Es ist dir wahrscheinlich gar nicht bewusst aufgefallen, aber im vergangenen Jahr hat sich unser aller Wortschatz vergrößert. Und das sogar massiv: Das "Leibniz-Institut für deutsche Sprache" hat über 1.200 neue Wörter identifiziert, die uns dabei helfen, das Leben während der Pandemie besser zu beschreiben.
Die Organisation dokumentiert die deutsche Sprache und sammelt dafür Wörter, die neue Ereignisse und Entwicklungen sprachlich abbilden. In früheren Jahren hielt man so durchschnittlich 200 neue Wörter fest. Aber 2020 war anders.
Dr. Christine Möhrs, Mitarbeiterin am Institut, erklärt dies folgendermaßen: "Wenn neue Dinge auf der Welt passieren, wollen wir dies benennen. Dinge, die keinen Namen haben, können dazu führen, dass Menschen Angst und Unsicherheit empfinden. Wenn wir jedoch über Dinge sprechen und sie benennen können, ist Kommunikation möglich. Das ist gerade in Krisenzeiten wichtig.“
Die Liste der Corona-Wörter enthält nicht nur Gefühle, bei denen sich viele zurzeit wiedererkennen wie etwa "overzoomed" (gestresst durch zu viele Videoanrufe) oder "Impfneid" (Neid auf diejenigen, die bereits geimpft wurden), sondern auch Wörter, die unsere neue Realität abbilden. Wie "Kuschelkontakt" für eine Person, die wir noch umarmen dürfen, "Abstandsbier", wenn man sich mit FreundInnen in sicherer Entfernung ein Getränk gönnt oder "Balkonsänger" für jemanden, der Menschen vom Balkon aus musizierend unterhält.
Im Laufe der Monate fand das Institut vor allem Worte für die Frustration über Regelverstöße: Bekannt wurden dabei "Covidiot" oder "Maskentrottel" beziehungsweise "Nasenpimmel" für jemanden, der seine Schutzmaske unter der Nase trägt.
Laut Möhrs zeigt das Projekt, wie essenziell die von uns gewählten Wörter sind: "Sprache ist mächtig. Wir sehen immer wieder, wie wichtig es ist, genau zu formulieren. Worte vermitteln nicht nur Inhalte, sondern auch Emotionen und Gefühle. Dessen sollte man sich bewusst sein.“ Daher ist auch "Coronafußgruß" ihr persönlicher Favorit, weil es sich reimt und trotz der erzwungenen physischen Distanz das menschliche Bedürfnis nach Verbindung zeigt.
Unsere Favoriten aus den 1.200 neuen Corona-Wörtern findest du hier:
- Abstandsregel: Verordnung bzw. Empfehlung in der Öffentlichkeit eine bestimmte Distanz zwischen zwei Personen einzuhalten
- Babyelefant: Maßeinheit für die empfohlene Distanz zwischen zwei Personen
- coronabedingt: hervorgerufen durch die Umstände während der COVID-19-Pandemie
- Coronaspeck: durch Bewegungsmangel, Langeweile oder Stress im Lockdown angegessene Kilos
- Coronashaming: öffentliches Anprangern von Personen, die sich nicht an die Abstands- und Hygienevorschriften halten
- Distanzunterricht: Lehrstoffvermittlung unter Einsatz von modernen Medien, aber ohne direkten Kontakt
- Draußenschule: Unterricht, der unter freiem Himmel stattfindet
- eingeschränkter Regelbetrieb: angepasstes Betreuungsmodell in Kindertagesstätten, bei dem noch nicht die vollen Betreuungszeiten angeboten werden, dafür aber alle Kinder wieder die Einrichtung besuchen können
- Einkaufswagenpflicht: Regelung, wonach KundInnen Supermärkte nur mit einem Einkaufswagen betreten dürfen
- Geistermeister: siegreiche Person oder Mannschaft in einem sportlichen Wettbewerb, der ohne Publikum stattfindet
- Gelockdownt: von der Einstellung aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten betroffen
- Hamsteritis: Neigung unnötig große Vorräte anzulegen
- Homeclubbing: gemeinsames Tanzen über das Internet
- Impftourismus: Reisen von einem Land in ein anderes, um selbstbestimmt (und nicht nach der geltenden Priorisierungsreihenfolge) eine Impfung zu erhalten
- Kinnschoner: unterhalb des Mundes, und damit nicht korrekt getragener Mund-Nasen-Schutz
- Krisenfrise: durch die Schließung der Friseurgeschäfte herausgewachsener Haarschnitt
- Maskne: Hautirritation aufgrund des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes
- overzoomed: durch zu viele Videokonferenzen gestresst
- Plandemie: (nach verschwörungstheoretischer Überzeugung) durch PolitikerInnen bewusst herbeigeführte Pandemie
- Quarantini: Cocktail aus Gin, Wodka, Limettensaft, Ingwerbier und Passionsfrucht
- Schniefscham: unangenehmes Gefühl, das man beim Niesen oder Schniefen in der Öffentlichkeit empfindet
- Schnitzel-50er: aus öffentlichen Mitteln finanzierter Gutschein, mit dem in Restaurants (in Wien) bezahlt werden konnte
- Spuckschutztrennscheibe: durchsichtiges Materialstück, das zum Schutz vor einer Tröpfcheninfektion an Verkaufstheken angebracht wird
- Staycation: Urlaub, der nicht in der Ferne, sondern im eigenen Zuhause verbracht wird
- Trikini: Badebekleidung aus Hose, Oberteil und (farblich passendem) Mundnasenschutz
- Wirrologe: (abwertend für) Person, deren Aussagen als übertrieben oder widersprüchlich empfunden werden oder denen eine wissenschaftliche Expertise abgesprochen wird
- Zeugen Coronas: (abwertend für) Personen, die an die Existenz des Virus SARS-CoV-2 glauben und sich an Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie halten
- Zombifizierung: künstliches Erhalten der Geschäftsfähigkeit bei stark verschuldeten Unternehmen mithilfe (staatlicher) Kredite, deren Zinsen nicht durch eigene Erträge sondern weitere Kreditaufnahme getilgt werden