"Über Geld spricht man nicht" – das gilt besonders in Österreich. Das eigene Gehalt halten die meisten von uns geheim. Dabei sind wir tagtäglich mit unseren Finanzen konfrontiert. Wo ist der 100er im Geldbörsl schon wieder geblieben? Wie schaffen es andere Leute, etwas auf die Seite zu legen? Und wie viel verdienen eigentlich die KollegInnen, die mit mir im Büro sitzen? Nicht zuletzt trägt diese Verschwiegenheit in Sachen Einkommen dazu bei, dass Frauen immer noch nicht gleich viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen. Wir sagen, über Geld sollten wir dringend sprechen! Deshalb fragen wir im Rahmen dieser Serie Frauen mit den unterschiedlichsten Berufen nach ihrer finanziellen Situation. Im aktuellen Teil unseres Money-Talks spricht Boutiquen-Besitzerin Barbara Lukas, 42, mit uns sehr offen darüber, wie hart sie die Corona-Lockdowns finanziell treffen.

WOMAN: Was genau arbeitest du?
Lukas: Ich betreibe als Einzelunternehmerin zwei Modeeinzelhandelsgeschäfte in Wien und Niederösterreich.
Wie kann man sich einen normalen Arbeitstag von dir vorstellen?
Lukas: Selbst und ständig. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen dreht sich alles um die Geschäfte. Wenn ich etwas in mein Handy tippe, dann ist es zu 99 Prozent etwas Berufliches. Ich bin alles in einer Person: Einkauf, Verkauf, Kundenmanagement, Marketing, Lagerlogistik, Backoffice, Auslagen-Dekorateurin, Putzfee... Und das oft zur gleichen Zeit, denn während ich das Geschäft aufräume, mache ich mir schon wieder Gedanken zum nächsten Instagram-Post. Während ich den Postversand einpacke, überlege ich, was ich als nächstes in die Auslage gebe und wenn die Kinder im Bett sind, sitze ich an meiner Büroarbeit.
Welche Ausbildung(en) hast du gemacht?
Lukas: Ich habe Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert. Meine Schwerpunkte waren H+M (Handel und Marketing) und KMU (kleine und mittlere Unternehmen). Bereits während dem Studium habe ich in der Immobilienbranche gearbeitet. In diesen 15 Jahren habe ich alle Prüfungen für den Immobilientreuhänder (Makler, Verwalter, Bauträger) abgelegt. Mit dem "kleiderzimmer" habe ich mir meinen Kindheitstraum vom eigenen Geschäft erfüllt und seit März 2016 betreibe ich nun den Shop in Wien. 2018 habe ich dann noch berufsbegleitend in London auf der UAL (University of the Arts London) Personal Fashion Styling studiert. 2019 kam dann der zweite Standort in Baden dazu.
Welchen Stellenwert nimmt dein Job in deinem Leben ein?
Lukas: Einen sehr hohen. Ich habe immer sehr gerne und viel gearbeitet. Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen ist mir sehr wichtig und eigentlich nur eine Frage der richtigen Logistik.
Hat dich Corona beruflich und finanziell getroffen? Wenn ja, inwiefern?
Lukas: Sehr sogar. Den ersten Lockdown konnten wir gut aufholen. Der zweite war ein Schock, wäre aber machbar gewesen, wäre nicht kurz darauf der dritte und seit Ostern anhaltend der vierte Lockdown in Wien und NÖ gekommen. Nach fast fünf geschlossenen Monaten von zwei Geschäften ist alles ein riesengroßer Ausnahmezustand. Zu allen Aufgaben als Mutter und Unternehmerin sind im vergangenen Jahr auch noch Homeschooling und Kindergartenersatzprogramm gekommen. Der Working-mum-Spagat ist fast unmöglich geworden. Zusätzlich mache ich in jeder Lockdown-Woche mehr Verlust als mein Mann monatlich verdient – obwohl ich auf die ersten Schließungen sofort reagiert habe. Seit April 2020 habe ich einen kleinen Onlineshop. Meine Stammkundinnen sind aber „analoge“ Käuferinnen. Sie kommen zu mir einkaufen, weil sie die Beratung lieben. Es dauert einfach, bis man einen digitalen Stammkundenstock hat, der ist nicht automatisch da, sobald man sich entscheidet online zu verkaufen.
Wie viel verdienst du?
Lukas: Da ich im vergangen Jahr einen Verlust gemacht habe, habe ich nichts verdient, beziehungsweise Schulden gemacht.
Wie wichtig ist dir Geld?
Lukas: Bedingt, solange ich genug verdiene, um alle Rechnungen bezahlen zu können. Nach Jahren in Managementpositionen hat es mir irgendwann mehr bedeutet, etwas zu tun, das mir Freude macht, als ein großartiges Gehalt zu verdienen. So, wie es derzeit ist, bin ich aber natürlich sehr unzufrieden, denn so gern ich meinen Job habe, arbeite auch ich um letztendlich etwas Geld zu verdienen. Vor Corona konnte ich gut von meiner Selbständigkeit leben. Auch wenn ich in meinen Angestelltenverhältnissen vor meiner Selbständigkeit mehr verdient habe und zusätzlich fünf Wochen bezahlten Urlaub und die Möglichkeit von Krankenstand hatte. Diese Privilegien haben Selbständige einfach nicht. Als Einzelunternehmer hafte ich zudem persönlich und unbeschränkt.
Wie hoch sind deine privaten Fixkosten?
Lukas: Circa 2.200,- für Wohnen, Kinder, Essen, Auto,...
Hast du eine private Pensionsvorsorge? Wenn ja, warum und wie viel gibst du monatlich dafür aus?
Lukas: Ich hatte eine private Pensionsvorsorge, habe aber vor ein paar Jahren einen Immobilie gekauft, die ich als bessere Anlage für meine Pension sehe. Hier zahle ich monatlich einen Kredit zurück und hoffe in meiner Pension von den Mieteinnahmen leben zu können.
Wofür gibst du gerne und das meiste Geld aus?
Lukas: Meine Kinder, gutes Essen und Urlaube. Ich liebe es schöne Erlebnisse zu sammeln.
Sparst du Geld? Wenn ja, wie legst du es an?
Lukas: Das ist, seitdem ich selbständig bin, nicht mehr möglich. Davor habe ich immer einen Teil meines Gehaltes sparen können. Meine Ersparnisse habe ich in meine Geschäfte gesteckt, davor hatte ich ein Portfolio aus Immobilienfonds.
Was würdest du gerne haben, kannst es dir aber nicht leisten?
Lukas: Ich würde mir sehr wünschen, dass es zu keinen weiteren Schließungen mehr kommt, damit ich wieder normal Geld verdienen kann und mir meine Arbeit leisten kann.
Was war deine größte Fehlinvestition?
Lukas: Ich hoffe nicht meine Geschäfte, aber derzeit sieht es danach aus...
Wie gut kannst du mit Geld umgehen? Und wie behältst du deine Finanzen im Blick?
Lukas: Sehr gut. Ich bin sparsam und rechne alles durch.
Weißt du, wie viel deine KollegInnen aus der Branche verdienen?
Lukas: Ich denke, dass es für meine Branchenkollegen im Moment auch nicht so leicht ist Geld zu verdienen, aber die wenigsten reden offen darüber. Branchenintern weiß ich aber, dass vielen das Wasser bis zum Hals steht. Die Lager sind voll mit Frühjahrs- und Sommerware, ab Juni bekommen wir Herbstware geliefert und es ist die dritte Hochsaison in Folge, die wegen den Schließungen nicht stattfinden kann. Das ist echt bitter und nur mit großen Rücklagen schaffbar, die viele nicht mehr haben.
Sprichst du mit deinem Freundeskreis offen über deine Finanzen?
Lukas: Mir liegt es fern über Gehälter zu reden, aber ich rede ganz offen darüber, dass es seit dem zweiten Lockdown für mich finanziell sehr schwierig ist. Ich geniere mich nicht darüber zu reden, denn ich habe keine Schuld an den Schließungen und mein Konzept funktioniert halt nur, wenn Kunden einkaufen kommen dürfen. Unser Stadtbild lebt von den vielen kleinen Geschäften und Lokalen und jeder, der in einer schönen Gegend mit gepflegten Auslagen und hippen Lokalen leben möchte, der sollte diese mehr denn je unterstützen und lokal einkaufen.