In Österreich wurden seit dem 27. Dezember knapp 300.000 Menschen geimpft. Logistische Probleme, mangelnde Bereitschaft und verzögerte Lieferungen bringen die Planungen durcheinander. Laien blicken bei den verschiedenen Corona-Impfstoffen nicht mehr ganz durch. Dabei spielen wir eine wesentliche Rolle: Die Entwicklungen wurden nämlich von Steuergeldern mitfinanziert. "Die Impfstoffe sind deshalb als öffentliches Gut zu behandeln", erklärt Alexandra Strickner vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac.
Die Pharmafirmen halten aber an ihren Patenten fest, was viele Initiativen dazu bewegt, sich dagegen aufzulehnen. Würden sie nämlich ausgehebelt werden, könnten auch andere Unternehmen den Impfstoff herstellen. Was das bedeuten würde? Größere Lieferungen, mehr Impfungen, ein schnelleres Ende der Pandemie – auch in ärmeren Ländern, die bislang kaum beliefert wurden. Was so einfach klingt, scheint aber eine große Debatte mit vielen Pro und Contras zu sein. Die Frage bleibt: Warum verlangen Regierungen nicht einfach das Wissen offenzulegen?
Offener Zugang zu Daten & Informationen für die Entwicklung der Impfstoffe – wer hält dagegen?
Organisationen wie Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen, Human Rights Watch oder die UN-Menschenrechtskommission sprechen sich schon lange für eine Ausnahme der Patentregeln für die Zeit der Pandemie aus. Aber auch einige Staaten – wie Südafrika oder Indien – haben einen entsprechenden Antrag bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht. Reichere Länder wie etwa die USA, Japan, Großbritannien oder die EU blockieren eine Lockerung des Patentschutzes. Warum? Sie verteidigen die Unternehmen, die ihren Sitz in den entsprechenden Ländern haben. "Technologisches Wissen sollte frei und offen geteilt werden, ein Profitieren von dieser Pandemie gehört verboten", heißt es in einer Petition der AktivistInnengruppe Avaaz. Warum das, was so logisch klingt, vielleicht doch zum Problem werden könnte?
"Patente dienen als Ansporn für die Forschung"
Um an die Patente der Pharmafirmen zu kommen, steht die Diskussion um Zwangslizenzen im Raum. Staaten würden die Pharmafirmen dazu zwingen, das Wissen offenzulegen. Rechtsstreits wären aber zeitaufwändig und würden die schnelle Produktion der Impfstoffe weiter verhindern und hohe Kompensationen notwendig machen. Warum die Patente überhaupt nötig sind? Grundsätzlich sind die VertreterInnen der Pharmaindustrie davon überzeugt, dass der Schutz des geistigen Eigentums Erfindungen erst möglich mache. Das sieht auch die Bioethikerin Christiane Druml so: "Patente dienen als Ansporn und Belohnung für die sehr kostspielige und langjährige Forschung. Die Kosten für die Entwicklung sind hoch – das Alleinnutzungsrecht ist ein wesentlicher Anreiz für die Firmen, zu investieren." Zudem seien die Unternehmen dadurch vor Konkurrenz geschützt.
Ein öffentliches Gut wäre eine Impfung nur dann, wenn sie vollständig von Steuergeldern finanziert werden würde, weiß Druml. "Das ist aber nicht der Fall. Auch private Gelder fließen in die Forschung. Das Geflecht der Finanzierung ist sehr komplex." So prekär die globale Lage auch ist, ein bestehendes System könne nicht so einfach ausgehebelt werden, so die Bioethikerin. "Impfungen haben die Gesundheit von uns allen in den letzten Jahrzehnten verbessert und Krankheiten wie die Pocken im Jahr 1979 ausgerottet."
Derzeit befinden sich etwa 67 Covid-Impfstoffe in klinischen Studien. Eine freies Patent könnte zur Ungleichbehandlung der verschiedenen Erzeuger führen. Eine Fülle von verschiedenen Corona-Impfstoffen sei aber unbedingt notwendig, weiß Druml.

Gibt es einen Mittelweg?
Eine vorübergehende Kooperation ist möglich: So unterzeichnete AstraZeneca im Juni ein Abkommen mit dem indischen Konrzern Serum Institute of India, damit dieser eine Milliarde Impfdosen für ärmere Staaten lizenzfrei herstellen kann. Auch die WHO bemüht sich mit dem sogenannten "Covax"-Plan um eine globale Verteilung der Impfstoffe. Ein Ende der Pandemie ist ohnehin nur dann abzusehen, wenn auch alle ärmeren Staaten mit Impfdosen versorgt sind: "Es nützt nichts, wenn wir in Österreich zu 100 Prozent geimpft sind und in Ägypten nur 20 Prozent der Menschen", erklärt die Bioethikerin. "Das Virus würde dort mutieren, wieder nach Österreich kommen und die Impfung wäre möglicherweise unwirksam." Die Bemühungen um eine gerechte Verteilung seien vorrangig im Sinne der Solidarität gemeinsam anzustreben, unterstreicht Druml: "Das ist sicherlich der bessere Weg als ein Streit um Patente."
Bei der Debatte um den Schutz des geistigen Eigentums ist noch kein Ende in Sicht: Im März treffen sich die Mitglieder des zuständigen Rates zu den nächsten Beratungen.