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„Onanie ist das beste Antidepressivum“: Stermann & Grissemann im Interview

Die Kabarettisten gehen seit 23 Jahren Hand in Hand durchs Leben. Doch wen und wie lieben sie privat? Mit WOMAN sprachen die beiden über Alterssensibiltät, ihre Väter, (gem)einsame Nächte, Flüchtlingsauffanglager und Wanderhoden...


„Onanie ist das beste Antidepressivum“: Stermann & Grissemann im Interview
© Ernst Kainerstorfer

WOMAN: In Ihrer Show „Willkommen Österreich“ überraschen Sie die Promis mit unkonventionellen Fragen. Die müssen ziemlich schlagfertig sind, wenn sie neben Humorberserkern wie Ihnen nicht abstinken wollen.

Stermann: Sie müssen gar nicht schlagfertig sein. Anders als beim „Kaiser“, wo das Konzept verlangt, dass die Leute vorgeführt werden, ist uns als Gastgeber wichtig, dass sich die Promis wohlfühlen. Die meisten Talkgäste bedanken sich bei uns für das gute Gesprächsklima.

Grissemann: Es gab nur drei Fälle, wo man von Beginn an merkte, dass die Leute nicht gern da waren: Armin Assinger, Desiree Nick und Harald Glööckler (der deutsche Modedesigner inspirierte Sascha Baron Cohen für „Brüno“) . Die kamen schon schlecht gelaunt ins Studio. Am schlimmsten war der Assinger – Öffentlichkeitsgeilheit ist ein Hund! Er wollte keine frechen Fragen gestellt bekommen- was wir eh nicht taten, aber er hatte von vorhinein eine Verteidigungshaltung...

WOMAN: Vermutlich hatte er Angst vor Ihnen!

Stermann: Viele Leute glauben wir sind arg. Aber das stimmt nicht. Wir haben ein ausgeprägtes Harmonieverständnis. Und wenn Weltstars wie Udo Jürgens oder Herbert Grönemeyer es super finden, dann sicher zurecht. In unserer Sendung haben Promis wenigstens die Möglichkeit so zu sein wie sie wirklich sind.

Grissemann: Weil wir normal mit ihnen reden. Klar wird hin und wieder gespuckt, geschimpft, gestritten, aber wir führen die Leute nie vor. Wir behandeln alle gut! Außer wenn einer mich beleidigt, dann beleidige ich zurück. In der Show genauso wie im echten Leben...

WOMAN: Gab’s irgendeinen Gast, bei dem Sie weiche Knie und Herzklopfen hatten? Oder in den Sie sich gar verliebten?

Grissemann: Bei der Dagmar Koller – sie war schon zweimal bei uns – passiert mir das jedes Mal! Ich mag sie wahnsinnig! Auch bei Schriftsteller Roger Willemson stieg mein Adrenalinspiegel nach oben. Da brauche ich keinen G’spritzten, um in Stimmung zu kommen.

WOMAN: Kredenzen Sie den Gästen gerne ein Glaserl Wein, damit sie ihre Hemmungen ablegen?

Grissemann: Wenn sie das wollen, ja. Die Koller braucht ihre drei kleinen Wodka, damit sie gut gelaunt ist. Und wenn die Gäste oder ich dann zu lallen beginnen, ist das ja auch nichts Schlimmes. Ich würde Grönemeyer nie zum Tod seiner Frau befragen, weil sich das nicht gehört. Das ist zu intim. Aber mich interessiert zum Beispiel ob er Blumen mag.

Stermann: Das ist wirklich ein super Typ! Sein Management hatte nach der Sendung einen Tisch für ihn in einem Nobelrestaurant reserviert, aber er ging lieber mit uns saufen. Stark beeindruckt hat mich auch Skifahrer Hansi Knauss. Der hat sich null verstellt und hat einen echt guten Schmäh!

WOMAN: Wie lassen Sie die Leute Ihre Zuneigung und Bewunderung auch während der Show spüren?

Stermann: Der Grissemann kündigt jeden Gast sehr übertrieben an. Man hat immer das Gefühl, das ist der beste, tollste Mensch der Welt, der jetzt kommt. Auch bei der größten Tröte! Grundsätzlich müssen wir gut finden, was die Leute machen...

Grissemann: Deshalb wird H.C. Strache nie eine Einladung bekommen. Bei Scheusalen funktioniert Ironie einfach nicht. Es muss eine Restsympathie da sein! Aber in Udo Jürgens hab ich mich sofort verliebt. Er ist meine erste homosexuelle Liebe. Nach Roger Willemson. Den darf ich nicht betrügen!

WOMAN: Dirk, Sie sind mit Christine Schatz verheiratet und haben eine 18-jährige gemeinsame Tochter, Hannah. Wie zeigen Sie Ihnen, dass Sie sie gern haben?

Stermann: Mein Vater sagte immer: „Das muss man nicht zeigen oder sagen. Das steht so im Raum und die Betroffenen spüren deine Liebe“. Das reicht schon. Es schadet aber nicht, wenn man der geliebten Person regelmäßig SMS schickt.

Grissemann: Ich glaube, dass einmal in der Woche Blumen schenken, den Verdacht erzeugt, dass man den Beschenkten gar nicht mehr so liebt. Man kann mit materiellen Dingen nicht die emotionale Ebene kompensieren.

WOMAN: Wie schenken Sie denn Liebe?

Grissemann: Mit Blumensträußen (lacht) ! Ich weiß nicht mal, ob ich gut Liebe schenken kann, aber ich versuch’s durch Anwesenheit, Zeit und Aufmerksamkeit. Da unterscheide ich mich nicht von einem Kanalarbeiter. Meine Psyche funktioniert genauso wie die von anderen Menschen...

WOMAN: Wird man nicht älter und kälter?

Grissemann: Ganz sicher nicht. Ich bin erstens noch nicht älter geworden (lacht) . Und bei mir ist es wie beim Udo Jürgens: Je mehr Jahre verstreichen, umso näher am Wasser sind wir gebaut. Wir müssen ständig weinen! Ich würde weinen, wenn meine Eltern sterben würden, aber sonst habe ich zurzeit keinen Anlass. Aber die Alterssensibilität spüre ich dennoch. Denn ich weiß, dass Leben geht langsam zu Ende. Und ich habe nicht mehr so viel Zeit. Mein Bruder Stefan – er ist Kulturjournalist – ist mal schweißgebadet in der Nacht aus dem Schlaf aufgeschreckt, weil ihm bewusst wurde, dass er in seinem verbleibenden Leben nur mehr 10.000 Bücher lesen kann und nicht mehr. Das hat ihm einen furchtbaren Schock versetzt.

WOMAN: Kennen Sie Andreas Salchers Bestseller „Meine letzte Stunde“? Dem ist ein Maßband beigelegt, mit dem errechnen kann, wie viel Zeit einem in diesem Leben noch bleibt. Welche Sehnsüchte schlummern noch in Ihnen, die ausgelebt werden wollen?

Stermann: Ich bin froh, dass ich den prophezeiten Weltuntergang vor kurzem überlebt habe und bin so gesehen absolut zufrieden.

Grissemann: Ich auch. Mir ist es völlig egal, ob ich noch dazukomme, mir ein Haus in Kalifornieren zu leisten oder noch einen Film zu drehen. Mir wär es recht, wenn ich die Zeit zwischen 50 und 80 zufrieden verbringen kann. Wenn ich weiter rauchen, trinken, fernsehen und gute Bücher lesen kann.

WOMAN: Sind Ehe und Vatersein auch ein Ziel? Sie haben mir ja kürzlich verraten, dass Sie seit acht Jahren eine Freundin haben und Heirat und Kinder nicht ausschließen.

Grissemann: Das lasse ich auf mich zukommen. Es gibt weder eine Ablehnung, noch einen präzisierten Wunsch. Es kann ja sein, dass ich noch altersschwul werde. Halte ich nicht für unmöglich. Ich küsse ja Männer jetzt schon. Sogar auf Sendung!

WOMAN: Mit Zunge?

Grissemann: Ja, mit dem Gery Keszler....

WOMAN: Und schmusen Sie mit Männern auch, wenn’s nicht Showelement ist?

Grissemann: Ja, ab und zu, wenn ich betrunken bin. Das ist ein schönes Gefühl, aber anders als mit meiner Freundin. Mit ihr ist es zärtlicher. Andererseits: Ich bin auch zärtlich mit Tieren. Hunde schlecken mich sehr gern ab. Das ist ja quasi auch ein Zungenkuss. Wenn mir irgendwann mal keine Frauen mehr zum Schmusen zur Verfügung stünden, würde ich zu Männern wechseln. Und wenn auch die mich ablehnen, fange ich mir was mit Hunden an. Für den äußersten Notfall bliebe auch die Stubenfliege übrig.

WOMAN: Baggern Sie eigentlich viele Frauen an, wenn Sie abends allein unterwegs sind?

Grissemann: Ja, Starfucker gibt’s überall. Hätte ich den Weg des Maurers eingeschlagen, hätte ich sicher meine Ruhe. Mir ist also klar, warum sich die für mich interessieren. Die Männer stehen ihnen um nichts nach. Nur die Hunde sind unbeeindruckt von meiner TV-Karriere! Ich hasse nichts mehr, als angestarrt zu werden. Und ich mag auch nicht, dass mir wildfremde Leute beim Würstelstand durchs Haar fahren. Ich würde ja auch nicht zu Woody Allein gehen, ihm die Brille abnehmen und ihm die Wange küssen. Wenn mich jemand liebevoll anspricht, ist das was anderes...Aber viele haben nicht diesen Respekt! Denen fehlt jede Distanz.

WOMAN: Gutes Stichwort: Ihr Vater Ernst lebt in Maria Enzersdorf, ihre Mutter Roswitha in Wien. Sind getrennte Betten das Geheimnis einer gut funktionierenden Partnerschaft?

Grissemann: Zwei große Wohnungen in einer Stadt sind sicher nicht so schlecht, wenn man sich’s leisten kann. Ich wohne auch nicht mit meiner Freundin zusammen, sondern bin in meiner spartanisch eingerichteten Wohnung allein sehr glücklich.

Stermann: Der Grissemann könnte gar nicht mit seiner Freundin wohnen. Das wäre dann nicht so leicht, wenn Udo Jürgens kommt. Oder die Hunde (lacht) . Meine Frau und ich haben zwar eine gemeinsame Wohnung, aber zusammen wohnen tun wir in Wahrheit auch nur partiell, denn 100 Tage im Jahr sind wir auf Tournee. Aber dann ist es umso schöner, nachhause zu kommen.

WOMAN: Christoph, warum leben Sie mit Ihrer Freundin dann nicht unter einem Dach? Haben Sie etwas zu verbergen? Oder pennen Sie bis Mittags, was sie vielleicht aufregen könnte?

Grissemann: Gar nicht. Ich bin ein extremer Frühaufsteher. Meist bin ich schon um 5:30 Uhr munter. Ich brauche nur vier Stunden Schlaf. Manchmal nicke ich tagsüber für zehn Minuten ein, vor allem wenn ich nackt am Sofa liege...

WOMAN: Und was tun Sie im Haushalt?

Stermann: Ich koche gerne. Und oft!

Grissemann: Ich gehe lieber essen – in erlesenen Restaurant, aber auch bei McDonald’s oder bei der Mama. Ich mag Kochen einfach nicht. Zum Glück kann ich mir das leisten. Wäre ich Maurer, müsste ich es lernen.

Stermann: (lacht) Der Maurer ist in deiner Vorstellung offenbar das ärmste Schwein der Welt!

Grissemann: (lacht schallend) Sorry, jetzt krieg ich einen Schweißausbruch!

WOMAN: Das sollten Sie! Legen Sie nach dem Essen bei der Mama denn wenigstens Ihren Teller in den Geschirrspüler?

Grissemann: Nein, sie bittet mich ja nicht darum und erledigt das dankenswerterweise allein. Sehr sympathische Frau! Ebenso wie meine Haushälterin, die meine Wohnung putzt. Aber das ist keine große Sache, denn die ist sehr spartanisch eingerichtet. Ich habe alle, was ein Maurer so braucht: Ein Fernseher, ein Tisch, ein Sofa, ein Bett und eine Badewanne.

Stermann: Mit Kelle!

WOMAN: Dann wäre doch noch Platz für eine Frau!

Grissemann: Kommt auf die Körpergröße der Frau an.

WOMAN: Auch auf die Körbchengröße?

Grissemann: (lacht) Das auch! Also ja! Die Wohnung wäre groß genug für ein zweites Lebewesen...

WOMAN: Sind Sie gute Liebhaber?

Stermann: Ich bin katastrophal. Das muss mir eine gar nicht erst sagen. Das weiß und spüre ich selbst...

Grissemann: Ich auch. Dafür bin ich ein Meister in der Selbstbefriedigung!

Stermann: Ich bin sogar darin eine Niete. Weil ich durch Onanie nicht und nicht komme. Mehr als irgendwelche Sexphantasien erregt mich, wenn ich mich im Spiegel sehe...

WOMAN: Auch eine Möglichkeit! Viele gebundene Männer werden zu einfältigen Verbalerotikern, um ihren Sextrieb zu kompensieren. Doch was, wenn sich eines Tages Kopfkino und die heimische Pornosammlung erschöpfen? Was belebt dann noch Ihre Sinne?

Grissemann: Dann bleiben nur noch Mehlspeisen. Ich stehe auf Linzeraugen, Topfengolatschen, Sacher-und Schwarzwälderkirschtorten. Durch den vielen Zucker bin ich auch ganz süß! Und lechze deshalb nach einer Frau, die salzig und fleischig schmeckt!

Stermann: Also ordentlich transpiriert...

WOMAN: Wären Sie eine aphrodisierende Speise: welche wäre das?

Grissemann: Ein klare Suppe mit Schnittlauch oben drauf! Wenn ich also eine Partnerschaftsanzeige aufgeben müsste, würde ich angeben, dass ich als „Suppe bereit wäre für eine Einlage“...Und Dirk wäre Risotto! Etwas, das im Magen bleibt, aber leicht verdaulich ist.

WOMAN: Reden wir über Ihre Kindheit. Christoph, Sie sind in Innsbruck geboren, aber ein Jahr nach ihrer Geburt mit der Familie nach Wien gegangen, weil ihr Vater Ö1 mit aufgebaut hat. Stimmt es, dass er Ihnen später Sprechunterricht gab und Sie aufs Klo zum Üben verbannte, weil ihm die Nerven rissen? Dort soll Ihnen dann wiederum der Knopf aufgegangen sein...

Grissemann: (zerkugelt sich) Sehr nette Anekdote, aber da ging mit meinem Vater wohl wieder die Phantasie durch. Er erzählt die geistreichsten Geschichten, aber der Wahrheitsgehalt beträgt immer nur zwei Prozent. Also: ich habe nie bei meinem Vater Sprechunterricht genommen. Ich habe höchstens seine legendäre Stimme geerbt und durch seine Tätigkeit als Hörfunkintendant die Chance bekommen, bei FM4 zu beginnen. Und nicht gleich rausgeschmissen zu werden! So habe ich mir zwar den Hass der anderen Mitarbeiter zugezogen, aber für mich war’s eine luxeriöse Situation.

WOMAN: Ihren Bruder lobt Ihr Vater immer in den Himmel. Er schwärmt, dass sich Stefan schon als kleiner Bub für Film und Fernsehen begeisterte. Während Sie als Studienabbrecher nie eine Perspektive, den Ehrgeiz oder Karriereambitionen hatten. Waren Sie das schwarze Schaf der Familie?

Grissemann: Ja, bin ich immer noch. Ich glaube, heute ist Vater stolz auf uns beide, aber Stefans Lebensweg war immer klarer als meiner. Liebesentzug gab’s aber nicht. Im Gegenteil: Meine Eltern schenkten mir deshalb noch mehr Aufmerksamkeit.

Stermann: Ich wurde schon nach dem Leistungsprinzip erzogen. Mein Vater, er war Stadtwerkedirektor in Ratingen, und Protestant! Protestanten können sich nie wie Katholiken barock zurücklehnen und nur trinken. In jedem Fall steckte er mir für jeden guten Witz 50 Pfennig in die Tasche. Ich habe also früh gelernt, dass man mit Humor Geld verdienen kann. Als er fast pleite war, meinte er: „Wirst schon sehen, eines Tages gehen dir die Ideen aus!“ Leider wird er das nicht überleben. Er ist vor fünf Jahren gestorben.

Grissemann: Meiner predigt mir immer, dass man im Alter finanziell abgesichert sein muss. Offenbar resultiert das daraus, dass er weiß, dass wir Kinder nach seinem Ableben nicht in der Gosse landen. Ich habe bis heute kein Sparbuch. Und er ist erzürnt darüber, dass ich monatlich 2.000 Euro für Taxifahrten ausgebe.

WOMAN: Haben Sie Ihre Mütter dafür verhätschelt?

Stermann: So wie Grissemanns Mama stanmt auch meine Mutter Jutta aus Ostdeutschland. Die haben sich sicher in der DDR schon kennengelernt, ohne dass sie es wussten. Die hat immer gesagt, dass ich total super bin – solange ich das Hemd in der Hose habe! Mein Vater hat ja – so wie deiner (dreht sich zu Grissemann) – mehr durch Abwesenheit geglänzt...

Grissemann: Nur wie man aus der Psychologie weiß, entsteht durch Abwesenheit auch die größte Liebe und Sehnsucht. Wenn man sich länger nicht sieht, wird ein phantasmagorischer Raum aufgemacht...

WOMAN: Alle Achtung, Sigmund Freud wäre begeistert! Wäre Psychologie ein zweites berufliches Standbein?

Grissemann: Bitte nicht! Da hätte ich viel zu sehr Angst vor den Abgründen der menschlichen Seele. Es ist schon schmerzhaft, weil ich mich bei sehr gefühlvollen Themen nicht immer so gut abgrenzen kann. Aber immer helfen will! Ich würde nie eine Psychoanalyse machen. Die Wahrheit ist nicht immer schön. Und ich bin ein großer Verdränger.

Stermann: Ich kann mich schon aufgrund der Masse an Leuten, die ich kennen lerne, nicht auf jeden einzelnen einlassen.

WOMAN: Und wie Sie sind als Zuhörer?

Grissemann: Wer mit mir befreundet ist, weiß, dass ich sehr, sehr zu meinen Freunden und Lieben stehe. Ich bin ein treuer Mensch. Meine besten Freunde kenne ich noch aus der Schulzeit.

WOMAN: Und ihn hier seit 1988 aus der „Zick-Zack-Redaktion“, bevor Sie als kongeniale Salon Helga-Combo durchgestartet sind. Hat Stermann Ihrem Leben Sinn gegeben, Sie gerettet?

Grissemann: Ja, das kann man so sagen. Wäre er nicht gewesen, wüsste ich nicht, wo ich heute wäre. Dann wäre alles möglich gewesen. Vom Schwerstdrogensüchtigen bis zum Maurer (lacht) . Ich bin allein nur schwer in der Lage, mein Leben gut zu strukturieren. Bin auch als Solokabarettist nicht vorstellbar, weil voller Angst und Zweifel. Zu zweit ist mir das viel lieber. Dirk hat mir zweifellos geholfen, meine Selbstsicherheit zu pushen. Mein Selbstwertgefühl ist gleich klein wie vorher. Ich halte von mir persönlich nicht mehr als andere. Ich glaube, das ist ein guter Zug. So ist man frei von Arroganz. Es gäbe sicher tausend andere, die als Moderator besser geeignet wären als ich. Nur kriegen die erst gar nicht die Chance.

WOMAN: Dirk, fühlen Sie sich als Christophs männliches Rollenvorbild?

Stermann: Ich dachte schon jetzt kommt „Vaterfigur“. Das wäre übel, denn ich bin nur ein halbes Jahr älter als er. Was ich an ihm schätze, ist, dass Grissemann sich später geniert und viel mehr traut als ich. Deshalb macht die psychisch anstrengenden Sachen immer er...

Grissemann: Ich setze mich gern der Peinlichkeit aus. So löst man sie wenigstens auf...

WOMAN: Schon mal eine Therapie gemacht?

Grissemann: Nein, aber vielleicht sollte ich das tun. Doch die Gefahr ist groß, dass danach der Suizid steht.

Stermann: Als Vorschlag des Therapeuten?!

Grissemann: (lacht) Zum Beispiel.

WOMAN: Ich mag Ihre sanfte Seite! Haben Sie das im Zivildienst gelernt? Christoph, Sie dienten ja im Flüchtlingsauffanglager in Traiskirchen...

Grissemann: Korrekt. Da wurde aber ich aufgefangen! Denn wir waren 80 Zivildiener und nur 50 Flüchtlinge. Ich habe die meiste Zeit auf meinem Schreibtisch geschlafen. Das war die furchtbarste Zeit meines Lebens.

WOMAN: Wieso, weil Sie fürs Heer nicht tauglich waren?

Grissemann: (lacht) Doch, doch, das war ich...

Stermann: Ich leistete 20 Monate Dienst in einem Familienbildungswerk bei Düsseldorf. Ich machte dort Hausaufgaben mit den Kindern...

WOMAN: Und dort spürten Sie zum ersten Mal: „Ich will Vater werden!“

Stermann: Nein, aber dass ich einen Wanderhoden habe! Den musste ich immer in den Sack zurück massieren. Deshalb wurde ich mit 18 operiert und dachte nach einem Test, dass ich keine Kinder zeugen kann. Deshalb war’s umso schöner, als sich meine Tochter Hannah ankündigte. Sie ist mein Augenstern. Gerade ist sie ausgezogen und studiert Psychologie.

WOMAN: Hat sie einen Freund?

Stermann: Ja, er ist Deutscher. Ich beobachte das einstweilen mit Wohlwollen. Aber wenn er deppert ist, werde ich auch deppert. Wir haben Verbindungen ins gewalttätige Milieu. Unsere Schlagbrüder kommen auch bei manchen Journalisten zum Einsatz (lacht) .

WOMAN: Bitte nicht, ich fühle ich gerade so wohl.

Grissemann: (lacht) Na dann brav bleiben!

WOMAN: Sagt der Richtige! Betrinken Sie sich eigentlich immer noch vor Liveauftritten, um das Lampenfieber zu drosseln?

Grissemann: Ja, das war mal so. Inzwischen bin ich wie andere Rockmusiker zur makrobiotischen Ernährung und zu weniger Alkohol übergegangen. Wirklich! Dirk kann das bestätigen. Ich trinke vor einem Auftritt nichts mehr, nur währenddessen gerne zwei kleine Bier. Das war eine bewusste Entscheidung, aber ich will nicht so enden wie einige Freunde, die tatsächlich Alkoholiker sind. Ich hab’s immer geschafft, mich noch irgendwie selbst aus der Scheiße heraus zu ziehen. Das einzige Problem ist: ich bin ohne Hochprozentigem leider nicht so gut wie mit.

WOMAN: Sie sind 100 Tage im Jahr auf Tour. Christoph knotzt dann nackt am Sofa und Sie, Dirk, verkrümeln sich allein in der freien Zeit im Hotelzimmer. Macht das nicht schrecklich einsam?

Stermann: Wir sind immer einsam und zerschlagen. Und vom vielen Autofahren erschöpft und mürbe.

Grissemann: Dann masturbieren wir. Onanie ist das beste Antidepressivum! Und danach gehen wir Fußballschauen.

WOMAN: Schlafen Sie in einsamen Nächten manchmal im gleichen Bett?

Grissemann: So weit ist es zum Glück nicht, dass ich anklopfen muss und bettle: „Dirk, ich fühle mich grad innerlich leer, darf ich mich zu dir kuscheln!?“ Da bin ich gehemmt.

Stermann: Ich würde auch nein sagen! Früher, als wir noch kein Geld hatten, haben wir das notgedrungen gemacht. Ich werde nie diese Nacht in Hannover vergessen. Wir teilten ein irrsinnig hässliches Zimmer und ich wurde wach vom Straßenlärm. Christoph lag mit dem Fernseher auf den Knien neben mir und schaute „Big Brother“. Ich weiß nicht, was mich mehr erschrak: die tätowierten Soap-Vollkoffer oder der Grissemann. Aber seit wir Schwerverdiener sind, bleibt die emotionale Nähe auf der Strecke.

WOMAN: Wie viel Nähe dürfen Hetero-Männer einander schenken, ohne dass es schlüpfrig wird?

Stermann: Unsere Frauen glauben immer wieder, dass wir schwul sind. In „Schnell ermittelt“ haben wir deshalb so gut ein Homo-Pärchen gespielt. Wir gehen seit über 20 Jahren miteinander durchs Leben, ohne uns körperlich zu berühren.

Grissemann: Wir haben platonischen Sex.

Stermann: Aber nur einseitig. Ich bin sein Subjekt der Begierde.

Grissemann: Und wir reden auch über Liebeskummer usw. Und dann gehen wir Fußballschauen. Ablenkung ist der beste Trost.

WOMAN: Als Kabarettisten sind Sie ohne einander nichts, sagen Sie immer wieder. Schon mal ernsthaft an eine Trennung gedacht?

Stermann: Ja, klar. Wir stecken psychisch oft in schwierigen Situationen. Dann sind wir sehr gemein und ungerecht zueinander, brüllen uns an und werfen mit Sachen aufeinander. Einmal hat er mich im Streit als „Faschist“ beschimpft! Das schmerzt heute noch. Aber wir versöhnen uns dann auch wieder. Er schmeichelt sich dann so unmotiviert an mich heran, schnorrt Feuer für seine Zigarette und reden wir eben wieder. Aber manchmal reicht das nicht, da muss man dann schon den Mut haben und sich entschuldigen. Wir haben ja keinen Ehevertrag mit Loyalitätsklausel.

WOMAN: Schweißt Zoff Sie noch mehr zusammen?

Stermann: Nein. Es bleibt immer etwas zurück. Narben und auch Hass...

Grissemann: ... Neid und Missgunst. Sollte Dirk mal abspringen, trete ich mit meinem Vater auf. Da würde keiner was merken. (zwinkert Dirk zu) Du kannst auch mit ihm auftreten: als „Stermann und Grissemann“!

WOMAN: Womit würden Sie alternativ Ihre Brötchen verdienen?

Stermann: Als Choreograph.

Grissemann: Und ich als schmieriger tschechischer Kasinodirektor. Oder eben als Maurer.

Interview: Petra Klikovits