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Psychotherapie gibt es auch kostenlos – so kommst du zu einem Therapieplatz

Durch die Corona-Krise sind depressive Symptome von 4 auf 20 Prozent gestiegen. Doch wie sieht es mit Psychotherapie auf Krankenschein aus? Wir haben nachgefragt.

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Psychotherapie gibt es auch kostenlos – so kommst du zu einem Therapieplatz
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Die Corona-Krise fordert ihren Tribut: Die steigenden Infektionszahlen machen vielen Menschen große Sorgen. Der Lockdown zeigt nun seine Nachwirkungen. Wie eine Studie der Innsbrucker Uni zeigt, leiden vor allem junge Menschen unter dem Erliegen des sozialen Lebens. Sie seien mehr auf den sozialen Austausch ausgerichtet, erklärt die Studienleiterin, Notfallspsychologin Barbara Juen. Laut einer repräsentativen Umfrage der Donau-Universität Krems sind depressive Symptome von vier auf 20 Prozent gestiegen. Aber auch Schlaf- und Angststörungen treten in Österreich derzeit häufiger auf. Frauen und junge Erwachsene sind besonders betroffen.

Durch die Corona-Krise steigt die psychische Belastung

„Das Wichtigste in dieser Situation ist, dass die Menschen wissen, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine sind. Wenn sie merken, dass es derzeit viele Personen mit ähnlichen Symptomen gibt, hilft das den betroffenen Menschen bereits“, so Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie. Der Verband fordert seit Jahren die krankenkassenfinanzierte Psychotherapie. Gerade jetzt wird sichtbar, dass es in Österreich zu wenig Hilfe für Betroffene gibt. Mit der Initiative „Mehr Psychotherapie jetzt“ soll mehr Aufmerksamkeit für die Forderungen geschaffen werden.

Abschaffung der Kontingente gefordert

„Die über 10.000 österreichischen PsychotherapeutInnen können den erhöhten Bedarf jederzeit decken“, so Stippl. Die Kassen würden sich allerdings querstellen. „Es gibt Kontingente an kassenfinanzierten Psychotherapieplätzen, die von Bundesland zu Bundesland variieren. Wir fordern psychische Krankheiten gleich zu behandeln wie physische. Es würde niemanden einfallen bei einem gebrochenen Fuß zu sagen, dass das Kontingent erschöpft sei.“

Die Kontingente variieren von Bundesland zu Bundesland

„Die Kontingente der Bundesländer sind in den meisten Fällen viel zu klein. Seitens der ÖGK wurde in Aussicht gestellt, die Kontingente um 25 bis 30 Prozent zu erhöhen – der Stichtag steht allerdings noch nicht fest“, so Stippl. Es könnte sich bis Anfang des Jahres ziehen.
Die ÖGK versichert 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung.

„Wir fordern nicht die Erhöhung, sondern die Abschaffung der Kontingente. Jeder und jede, der oder die eine Diagnose hat, soll deren Heilung auch auf Krankenkassenkosten bekommen“, fordert Stippl. Die meisten Kontingente habe derzeit Salzburg zu Verfügung: Hier wurde am meisten in Psychotherapie investiert. „Der Rechnungshof stellte fest, dass die Anzahl an Frühpensionierungen aufgrund von psychischen Diagnosen und die Anzahl der Rehabilitationen und auch die Krankenstandstage weit unter dem Durchschnitt der anderen Bundesländer liegt. Investitionen zahlen sich also auch aus“, erklärt Stippl. Die Forderung nach krankenkassenfinanzierten Plätzen gibt es schon seit Jahren.

Eine Frage der Finanzierung – TherapeutInnen gibt es genug

„Derzeit gibt es für etwa 40 Prozent der Betroffenen einen Psychotherapieplatz auf Krankenschein“, erklärt Stippl. Das heißt: Der volle Betrag (in Österreich ca. 120 bis 130 Euro) wird von der Krankenkasse übernommen. Die Wartezeit ist allerdings unterschiedlich lang. Für alle restlichen Betroffenen gibt es die Möglichkeit einer Bezuschussung seitens der Krankenkassen. Diese beträgt pro Sitzung rund 30 Euro. Eine Alternative, um schneller und gegebenenfalls günstiger zu einem Therapieplatz zu kommen, ist, Sitzungen bei PsychotherapeutInnen in Ausbildung in Anspruch zu nehmen.

Ein Beispiel: Eine Wiener Therapeutin bekommt pro Jahr 250 bis 300 Stunden seitens der Krankenkasse zur Verfügung. Das sind umgerechnet vier bis fünf PatientInnen auf Krankenschein pro Woche. Der Rest muss sich die Therapie selbst und mit Zuschuss der Krankenkasse bezahlen. Weniger als die Hälfte aller PsychotherapeutInnen haben einen Kassenvertrag. „Psychotherapeutinnen könnten mehr als das Doppelte an Stunden sofort anbieten“, so Stippl. „Es ist eine reine strategische Entscheidung seitens der Kasse dies nicht zu finanzieren.“

Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie


Wie kommt man möglichst schnell an einen Therapieplatz?

Auch das variiert von Bundesland zu Bundesland. Grundsätzlich gilt der Ablauf: Die Webseite psychotherapie.at besuchen. Auf der Startseite findet man „Information und Hilfe für Patienten und Betroffene“ – hier findet man die Hotline und Informationsstelle von jedem Bundesland. „Ruft man an, wird man sich in der Bezirksstelle darum kümmern und beraten, ob der Leidenszustand jener ist, den die Kassa auch bezahlt. Wenn dem so ist, wird man zu einem Psychotherapeuten im jeweiligen Bezirk auf die Warteliste gesetzt. So ähnlich ist der Ablauf in jedem Bundesland“, schildert Stippl.

Beträgt die Wartezeit zu lang oder möchte man möglichst schnell mit der Therapie starten, kann man auf eigene Faust Psychotherapeutinnen und -therapeuten suchen. Nach der Behandlung kann die Honorarnote und die Bestätigung der Zahlung bei der Krankenkasse eingereicht werden. Danach kommt der Zuschuss (rund 30 Euro pro Sitzung) aufs Konto.

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