In der Warteschlange zum COVID-Test kam mir ein Gedanke: Hätte man mich genau hier vor einem Jahr platziert, mit der rechten Hand ein Stäbchen in Flüssigkeit umrührend, einen Mundnasenschutz tragend, um mich herum Menschen in Schutzkleidung – was hätte ich wohl gedacht, was passiert sei? Das Leben vor 12 Monaten war ein völlig anderes. Und so mussten wir alle einige unsere Vorsätze für das Jahr 2020 über Bord werfen, Ressourcen umdisponieren und den Fokus auf andere Dinge legen, vielleicht sogar neue Ziele finden oder einfach mal alles loslassen.
Neujahrsvorsätze 2020 – eine Liste voller Unsinnigkeiten?
Vor einigen Tagen fiel mir eine Weihnachtskarte in die Hände: "Die Geschenke liegen nicht unterm Baum, sondern sitzen bei Tisch" – ein Zitat, das die letzten Monate ganz gut umschreibt. Zeit mit seinen Lieben war wohl noch nie wertvoller als jetzt. Am Ende des Jahres eine Liste mit Vorsätzen zu schreiben, die entweder materieller Natur sind oder nur mit eiserner Disziplin erreicht werden können, erschien einfach nur falsch.
Und so komme ich mir sogar etwas lächerlich vor, wenn ich an den 1. Jänner 2020 denke, als ich meinen Freunden voller Elan mitteilte, in diesem Jahr besonders darauf achten zu wollen, mehr Sicherheiten zu schaffen. Egal ob finanziell, in Beziehungen oder letzten Endes mit mir selbst. Das bisherige "In den Tag hineinleben" sollte mit Anfang 30 ein Ende nehmen. Eigentlich.
Also versprach ich mir selbst, Geld auf die Seite zu legen, sorgsamer mit meinen Ressourcen umzugehen, Beziehungen zu festigen und möglichen neuen weder einen Vertrauensvorschuss zu geben, noch mich auf etwas einzulassen, mit dem ich mich nicht zu 100 Prozent wohlfühle.
Und dann kam alles anders...
Das Vorhaben mag für einige von euch ohnehin ungewöhnlich erscheinen. Während die einen sich vornehmen, mehr Sport zu betreiben oder das Rauchen sein zu lassen, saß ich nun da und versuchte, mein Leben nicht zu sabotieren und mir selbst ständig in die Quere zu kommen.
Das lief die ersten beiden Monate ganz okay. Dating-Entscheidungen wurden weise getroffen, der eine oder andere Euro mal ausnahmsweise beiseite gelegt. So. Und dann saß ich genau vor diesem Bildschirm und schrieb den ersten Corona-Artikel. "Das wird uns die nächsten Wochen beschäftigen", hieß es. Falls ihr jetzt auch gerade lachen müsst – gern geschehen.
Das war's dann mit der Sicherheit
Das sichere soziale Netz, das uns alle auffängt, war plötzlich nur noch via Videotelefon erreichbar, die finanziellen Ressourcen wurden kleiner, die Angst, sich selbst zu infizieren größer und wie die Zukunft aussieht, wussten Mitte März also niemand. Und um den Ganzen noch eins draufzusetzen war ich drauf und dran jemanden in mein Leben zu lassen, der dem Wort "Unsicherheit" eine völlig neue Bedeutung gab.

Die Kehrtwende
Inmitten dieser völligen Verunsicherung wurde mir plötzlich klar: Es war Zeit, den Ängsten Raum zu geben und zu wissen, dass es völlig okay ist, zur Abwechslung mal keinen Plan zu haben und in "den Tag hineinzuleben". Das einzig sichere war die Unsicherheit. Es galt diese Welle mitzusurfen. Sicherheit ist nämlich weder etwas, was man erschaffen, noch kaufen kann. Sie ist quasi niemals vorhanden. Die Kunst liegt darin, mit ihr umzugehen. Denn Sicherheit ist etwas, was wir uns letzten Endes nur selbst geben können. Zum Beispiel, wenn wir den Fokus auf das legen, was wir wirklich wollen und uns vertrauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Diese Erkenntnis brachte mir mehr inneren Frieden als ich durch meine Neujahrsvorsätze jemals erreichen hätte können. Und übrigens: Alles andere hat sich ganz nebenbei von selbst erledigt. Vielleicht sollten wir uns besonders heuer fest vornehmen, weniger Druck auf uns selbst auszuüben und uns ein bisschen mehr zu vertrauen.