Als die Friedensflotte "mirno more" 1994 das erste Mal in See stach, waren 17 Kinder und 3 Schiffe dabei - mittlerweile ist diese Zahl auf 950 Kinder und über 100 Schiffe gestiegen. Die wunderbare Idee dahinter will mit der mittlerweile jährlich stattfindenden Segelwoche, Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen ein positives Erlebnis schenken. Gestartet wurde 1994, als man dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien etwas Positives entgegensetzen wollte und Kinder von den vorgefassten Meinungen gegeneinander befreien wollte - nach dem Motto „Werft alle Vorurteile über Bord und lebt zusammen auf einem Schiff“.
Heute setzt das Projekt des österreichischen Vereins, dessen Name mirno more der Gruß der Seefahrerenden Dalmatiens ist und übersetzt so viel wie "friedliches Meer" bedeutet, auf Toleranz, Integration und ein friedliches Miteinander für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche.

Nunu Kaller war dieses Jahr dabei und die Begeisterung ist ihr immer noch ins Gesicht geschrieben. Ihr Abenteuer mirno more teilt sie hier mit uns:
"Rückblende, es ist geschätzt 2004. Oder war's 2003? Keiner weiß es mehr so genau, allerdings kann ich mich an diesen einen Abend noch sehr gut erinnern – ich lernte auf einer Wohnungsparty G. kennen. G. war am selben Tag von einer Reise zurückgekommen und etwas daneben. Leuchten in den Augen, das nur teilweise mir galt. Er war nämlich Segeln. Und ich so: „Boah, Neid!“. In Kroatien. „Boah, Neidneid!!“ Das Ganze war ein Sozialprojekt, bei dem sozial benachteiligte und geistig oder körperlich beeinträchtigte Kinder mitfuhren. „Boah, spannend! Wie nennt sich das?“ Friedensflotte mirno more nennt sich das.

Er erzählte von der unglaublichen Stimmung, alle sehr positiv, die Kinder voll motiviert, es gibt keine Ausgrenzung, alle feiern gemeinsam, die einzelnen Gruppen am Schiff lernen den Umgang miteinander (wer schon mal länger segeln war, weiß: wenig Platz, viele Leute aufeinander, alle müssen mithelfen, damit alles hinhaut – das kann stimmungstechnisch auch ziemlich in die Hose gehen).
Begonnen hatte mirno more 1994, als man mit Kindern aus den diversen ex-jugoslawischen Staaten gemeinsam segeln ging und ihnen beibrachte, wie sinnlos Vorurteile gegen die anderen und wie wichtig Friede für alle Einzelnen ist.

Beim Segeln hat jeder und jede seine oder ihre Aufgabe, und nur wenn alle mitmachen, funktioniert das Dahingleiten auf den Wellen. G. war Teil des Organisationsteams, die hinter und vor den Kulissen für einen reibungslosen Ablauf der Woche sorgten. Er schwärmte so sehr, dass ich sofort meinte, da wolle ich auch mitfahren. Daraus wurde nix. Aber eine Freundschaft mit G. wurde es, für ein paar Jahre.
Schnitt. 2013: G. findet mich auf Facebook wieder und ich finde sofort heraus: Der ist da immer noch dabei. Tolle Fotos, lachende Kinder, herrliche Meeresbilder, diese Stimmung dort, ich will da einfach unbedingt mal mitfahren. Hach. Schön UND sinnvoll!

Schnitt. 2015. G. und ich sind inzwischen wieder sehr gut befreundet, und eines Tages im März ruft er mich an: „Es ist ein Platz frei geworden im Organisationsteam für mirno more, bist du noch interessiert?“ Aber so was von!! Ich sagte zu ohne mit der Wimper zu zucken, ganz egal, wie viel Arbeit da auf mich zukommen würde, ich wollte unbedingt bei diesem Projekt mitwirken.

Ende September war es soweit - meine erste Flottenwoche stand bevor. Ich ahnte schon im Vorhinein, dass diese Woche wohl etwas mit mir machen würde – und ich wurde nicht enttäuscht. Bereits in den Tagen zuvor zappelten alle, die ich bereits kannte, nur noch unruhig herum und konnten die Abfahrt kaum erwarten. Um sieben Uhr früh trafen sich viele der Wiener Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Hauptbahnhof, um im Konvoi gen Kroatien zu fahren. Die Kinder: Eine entzückende Mischung zwischen „noch nicht ganz wach“ und „aufgeregt, aber man darf's mir nicht anmerken“.

Einen Tag später ging's dann offiziell los: Alle Schiffe, die aus den unterschiedlichsten Häfen in der Umgebung starten, kamen in der Marina Frapa in Rogoznica an. Allein schon die Menge der Schiffe ist beeindruckend, es sind insgesamt 106, und auf jedem sind acht bis zehn Personen. Binnen kürzester Zeit wuselt es in der Marina vor lauter Kindern. Am Nachmittag wird gespielt, am Abend gibt es die feierliche Eröffnung inklusive Konzert und Disco. Beim Konzert wird bereits sonnenklar, worum es geht: Geistig beeinträchtigte Jugendliche spielen gemeinsam mit „gesunden“, und zwar so talentiert und leidenschaftlich, dass ich mit offenem Mund zuschaue. Alles um mich herum tanzt, umarmt sich, freut sich. Man merkt den Kindern an, dass diese Auszeit von ihrem Alltag, in dem sie sicherlich vielerorts Ausgrenzung in irgendeiner Form erleiden müssen, ihnen vom ersten Moment an gut tut.

Diese Freude zieht sich durch die ganze Woche
In den ersten Tagen denke ich noch bei einzelnen Kindern, denen keine Behinderung anzusehen ist, welchen Hintergrund sie wohl haben: Viele sind aus betreuten WGs oder ähnlichen Einrichtungen. Warum dürfen sie nicht bei ihren Eltern aufwachsen? Gab es Gewalt in der Familie? Waren die Familien überfordert aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten? Es gibt viele Möglichkeiten. Doch bereits am dritten Abend stelle ich fest: Es ist einfach egal! Es zählt bei mirno more nicht, wo du herkommst, sondern nur, dass du du bist und du Teil der Flottenwoche bist.

Über 950 Kinder, 100 Betreuerinnen und Betreuer und 60 Menschen im Organisationsteam – das macht über 1000 Schicksale. So viel Toleranz, so viel Akzeptanz und positives Miteinander ist mir lange nicht begegnet, und in so großem Ausmaß überhaupt noch nie.

Zu Tränen gerührt
Die Woche führt uns in verschiedenste Häfen und das Programm ist bunt: Es gibt Trommelworkshops, olympische Spiele für die Kinder, eine Segelrallye, ein riesengroßes Fest, bei dem die Teilnehmenden selbst das Programm erarbeiten (und mir bei der Tanzeinlage einiger beeinträchtigter Kinder die Tränen runter rinnen vor Rührung), und viele, viele Segeltörns samt Badestopps.

Einer der Teilnehmer ist Alex, er hat Trisomie. Alex erfindet umgehend einen weiteren Programmpunkt: Er macht in der Früh immer Yoga, und viele Leute machen mit. Manchmal verwechselt er Yogapositionen ein bisschen mit Breakdance, aber auch das ist egal: Alle haben Spaß.

Alex ist auch derjenige, der für mich die Woche an einem der letzten Abende perfekt zusammenfasst. Melli, die ebenfalls geistig leicht beeinträchtigt ist, ruft ihm „Hallo Hohlkopf!“ zu. Einer der Betreuer meint sofort: „Aber Alex ist doch kein Hohlkopf!“ Melli lacht: „Ach, der ist das gewohnt, das sag ich jeden Tag zu ihm!“ Alex steht neben mir und grinst mich an: „Stimmt auch! Aber es ist egal, oder?“ Er hat absolut recht. Es ist egal.

Ich habe übrigens gerade den berühmt-berüchtigten Flottenblues. Kaum zwei Wochen wieder zurück, zähle ich bereits die Tage bis zur nächsten mirno more-Flottenwoche. Mit einem Leuchten in den Augen."
Mehr erfährst du auf mirnomore.org und im folgenden Video:
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