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Marina Hoermanseder: "Wir leben in einer Zeit, in der alles erlaubt ist!"

Die österreichische Designerin präsentierte ihre neue Kollektion mit Palmers. Uns erzählt sie, warum es egal ist, ob wir 4 Kilo zugenommen haben und warum sie hofft, es nie "geschafft" zu haben.

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Die österreichische Designerin Marina Hoermanseder bei einer Fashion-Party in Berlin. Sie designt regelmäßig Kollektionen für das österreichische Unterwäschelabel Palmers.
© Getty Images

Ihre außergewöhnlichen Kreationen sind aus der Modeindustrie nicht mehr wegzudenken. Ihrem Signature Piece, dem Buckle, also der Schnalle, bleibt sie schon seit Jahren treu. Ihre Designs sind fancy, sprühen nur so vor Popkultur und auch Stars wie Lady Gaga, Katy Perry oder Rita Ora lieben sie. Nicki Minaj trug eins ihrer legendären Vasenkleider sogar in einem Musikvideo, Kylie Jenner ist mit ihrem Leo-Cowboyhut auf einer Lidschattenpalette von Kylie Cosmetics abgebildet. Und ihre zahlreichen Kooperationen reichen von namhaften Firmen wie Buffalo über Lego bis hin zum österreichischen Unterwäscheriesen Palmers.

Die neueste, und insgesamt mittlerweile dritte Marina Hoermanseder x Palmers Kollektion wurde am Donnerstag präsentiert. Die Wienerin, die in Berlin lebt, befand sich zu diesem Anlass natürlich in ihrer Heimatstadt. Diese Gelegenheit haben wir genutzt - und sie zum Interview gebeten. Mit WOMAN spricht sie darüber, warum JEDE Frau sich trauen sollte, Dessous als Alltagsoutfits zu tragen, wie sie mit Hass im Netz umgeht und warum sie es nie "geschafft" haben möchte.

WOMAN: Deine Kollektion mit Palmers geht in die nächste Runde. Wo liegt dieses Mal der Fokus?

HOERMANSEDER: Wir wollten Unterwäsche rausbringen, die man im Büro tragen oder die man zum Ausgehen stylen kann. Und wir sind ja trotzdem immer noch gern und viel daheim - deshalb sind auch wieder ein paar gemütliche Looks dabei. Ganz neu ist der Glitzerstoff. Und wie immer: Buckles überall. Das ist nicht neu (lacht).

Wie war der Designprozess? Was muss man beachten, wenn man Unterwäsche designt?

HOERMANSEDER: Das Gute ist, wir haben bei Palmers so viele Profis an der Seite, da ist eigentlich immer recht schnell klar, was möglich ist. Zum Beispiel habe ich am Anfang einen speziellen Stoff geschickt, wo Palmers anfangs meinte: "Das kann nichts werden!" Trotzdem hat es das tolle Team geschafft und am Ende ist dann ein Bralette draus geworden. Ich glaube, die größte Herausforderung war es, die Buckles pflegeleicht zu gestalten.

Die Outfits, die rund um deine Dessous kreiert werden, sind meistens schon sehr sexy. Was rätst du Frauen, die sich das nicht anziehen trauen? Die sagen "Oh Gott, ich zeige zu viel Haut" oder "Ich habe nicht die passende Figur"?

HOERMANSEDER: Zum Beispiel, so wie ich es gerade trage. Man kann ja auch was drunter anziehen. Oder man holt sich den Body, da zeigt man auch nicht so viel Haut.

Marina Hoermanseder kombiniert ihr Bralette zum schwarzen Oberteil und Rock (c) Laura Holzinger

Und weil du sagst "Was machen die, die sich nicht trauen?" - bei Female Empowerment geht es genau darum! Es soll sich JEDE trauen, es soll sich JEDE schön finden, ganz egal, wie das irgendjemand anders findet. Wir sind in einer Zeit, in der alles erlaubt ist. Es sollte niemand darüber nachdenken und sagen "Oh nein, ich habe während Corona vier Kilo zugenommen ..." Ist doch egal! Man sollte einfach anziehen, was einem taugt. Es interessiert doch niemanden. Es geht um ein Lebensgefühl und nichts anderes.

Wie schaut's aus bei der Größen-Range?

HOERMANSEDER: Allgemein geht sie bis 85D. Aber das Geheimnis liegt - gerade beim Body - eigentlich in der Konstruktion. Das ist das Tolle an ihm. Dadurch, dass wir extrem stretchy Spitze verwenden, ist es egal. Er passt sich dem Körper an. Vielleicht ist es nicht erwähnenswert zu sagen - aber wir haben uns beim Shooting bewusst für ein Curvy Model entschieden. Wir wollten, dass die Frauen da draußen am Plakat vorbeigehen und sich denken: "Cool, ich kann das auch tragen!"

(c) Palmers x Marina Hoermanseder

Was ist dein Lieblingsteil aus der Kollektion?

HOERMANSEDER: Ich mag das Bralette - den Longliner - am liebsten. Man kann es zu allem tragen. Und die Glitzerunterwäsche!

Bequem oder sexy?

HOERMANSEDER: Beides! Die Materialien erlauben es.

Dieser Trend, Dessous in Alltagsoutfits zu integrieren, bleibt der?

HOERMANSEDER: Dieses Innerwear = Outerwear ist ein Trend, der sich fortsetzen wird. Es geht auch in die andere Richtung. Es gibt ja dieses Zitat von Karl Lagerfeld: "Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren."

Das haben wir dann alle!

HOERMANSEDER: Ja, stimmt. (lacht) So wie auch die Jogginghose salonfähig geworden ist, tragen wir halt jetzt Unterwäsche draußen auf der Straße. Und ich glaube, darum geht's heutzutage. Es gibt einfach keine Regeln mehr. Früher hieß es noch, man darf kein Blau zu Schwarz tragen und solche Sachen. Bei Gucci sieht man das gerade am meisten. Die kombinieren absichtlich Dinge, die eigentlich nicht zusammenpassen.

Wie geht es dir da beim Designen? Hast du manchmal das Gefühl, dir fällt nichts mehr ein, weil es eh schon alles gibt?

HOERMANSEDER: Das denk ich mir nach jeder Kollektion. (lacht) Jetzt ist's vorbei, ich hab keine Ideen mehr. Aber sich weiterzuentwickeln ist mein Beruf. Für mich wär's viel schwerer, jeden Tag Excel-Tabellen zu bearbeiten. Deshalb nehme ich die Herausforderung gerne an, mich immer wieder neu zu erfinden.

Beim Palmers-Event - da waren ja auch deine Mama, dein Papa, dein Mann und Baby Lotti. Was bedeutet das für dich, wenn die zu so einem Event mitkommen?

HOERMANSEDER: Wir haben vor einem Jahr ein Event gemacht, da war meine Mutter nicht da, Paul auch nicht. Und Lotti hat zwar schon existiert, aber sie war auch noch nicht da. Gestern alle so ausgelassen zu sehen, auch die Lotti - es war ihr erstes Event - bedeutet mir wahnsinnig viel. Und auch, dass Palmers diese Art von Female Empowerment für mich mitmacht.

Es ist vollkommen okay für alle, dass Lotti dabei ist und bei der Ansprache hinten auch mal weint. Ich glaube, das hätte es früher nicht so gegeben, aber jetzt ist es ein selbstverständlicher Teil dieser Partnerschaft. Das find ich schön. Ich merke, jetzt, wo ich Mutter bin, dass sich nichts geändert hat. Ich bin der gleiche Teil des Teams, der Gesellschaft - ich bin die gleiche Person. Und das sollten alle verstehen: Dass wir Frauen genau gleich weitermachen können.

Du bist auch bei Instagram sehr aktiv - teilst viel Berufliches, aber auch viel Privates. Wie gehst du damit um, wenn du Hassnachrichten bekommst?

HOERMANSEDER: Es gab diesen einen Moment, als ich nach einer Folge von Germany's Next Topmodel (Anm.: dort tritt sie regelmäßig als Gastjurorin auf) einen Shitstorm bekam. Das war schon hardcore. Es zeigt für mich, was mit unserer Gesellschaft durch Social Media passiert. Wenn man sich öffentlich präsentiert, muss man damit rechnen, dass man eine gewisse Angriffsfläche bietet.

Ich kann aber sagen, bis auf dieses eine Mal bin ich echt gut weggekommen. Und das Gute ist: Wenn ich kritisiert werde, bin ich jemand, der das offen anspricht. Sobald ich das tue merke ich, was für eine starke Community ich eigentlich habe. Die sich hinter mir aufbäumt, eine Riesen-Armee bildet und sagt "Nein, so nicht!" Nach diesem Shitstorm hat mein Vater zu mir gesagt "Marina, Ruhm und Ruhe sind meistens keine Freunde." Und das stimmt wohl.

Obwohl es schade ist. Dass man damit leben "muss", nur weil man in der Öffentlichkeit steht.

HOERMANSEDER: Ja, aber wen sollte man sonst kritisieren? Trotzdem bin ich dafür, dass die sozialen Medien reglementiert werden. Das Internet darf nicht mehr unter so einem Deckmantel der Anonymität stehen. Personen, die sich öffentlich zeigen sind glaube ich auch die, die damit umgehen können. Mir tut es eher leid, wenn ich mir denke: "Sind das sind die Kinder von morgen, die mit meiner Tochter in der Schule sitzen werden?"

Zum Abschluss noch eine etwas positivere Frage: Deine Kreationen tragen Rita Ora, Katy Perry und was weiß ich wer noch. Wann war der Moment, wo du dir dachtest "Ich hab's geschafft!"?

HOERMANSEDER: Ich warte immer noch auf diesen Moment. Ich arbeite immer noch hart darauf hin. Diesen Spruch werd ich wahrscheinlich mit ins Grab nehmen. Hoffentlich! Weil dann heißt es, dass es immer weitergegangen ist. (lacht)

Aber Erfolge feierst du schon?

HOERMANSEDER: Klar. Aber der Moment, wo man es geschafft hat, ist vielleicht auch der Moment, wo man glauben könnte, man darf sich ausruhen. Diesen Moment möchte ich gar nicht. Für mich ist der Weg das Ziel. Du redest jetzt von diesen riesengroßen Stars, aber ich denke zum Beispiel an die Sängerin Blümchen. Mit zwölf hatte ich überall Poster von ihr im Zimmer, sie war für mich eine absolute Ikone, und das ist jetzt jemand, die meine Sache trägt.

Hätte man das meinem zwölfjährigen Ich gesagt, ich hätte es nicht geglaubt. Oder Palmers. Das war die erste Unterwäsche, die meine Mutter mir gekauft hat. Damals hätte ich doch nie im Traum gedacht, dass etwas von mir genau da hängen würde. Und das sind genau diese Momente auf dem Weg, für die es sich lohnt, weiter zu machen und es nie geschafft zu haben.

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