Ressort
Du befindest dich hier:

Hilft mir eine Meditations-App, zu meiner Mitte zu finden?

Dass Meditation nicht nur etwas für Gurus ist, beweist die App 7Mind. Selbst Anfänger lernen, sich schnell und einfach zu entspannen. Redakteurin Anna hat getestet!

von

Hilft mir eine Meditations-App, zu meiner Mitte zu finden?
© 7Mind

"Jetzt komm' mal wieder runter! " Diese Worte hör' und denk' ich mir viel zu oft. Und es stimmt: Ich bin oft eine Getriebene. Eine Zerdenkerin. Arbeit, Familie, Freunde, Wochenendbeziehung, Freizeit. Ich jongliere und manchmal wird dann doch alles zu viel. Ich werde unruhig, unkonzentriert und hänge in meinen Gedanken fest. Gebetsmühlenartig führe ich mir meine Problemchen vor Augen, bis sie überlebensgroß und unüberwindbar scheinen. Meistens komme ich da dann auch nur mehr schwer raus. Was mir hilft: Sport. Wenn gar nichts mehr geht - rauf aufs Laufband. So lange, bis ich mich nur noch auf's regelmäßige Atmen konzentrieren kann. Vermutlich eh eine Art von Meditation.

Aber trotzdem: Das muss doch auch anders gehen. Ich kann nicht mitten unter der Arbeit aufspringen und ins Gym sprinten. Am Telefon einfach auflegen und erst mal zwei Stunden durchatmen. Vor allem ist das dann doch etwas zeitaufwändig und eben nicht immer praktikabel. Deswegen habe ich mir nach längerem Hadern eine Meditationsapp aufs Handy geladen. Meditation. Das kam mir bisher dann doch immer ein bisschen gar esoterisch vor. Klangschalen, Räucherstäbchen und weite Haremshosen - das sind meine ersten Assoziationen. Die App 7Mind kommt aber sehr clean und minimalistisch daher und soll mir helfen gegen das Gefühl anzukämpfen, mich immer wieder machtlos zu fühlen und nicht selbst die Richtung bestimmen zu können.

Wie funktioniert die Meditations-App?

7Mind bietet Meditationen für fast jede Situation. Zum Einstieg gibt es sieben Grundlagen-Meditationen; darüber hinaus aber auch Meditations-Kurse zu Themen wie Stress, Glück, Gesundheit, Kreativität oder Beziehung. Mit sogenannten Jetzt-Übungen für bestimmte Situationen kann beispielsweise das Einschlafen erleichtert oder eine Wartezeit überbrückt werden, Imaginations- oder Emotions-Übungen sollen Linderung bei Angst, Wut oder Verzweiflung verschaffen. Die Bedienung ist sehr intuitiv. Die Menü- und Bedienelemente sind da, wo man sie erwartet, die Features werden gut erklärt - für ein paar Grundlagen gibt es auch Videos. Zu Beginn wirst du überhaupt per Chat-Verlauf durch das System geführt. Mit dem Feature "7Minder" können sich Nutzer Erinnerungen für Achtsamkeitsübungen schicken lassen, um im Alltag immer wieder ihre Aufmerksamkeit zu trainieren. Nicht unpraktisch. Der Grundlagen-Kurs ist gratis, für andere ausgewählte Meditationen braucht man das kostenpflichtige Abo. Für 12 Euro im Monat oder 60 Euro im Jahr kannst du sämtliche Funktionen nützen.

Ich versuche es also. Über 600.000 Downloads können doch nicht lügen. Der Gründer selbst, Zen-Coach Paul Kohtes spricht die Meditationen ein. Die Mediationen werden außerdem wissenschaftlich begleitet. Von Esoterik scheinen sie also eher weit entfernt. Die Mediationen selbst dauern maximal sieben Mnuten - daher auch der Name. Geübt werden neben Meditation eben auch Achtsamkeit.

Meditation und Achtsamkeit

Achtsamkeit ist ein Überbegriff für Techniken, die die Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment richten, ohne ihn zu bewerten. Bei regelmäßiger Übung lernt das Gehirn so, sich leichter zu fokussieren und weniger ablenken zu lassen. Der Medizinprofessor Jon-Kabat-Zinn entdeckte 1979 die Wirkung dieser Übungen im Stressmanagement. Seine "Mindfulness-BasedStress Reduction" wird inzwischen in Kliniken und Gesundheitsinstitutionen auf der ganzen Welt gelehrt und gilt als Grundlage der modernen Achtsamkeitspraxis.

Meditation ist wiederum eine fast 5000 Jahre alte Praxis zur mentalen Fokussierung, die sich in den verschiedensten Traditionen wiederfindet und ursprünglich vor allem spirituellen Zielen diente. Im modernen Kontext ist Meditation der effektivste Weg, um Achtsamkeit zu üben und zu mehr Ruheund Gelassenheit zu finden. Einfache Konzentrationsübungen, wie die Fokussierung auf den Atem, lenken die Aufmerksamkeit nach innen. So sollen Entspannungsreaktionen ausgelöst, individuelle Bedürfnisse identifiziert und festgefahrene Muster gelöst werden. Die Kontrolle der Gedanken soll sich wie ein Muskel trainieren lassen können; sprich wird so Stress reduziert und das Glücksempfinden gestärkt. Das belegen selbst unzählige Studien. Meditation und Achtsamkeitstraining haben positive Wirkung auf Konzentration, Gelassenheit, Schlaf, Stressmanagement, Kreativität, Wohlbefinden und Gesundheit.

Auszeiten vom Alltag nehmen

Soweit so gut. Ich tigere mich in den gratis Grundlagenkurs. Bestehen tut dieser aus sieben Meditationen, die ich mir auf eine Woche aufteile. Meditieren, wann es passt. Quasi. Und ich merke schnell - es passt selten. Mein Tag hat bis zum Schlafengehen rund 1020 Minuten. Eigentlich genug, um sich für sieben Minuten eine Auszeit zu nehmen. Ich muss mich dazu aber anfangs regelrecht zwingen. Ich lege mich also nach der Arbeit ins Bett, dimme das Licht (Ja. Ich habe auch eine Duftkerze angezündet. Es fühlte sich irgendwie richtig an.), drücke auf Play und schließe die Augen. "Meditation biete dir die Möglichkeit einfach nur zu sein", klingt es aus dem Smartphone. Ich verdrehe innerlich die Augen und überlege kurz, das Ganze schon nach einer Minute wieder abzubrechen. Aber siehe da, der Herr im Handy scheint meine Gedanken zu kennen: "Das hört sich auf den ersten Blick vielleicht banal an", setzt er nämlich gleich daraufhin fort. Ich fange an, mich darauf einzulassen und mich zu entspannen. Die Stimme des Sprechers ist superberuhigend.

In den nächsten Tagen werden die App und ich Freunde. Ich achte auf meine Füße, wenn es mir die Stimme des Sprechers sanft befiehlt. Beine, Schultern, Nacken. Alle rückt nach und nach in mein Bewusstsein. Ich spüre, dass mir diese kleinen Auszeiten gut tun. Das mit dem gedimmten Licht und der Kerze lasse ich aber schnell wieder. Ich meditiere am Weg zur Arbeit, in der Badewanne, im Zug, gleich nach dem Aufstehen und kurz vorm Schlafen gehen. In den sieben Meditationen wird wie nebenbei auf verschiedene Fragen eingegangen, die sich beim Einstieg in die Meditation stellen. Man fühlt sich gut aufgehoben.

»Spüre, wie alles andere unwichtig wird«

"Spüre, wie alles andere unwichtig wird", sagt die Stimme einmal. Und es funktioniert. "Ein schöner Satz", denke ich. Ich, die Zerdenker-Königin spürt für sieben Minuten NICHTS. Ich bin leer. Natürlich, ich kann nicht alles Gedanken ausblenden, aber für einen kurzen Moment ist mir alles einfach mal wurscht. Die To-Do-Liste, der Wäscheberg, die unmanikürten Fingernägel, das Mail, dass ich seit Tagen rausschiebe, der unnötige Streit mit dem Freund - JETZT NICHT - das ist mein neues Mantra.

Fazit

Am Ende der Woche habe ich über 90 Minuten meditiert, wie mir die App sagt. 90 Minuten nur für mich. Ohne Ablenkung. Und tatsächlich mit dem gleichen Effekt wie meine sonstige Laufband-Lösung. Ich habe mir bereits das Abo gekauft und werde weiter machen. Auch die zweiminütigen Notfall-Meditationen sind spannend. Schlimmer Streit? Kurz runterkommen. Kein Schlaf in Sicht? Zwei Minuten auf oder ab auch schon egal. Mein Ziel ist es, die App irgendwann nicht mehr zu brauchen. Mich selbst aus für mich überfordernden Situationen raus zu nehmen. Die Kurz-Meditationen sind und waren für mich aber der perfekte Einstieg.

Thema: Psychologie