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Kicken ohne Grenzen: "Selbstbewusstseins-Boost" für Mädchen

Das offene Fußball-Projekt wurde mehrfach ausgezeichnet, trotzdem bekommt der Verein heuer vom Sportministerium keine Förderung mehr. Mitgründerin Karina Lackner hat WOMAN.at erklärt, wie Fußball die Gesellschaft verändern kann.

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Kicken ohne Grenzen: "Selbstbewusstseins-Boost" für Mädchen
© Kicken ohne Grenzen

Die Fußball Weltmeisterschaft der Männer, die aktuell in Russland ausgetragen wird, führt uns beinahe täglich Stereotype, Sexismen oder einfach nur Unfassbares vor Augen. Etwa die von Burger King Russland ausgeschriebene Belohnung für Frauen, die von WM-Spielern schwanger werden um „gute Fußball-Gene ins Land zu holen“ oder der Shitstorm gegen die einzige weibliche Fußball-Kommentatorin der WM im deutschen Fernsehen. Frauen und Fußball, das passt auch im Jahr 2018 noch immer nicht zusammen. Das könnte man jedenfalls meinen, wenn man das sportliche Großevent in den (sozialen) Medien verfolgt. Da lohnt es sich, einen Blick auf Fußball-Projekte abseits dieses Wahnsinns zu werfen - denn dann wird schnell klar, dass das genaue Gegenteil der Fall ist.

„Wenn ich Fußball spiele, fühle ich mich stark“, sagt etwa Frahnaz aus Afghanistan, die Spielerin bei „Kicken ohne Grenzen“ (KoG) ist. Bei dem offenen Fußball-Projekt, das 2015 von Alois Gstöttner und Karina Lackner für Jugendliche mit mit Fluchterfahrung gegründet wurde, spielen Burschen und Mädchen aus unterschiedlichen Ländern. Ein anderes Zitat, das man im Folder von KoG findet, stammt von Zarah auf Afghanistan: „Fußball hat mein Leben verändert.“ Und tatsächlich: Wenn man Karina Lackners Erzählungen über das Projekt, das Training und die Kickerinnen zuhört, wird schnell klar, dass Fußball - jedenfalls in diesem Rahmen - wirklich das Zeug hat, einen Unterschied zu machen. „Das Selbstbewusstsein von den Mädchen und Frauen, die bei uns spielen, steigt enorm“, sagt Lackner. Zum Training zu kommen, in einem Team zu spielen, echte Dressen zu tragen, Matches zu bestreiten - all das bestärke die Fußballerinnen extrem.

Studie: Fußball stärkt Selbstbewusstsein von Mädchen

Das gestärkte Selbstbewusstsein zeige sich dabei genauso abseits des Rasens, wie auch im Spiel in gemischten Teams: „Bevor wir das erste mal bei einem Match in einem gemischten Team angetreten sind, war das für alle ein bisschen mit Stress verbunden. Es hat aber super funktioniert und wenn die Burschen die Mädchen nicht angsepielt haben, haben sie sich aufgeregt und das sehr selbstbewusst eingefordert.“ Dass Mädchen Fußballspielen sehr zu ihrem Vorteil nutzen können, belegen nicht nur die Schilderungen von Karina Lackner beim Interview mit WOMAN.at, sondern auch eine Studie, die die UEFA im April 2017 herausgegeben hat. Unter der Leitung von Paul Appleton von der University of Birmingham untersuchte ein Forschungsteam die Auswirkungen, die Fußball spielen, auf Teenagerinnen hat.

Dabei ist eine der Kernerkenntnisse: Mädchen, die Fußball spielen haben ein höheres Selbstbewusstsein als jene, die keinen Sport machen. Und interessanterweise auch als jene, die einen anderen Sport betreiben. Gerade im Teenager-Alter, wo das Selbstbewusstsein bei Mädchen oft sehr fragil ist, kann Fußball einen richtigen „Selbstbewusstseins-Boost“ erzeugen. Denn: Vor allem Teil eines Teams zu sein, kann sehr viel dazu beitragen, Nervosität abzulegen und einen darin bestärken, seine Ziele zu erreichen. Und eben nicht nur am Rasen sondern auch im täglichen Leben. So berichteten die Mädchen, die für die Studie interviewt wurden auch darüber, dass sie besser mit Druck in der Schule umgehen können und sich Probleme leichter lösen lassen. Die Erkenntnis der Studienautoren und in weiterer Folge auch der UEFA: „Wenn du willst, dass Teenagerinnen selbstbewusster sind, bring sie dazu, Fußball zu spielen.“

Vor allem der Zusammenhalt im Team stärkt laut UEFA-Studie das Selbstbewusstsein.

Männerdomäne aufbrechen

Und genau das macht Kicken ohne Grenzen. „Fußball ist auch in Österreich nach wie vor eine Männerdomäne, in den Herkunftsländern der Frauen teilweise noch stärker. Sich gemeinsam in einem Team zu formieren, gibt den Mädchen starken Rückhalt“, so Lackner. Interessant sei auch zu beobachten, dass fast alle Spielerinnen bei KoG am Rasen ihre Kopftücher ablegen. Nicht, weil das irgendjemand von Ihnen verlangt hätte, sondern schlichtweg, weil sie keine Lust hätten, darunter zu schwitzen, erzählt Karina Lackner. „Wir stellen ganz bewusst Sport-Hijabs zur Verfügung, die dem FIFA-Regulatorium entsprechen, aber die meisten wollen sie gar nicht.“ Und das nicht nur beim Training mit dem Wiener Frauenverein Dynama Donau, der das Training der Mädchenteams von KoG übernommen hat - sondern „auch bei den Spielen - egal, wer zuschaut.“

Aber: Nicht nur auf Seiten der Frauen und Mädchen hat Fußball positive Auswirkungen - auch die Buben lernen durch das gemeinsame Spielen viel dazu. „Für die Burschen bei uns ist es ganz normal, dass auch Mädchen mitspielen. Im Gegenteil, gerade wegen unseren Mädchenteams kommen auch immer wieder Österreichische Hobby-Vereine auf uns zu, weil sie für gemischte Turnier-Teams auf der Suche nach Frauen sind.“ Tatsächlich sei das so schwierig, dass viele Vereine deshalb keine gemischten Turniere organisieren würden, eben weil sie Angst haben, dass nicht genug Anmeldungen zustande kommen, weil den Teams die Frauen und Mädchen fehlen würden.

Viele Frauen und Mädchen legen das Kopftuch zum Kicken ab. Nicht nur im Training.

Bei Podolski-Projekt in Köln

Kicken ohne Grenzen kennt man inzwischen auch über die Grenzen Österreichs hinaus, nicht zuletzt durch ihre Beteiligung am EU-Projekt „Scoring for the future“, das Jugendarbeitslosigkeit ansprechen und senken möchte. So kam auch ein anderer Kontakt zustande, nämlich jener zu „Poldis Eleven“ - dem sogenannten „Social Football Summit“ unter der Schirmherrschaft von Lukas Podolskis Stiftung, zu dem kürzlich 6 SpielerInnen von KoG entsandt wurden. Gemeinsam mit Lackners Kollege Alois Gstöttner waren sie in Köln, um dort gemeinsam mit anderen europäischen, jugendlichen KickerInnen in Austausch zu treten. Das habe hervorragend funktioniert - „Gänsehautmoment“ inklusive, wie Karina Lackner erzählt. So wurden dort die Jugendlichen bunt für’s Training zusammen gewürfelt und als es hieß, man solle sich selbstständig aufwärmen, „haben die Burschen wie so oft wild drauf los geballert. Und eine unserer Frauen, die auch als Co-Trainerin bei uns im Kinder-Team mitarbeitet, hat dann angefangen das Aufwärmen anzuleiten und auch die Burschen haben brav mitgemacht. Da ist man schon stolz, weil das eine sehr schöne Entwicklung ist - das war nicht immer so.“

Nach allem, was Karina Lackner im Interview erzählt, verwundert es nicht, dass „Kicken ohne Grenzen“ 2016 mit dem Integrationspreis Sport und 2017 mit dem Frauen-Integrations-Award ausgezeichnet wurde. Viel mehr verwundert da schon, dass dem Verein - der neben Fußball als zweite Schiene unter dem Motto „Job Goals“ auch Bildungsberatung bzw. -begleitung für die kickenden Jugendlichen anbietet - heuer kein Geld mehr vom Sportministerium erhält, auch wenn Karina Lackner „nicht davon überrascht war, dass ihr Verein von einem von H.C. Strache geführten Ministerium keine Föerdung mehr erhält.“ Aufhalten lassen wird man sich davon aber keineswegs, stattdessen würde KoG versuchen über andere, kleinere Projektförderungen finanzielle Mittel zu lukrieren. Immerhin fällt durch diese Streichung das halbe Jahresbudget weg.

Sporthallen und Mädchen-Teams gesucht

Wer Kicken ohne Grenzen unterstützen möchte, kann das auf verschiedene Arten und Weisen tun. Trainingsräumlichkeiten, insbesondere Hallen im Winter, seien sehr knapp - sollte jemand Raum zur Verfügung stellen - immer nur her damit. Außerdem begehrt: Andere Mädchen-Teams aus Wien, gegen die Freundschaftsspiele ausgetragen werden können. „Und wenn man gar nicht weiß wie, aber helfen möchte, kann uns natürlich auch Geld spenden“, sagt Karina Lackner mit Augenzwinkern.

Zur Website von Kicken ohne Grenzen geht es hier, auch auf Facebook gibt es viele Infos.