"Rezept Pudding" oder "Liebt er mich Anzeichen". Konkretes bis Sonderbares: Die Menschen geben die unterschiedlichsten Fragestellungen bei Google ein – und manchmal landen sie auf ihrer Suche nach Antworten auch auf WOMAN.at. Wir bitten nun junge Autorinnen, sich zu diesen Fragestellungen Gedanken zu machen. Frei von der Leber weg, ohne formale Vorgaben. Als Essay, Kolumne, Interview.
Den Anfang macht die Wiener Bloggerin Nunu Kaller (IchKaufNix), die sich für uns mit der User-Anfrage "How to ihn vergessen" beschäftigte.

So. Es reicht, beschloss sie. Ab morgen fängt ein neues Leben an. Seit Monaten hing sie in den Seilen, meisterte ihren Alltag, weil sie halt musste. Aufstehen, duschen, Zähneputzen, sich durch den Kleiderberg vorm Bett nach noch nicht miachtelnder Kleidung schnuppern, in die Arbeit, Schuhe verkaufen, Bestelllisten korrigieren, Lagerbestände überprüfen, Rechnungen schreiben, Rechnungen zahlen, KundInnen möglichst nicht anschnauzen, zusperren, nachhause. Am Heimweg schnell noch ein Einsermenü vom Schachtelwirt, und zuhause mit dem Handy in der Hand, um mit den Freundinnen zu schreiben, vor die Glotze, je blöder der Film, desto schneller schlief sie ein.
Seit Monaten ging es so. Seit er gegangen war. Seit es diese neue blöde Funsen gab.
Diese immer lachende, immer gut gelaunte Yogalehrerin. Yoga! Früher konnte man maximal seine erstarrte Miene, wenn im Kühlschrank kein Bier zu finden war, mit Meditation verwechseln, und jetzt machte er Yoga. Und Seelenreisen. Bitte wer macht Seelenreisen? Dabei war er doch echt noch zu jung für eine Midlife-Crisis, oder?
Im Fernsehen lief die gefühlt millionste Wiederholung von Sex and the City 2. Das hielt sie ja gar nicht aus, vor allem, weil sie in einem Schuhgeschäft arbeitete und allein die Tatsache, dass Carrie sich durch eine läppische Kolumne pro Monat einen ganzen Schrankraum voller Manolos leisten konnte, sie jedesmal vor Weißglut an die Decke trieb. Nie! Nie im Leben!
Sie sah vom Bildschirm, wo es Sexbombe Samantha mit einem Jüngling am Strand trieb (der ganze Sand überall, das tut doch irgendwann weh, dachte sie), weg und sich in der Wohnung um. Größentechnisch war es mit Carries Apartment vergleichbar, aber das war auch schon das Einzige. In einem Eck standen immer noch Umzugskartons, anstelle von Lampenschirmen hingen immer noch die nackten Glühbirnen von der Decke, Vorhänge hatte sie auch keine, und unter dem Berg an Burger-Kartons in der Küche vermutete sie bereits einige Mitbewohner. Sie hatte in den vergangenen Monaten jegliche Lust am Leben verloren.
Wozu sollte sie es sich schön machen, war doch eh keiner da, um es zu bewundern. Wozu das Bett frisch überziehen, es war ja nicht so, als ob sich zwischen den Laken was abspielen würde.
Doch an diesem Abend wurde ihr sonnenklar: Nein. Es konnte so nicht weitergehen. Sie musste wieder ins Leben zurückkehren. Genug getrauert. Aber wie?
Anstatt gleich die Wohnung durchzuputzen, holte sie sich ihren Laptop auf den Schoß.
„How to...“, tippte sie, und überlegte. Ah ja!
„How to start new“. Sie suchte bei Google immer auf Englisch, es gab einfach mehr und bessere Ergebnisse. Sie klickte auf den Link „How to start a new life when you are at rock bottom“, passte schließlich, und las sich den Artikel durch. Erster Tipp: Jammere ruhig ein bisschen.
Das konnte sie getrost abhaken, das hatte sie so ausführlich getan, dass einige Freundinnen sich gar nicht mehr meldeten bei ihr. Zweiter Tipp: Mach eine Pause, entspann dich. Tat sie auch, jeden Tag vor dem Fernseher. Wie schön wäre es jedoch, mit ihm einfach mal ein paar Tage abzuhauen, so wie früher, drei Tage Therme, nichts als Thermalbad, Sauna, Essen, Sex.
Die Erinnerung nahm ihr kurz die Luft zum Atmen. Nein, der Artikel half auch nicht. Weitersuchen.
„How to reorganize your apartment“. Genau. Erst außen aufräumen, dann würde sich das Innere auch klären, das hatten ihr schon so viele gesagt (meist, nachdem sie ihre Wohnung betreten hatten). Wenig befriedigende Antworten. Sie fand Bastelanleitungen, wie sie sich selbst Vorratsbehälter aus Klorollen herstellen konnte. Kurz grinste sie beim Gedanken an ihn, als er ihr nach einem gemeinsamen Großputz einmal einen Kriminalfall von Sherlock Homes mit leeren Klorollen als Figuren nachgestellt hatte. Sie hatte gelacht, bis ihr die Tränen gekommen waren. Er konnte so witzig sein, so kreativ...
„How to be happy again“. Glücklich sein, das wollte sie wieder. Wäre doch gelacht, wenn es dazu im Internet keine Anleitung gäbe, schließlich gabs dort auch Bastelanleitungen für Klorollenvorratsbehälter. Erster Tipp: Sei optimistisch. Na ha ha, sehr lustig. Einfach mal so, schnipp und optimistisch? Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal wirklich glücklich, gut drauf und hoffnungsvoll gewesen war.
Erinnerungen an den Urlaub in Portugal schossen in ihren Kopf, diese langen Spaziergänge am Meer mit ihm, die Diskussion, ob sie sich eine Katze nehmen zuhause, und überhaupt, ob sie sich nicht endlich mal eine gemeinsame Wohnung suchen. Das kleine Hotelzimmer mit Blick auf eine mittelalterliche Kirchenmauer. Wie er nach ihrer Hand griff, als sie sich im Gedränge vor einem Museum zu verlieren drohten. Sein Lachen. Sein Grübchen am Kinn.....
Als sie aufwachte, war bis auf den Monitor ihres Laptops alles stockdunkel. Es war vier Uhr in der Früh. Sie musste eingeschlafen sein bei der Suche nach dem Glück, und sie hatte von ihm geträumt. Mit verquollenen Augen schaute sie den Laptop an.
Im Suchfeld stand: „How to …. ihn vergessen.“

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