das genetische Erbgut zu verbreiten. Und das will ein Mann, der schon Familie hat, noch mehr als einer, der überhaupt erst eine gründen muss.

WOMAN: Gestattet Ihre "Vorstellung" Frauen das gleiche Recht?

Franzobel: Ihr Frauen seid da ja anders veranlagt, ihr trägt das Gluckenhafte in euch, wollt ja das Nest wärmen. Aber wir Männer sind Nestflüchter. Und auch wenn ich jetzt zum zweiten Mal verheiratet bin und wieder Vater, ist die Vorstellung, dass es jeder mit jedem treiben kann, schon interessant für mich. Zumindest in der Theorie.

WOMAN: Und in der Praxis?

Franzobel: Ich hatte zwei, drei Phasen im Leben, wo ich mich ausgetobt hab und ganz auf den Sexus fixiert war. Ich verfiel dem Eroberungswahn, flirtete mit jeder und versuchte sie ins Bett zu bekommen. Was erstaunlich gut funktioniert, weil ja so viele in unglücklichen Beziehungen leben. Daraus ergab sich ein echtes Suchtverhalten. Ich war auch ständig irgendwie verliebt! Aber bevor ich den dreistelligen Bereich erreichte (lacht) , lernte ich Maxi kennen. Sie hat meine Sehnsucht gestillt. Und in Wahrheit wollte ich – bevor ich mit einer ins Bett stieg – immer eine Beziehung. Denn jeder, der so viel Sex braucht, leidet vor allem an einem: dass er sich zu wenig geliebt fühlt!

WOMAN: Ein Wunder, dass Maxi bei Ihrem Frauenverschleiß trotzdem ja zu Ihnen sagte. Nicht jede will einen Hallodri zum Mann!

Franzobel: Maxi war auch kein Kind von Traurigkeit. Und wir haben offen darüber geredet. Ich bin kein Araber, wollte nie eine unberührte Jungfrau! Deshalb bin ich auch nicht eifersüchtig, sondern fast dankbar, dass wir jeder für uns unsere Erfahrungen gemacht haben. Ich bin überzeugt, dass man sich erst dann trifft, wenn’s wirklich passt. Und Maxi und ich haben uns an die sechs Mal im Leben knapp verpasst – bevor es funkte. Darüber sind wir nicht unglücklich, denn erst mit diesen Erfahrungen können wir einander richtig verstehen.

Interview: Petra Klikovits

Thema: Sex & Erotik