WOMAN: Frau Vospernik, sie haben in den vergangenen vier Jahren das ORF-Korrespondenzbüro in Peking geleitet. Jetzt sind sie auf den Küniglberg zurückgekehrt und sollen wie man hört neue ORF 1-Informationchefin werden. Reizt sie Österreich eigentlich nur wegen ihrer neuen Funktion oder hatten sie eh schon Heimweh?
Vospernik: In erster Linie sind fast vier Jahre einfach eine gute Zeit, wieder einmal eine Zäsur zu setzen. China ist ein unglaublich spannendes Land, die Erfahrung, dort zu arbeiten, eine große Auszeichung und eine, die einen als Mensch nachhaltig verändert, aber man läuft als Korrespondent, wenn man länger bleibt, langsam Gefahr, den frischen Blick zu verlieren. Ich finde solche Wechsel also natürlich, will aber gar nicht leugnen, dass ich mich wirklich auf Europa freue, das wäre nämlich mein Heimatbegriff. Ich freue mich auf unsere Lebensart, Menschen, die mir nahestehen, unsere direktere Form der Kommunikation und auf die ganz einfachen Dinge: Trinkwasser aus der Leitung, frische Luft, Milch, die schmeckt wie Milch, und auf Brot.
WOMAN: Worauf soll künftig unter Ihrer Ägide wert gelegt werden bei der Berichterstattung?
Vospernik: Also, ich habe offiziell keine neue Position, ich bitte Sie also zu verstehen, dass ich meinen Chefs nichts über Medien ausrichte. Das habe ich nie und werde ich auch nie tun, weil es einfach unprofessionell und illoyal wäre. Was ich aber jedenfalls sagen kann: Ich bin natürlich in erster Linie eine außenpolitische Journalistin. Das ist eine Perspektive auf die Welt und unsere Arbeit, nicht ein Job, den man einfach ablegt. Sie können also davon ausgehen, dass ich diese Perspektive einbringen werde. Ich finde, wir haben einen unheimlich kreativen Beruf, die Chance, täglich unseren Horizont zu erweitern und Geschichten so zu erzählen, dass sie spannend und interessant sind. Das ist eine Begeisterung, die ich weitergeben will.
WOMAN: Und was, wenn Politiker versuchen, sich bei Ihnen einzuschleimen, um öfter in Beiträgen vorzukommen? Wie weisen Sie die dann in die Schranken?
Vospernik: Dass sich ein Politiker bei mir einschleimt, ist mir in mehr als 20 Jahren im ORF noch nie geschehen, schon eher erlebt habe ich mehr oder weniger sanften Druck, aber nicht zu oft, muss ich dazusagen. Ich sehe das völlig entspannt: Ich hatte in den letzten 4 Jahren vor der KP Chinas und ihrem Apparat keine Angst, mir macht sicher auch kein österreichischer Politiker oder Funktionär oder Pressesprecher Angst.
WOMAN: Machen ihnen die Personalrochaden im ORF Sorgen? Viele Mitarbeiter sagen: früher war der Rundfunk vergleichsweise ein Biotop, jetzt ist er ein intrigantes Haifischbecken...
Vospernik: Also die Rochade in der Chefredaktion macht mir schon einmal überhaupt keine Sorgen, im Gegenteil. Und das sage ich nicht, weil mir ein Job angeboten wurde oder ich eine Superschleimerin bin, sondern weil ich den neuen Chefredakteur seit vielen Jahren als fachlich und menschlich großartigen Kollegen kenne. Was mir viel mehr Sorge bereitet, ist, dass man im ORF schön langsam gar nichts mehr werden kann ohne automatisch punziert zu werden. Und dass solche Punzierungen in der Öffentlichkeit unwidersprochen für bare Münze genommen werden. Das ist unerträglich. Für die Menschen, die im ORF arbeiten und für unser aller Image.
WOMAN: Wie gehen Sie mit Neidern um?
Vospernik: Ich bin zu Neidern und Intriganten ganz besonders freundlich. Das bringt sie restlos auf die Palme.
WOMAN: Wann werden Sie schwach?
Vospernik: Selten. Und hoffentlich nicht in einem Interview.
WOMAN: Womit kann man Sie beeindrucken?
Vospernik: Mit Wissen, Intelligenz, Humor, Fähigkeiten, vor allem aber mit Haltung, Geradlinigkeit und Charakter. Noch besser dann, wenn sich die Meinungen nicht decken und dennoch eine kultivierte Debatte möglich ist.
WOMAN: Sie sind ja aus China nicht zurückgeflogen, sondern haben den gesamten Weg in der Transsibirischen Eisenbahn zurückgelegt. Warum das? Haben Sie neuerdings Flugangst?
Vospernik: Nein, überhaupt nicht, ich habe die letzten Stationen mit dem Flugzeug zurückgelegt und hatte dabei Gelegenheit, das Eischaos in Moskau live mitzuerleben... Ich bin von Peking bis Irkutsk in Ostsibirien mit der Bahn gefahren, weil ich es stilvoller fand als nach 4 Jahren einfach in ein Flugzeug zu steigen und 10 Stunden später in Wien ausgespuckt zu werden. Das hat Peking nicht verdient! Und ich auch nicht. Ich wollte mich langsam entfernen und annähern. Die Transsib ist eine einzigartige Bahnreise! Und ich liebe Bahn fahren überhaupt. Man hat Zeit, Platz, kann sich bewegen, es hat ein meditatives Tempo und als Journalistin liebe ich vor allem, dass die Verantwortung für Zeit und Stopps einmal nicht in meinen Händen liegt. 4 Stunden an der chinesisch-mongolischen Grenze nach 4 Jahren Peking: großartig!
WOMAN: In wieviel Koffern haben Sie Ihr Hab und Gut verstaut?
Vospernik: In 6 Kubikmetern Speditionsgut, das schon vor weit mehr als einem Monat auf den Weg geschickt wurde und in 2 Koffern, aus denen ich den letzten Monat gelebt habe.
WOMAN: Von welchem Gegenstand könnten Sie sich nie trennen und warum?
Vospernik: Vom Schaukelstuhl meiner Großtante. Weil sie eine großartige, liebevolle, kluge und für ihre Zeit unglaublich emanzipierte Frau war, mich in diesem Stuhl gewiegt hat und ich bis heute traurig bin, dass sie so früh gestorben ist. Ich habe sie verloren als ich 5 Jahre alt war. Der Schaukelstuhl ist übrigens in meiner Wohnung in Wien geblieben. Ich habe nach Peking überhaupt keine Möbel mitgenommen.
WOMAN: Zu ihren Zwischenstopps: Welche malerischen russischen Städtchen haben Sie besonders begeistert und warum? Wo und wie haben Sie eigentlich den Heiligen Abend verbracht? Ich hoffe, nicht im Speisewaggon des Zuges!
Vospernik: Ich hätte gegen den Speisewagen überhaupt nichts gehabt, im Gegenteil, vor allem nichts gegen den kitschigen mongolischen! Leider ist sich das fahrplanmäßig nicht ausgegangen. Ich war in einem Dorf am Baikal-See in Ostsibirien, in Irkutsk und in Moskau. Alles sehr cool - und überall sehr kalt.
WOMAN: Wie ging's eigentlich Ihrer Familie und Ihren Freunden damit, dass sie soviel unterwegs waren? Sie waren ja auch früher mal London-Korrespondentin...
Vospernik: Meine Freunde sind nicht minder mobil als ich, vermutlich sind sie ja deshalb meine Freunde... Leben aber natürlich auch überall verstreut... meine Schwester hingegen verteht überhaupt nicht, wie man freiwillig im Ausland leben kann.
WOMAN: Haben Sie Geschwister? Was machen die beruflich?
Vospernik: Neben meiner älteren Schwester Elisabeth, die auf einer Wiener Hauptschule unterrichtet habe ich einen jüngeren Bruder, Stefan. Er ist Journalist in der Außenpolitik der APA.
WOMAN: Sprechen Sie zuhause gelegentlich noch Slowenisch? Sie haben ja an einem zweisprachigen Gymnasium in Kärntnen maturiert...
Vospernik: Es wäre für mich völlig unnatürlich, mit meinen Geschwistern anders als Slowenisch zu sprechen. Wir sprechen miteinander nur in Gesellschaft von Menschen, die kein Slowenisch verstehen, Deutsch. Wie für alle Zweisprachigen ist dieser Wechsel zwischen Sprachen für uns völlig normal, das geht nahtlos, mittem im Satz oder Gedanken. Ich finde Zweispachigkeit eine enorme Chance und verstehe nicht, wie Eltern ihren Kindern ihre Sprachen nicht weitergeben können! Maturiert habe ich übrigens am slowenischen Gymnasium nicht, sondern am United World College in Duino bei Triest. Ich bin mit 16 zum ersten Mal ins Ausland gezogen.
WOMAN: Sie sind nun 41. Wollen sie langsam sesshaft werden?
Vospernik: Wie definieren Sie Sesshaftigkeit? Ob ich ausschließen kann, dass ich irgendwann wieder einmal ins Ausland gehe oder irgendwann überhaupt etwas gänzlich anderes mache? Nein, kann und will ich auch nicht. Aber mein Lebenstraum ist wirklich ein altes Haus, das ich liebevoll herrichten kann mit einem großen Garten, in dem ich Obstbäume, Wildrosen, Stäucher und Kräuter pflanze. Und eine Terrasse, auf der ich schreibe. Ich bin ein Landkind geblieben.
WOMAN: Sind Kinder ein Thema für Sie oder ist Ihnen Karriere wichtiger?
Vospernik: Ich denke, dass man nicht alle Entscheidungen im Leben bewusst trifft, vieles ergibt sich einfach. Dass ich im Job viele Chancen gehabt habe, hat sich immer ergeben. Das ist nicht die Folge eines Karriereplans. Den hatte ich nie. Eine Familie hat sich eben nicht ergeben. Sie wird wohl aber auch keine Priorität gewesen sein. Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem sich daran wohl nichts mehr ändern wird. Ich bin damit nicht unglücklich.
WOMAN: Haben Sie schon den Menschen gefunden, mit dem sie durchs Leben gehen können?
Vospernik: Ich habe, viel Glück vorausgesetzt, mein halbes Leben schon hinter mir...
WOMAN: Welche privaten Pläne haben Sie für 2011?
Vospernik: Ich habe sowas von keinen Plan.
WOMAN: Was werden Sie von der chinesischen Mentalität hier in Österreich gewiss vermissen?
Vospernik: Den Grundoptimismus, der in der Gesellschaft herrscht, diesen Glauben daran, dass man sich etwas erarbeiten kann, dass das Leben besser werden kann. Dass so viele Menschen so geerdet und normal sind auch wenn sie unter oft unvorstellbaren Bedingungen leben. Davon können wir uns ruhig eine Scheibe abschneiden.
Interview: Petra Klikovits