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"Sind Eierstöcke involviert, kann’s nicht sexistisch sein.“

Ina Mastnak leitet seit zwei Jahren die "Watchgroup gegen sexistische Werbung" in Graz. Im Interview mit WOMAN erklärt sie unter anderem, warum das „scharfe“ Feldbach-Video objektiv sexistisch ist.

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Sexistische Werbung

Blond und kurzes Rockerl - ist das gleich sexistisch?

© istockphoto.com

An sich sind Stereotype ja nichts Schlimmes, denn sie helfen uns, die komplexe Welt schnell einzuordnen. Doch wenn sie auf den kleinsten Nenner heruntergebrochen werden und so zu Klischees mutieren, ist das keine gute Sache. Leider sind Klischees die Basis von Werbesujets. Allen voran: Geschlechterstereotype. Sei es rosa Spielzeug für Mädels oder schnittige Autos für erwachsene Männer – die Werbung nutzt gesellschaftlich zugeschriebenen Eigenschaften aus, um Aufmerksamkeit zu generieren. Und wie verkauft sich ein Produkt angeblich am allerbesten? Wenn eine nackte Frau es im Arm hält!

Dabei gibt es genügend Studien darüber, dass Sex nicht mehr „sellt“. Trotzdem verwenden immer noch zu viele Unternehmen diese Technik zum Kundenfang. Doch nicht jede Werbung, die einen Menschen nackt oder leicht bekleidet zeigt, ist sexistisch. Die drei österreichischen Werbe-Watchgroups, allen voran die Vorreiterin aus Graz www.watchgroup-sexismus.at, bewerten Sujets, über die Beschwerden geäußert wurden nach einem objektiven Kriterienkatalog und erklären sie dann im entsprechenden Fall als sexistisch.

Ina Mastnak ist seit zwei Jahren die Leiterin der Grazer Watchgroup. Im Interview sprach sie über die aktuelle Lage in Österreich, den Feldbacher Miniskandal und, was man tun kann, wenn man sich über ein Werbesujet beschweren möchte.

»Eine Werbung mit Nacktheit ist dann sexistisch, wenn die Frauen als Objekt herangezogen werden um ein Produkt zu untermalen.«

Ina Mastnak zum Fall "Scharfes Feldbach":

Was mir bei der Stellungnahme des Geschäftsführers sofort eingefallen ist: Er hat völlig Recht, dass eine Frau im kurzen Kleid nicht sexistisch ist. Ich meine, eine Frau im Bikini oder eine nackte Frau sind auch per se nicht sexistisch. Das Problem ist, wenn man diese Frau auf ihre „Schärfe“ ihr „Scharfsein“ reduziert, das ist sexistisch! Wir können alle rumlaufen, wie wir wollen, da gibt es überhaupt nichts Anstößiges oder Diskriminierendes dran. Nur erstens, wird ist die Frau kein Subjekt, sondern ein definitives Werbeobjekt. Und zweitens, wird sie einfach auf dieses Scharfsein reduziert. Das sprechen ja auch die anderen Protagonisten und Protagonistinnen in dem Video aus. Sie sagen ja auch „Scharf!“, und es ist nicht so, dass die besagte Frau mit einer Chili durch die Stadt rennt, sondern da bezieht sich das „Scharf!“ eindeutig auf ihr Outfit. In der Eingangssequenz sieht man auch eine typisch alltagssexistische Szene, wo zwei Männer im Straßencafé bei einem Glaserl Wein sitzen und dann die Frau vorbeigeht, worauf sie sagen: „Schoaf!“.

Man müsste sich das umgekehrt vorstellen und ich spreche hier natürlich in sehr starken Klischees: Da sitzen zwei 50-jährige Frauen bei einem Glaserl Wein und dann kommt ein junger Bursch, so ein Coca-Cola-Light-Typ, mit nacktem Oberkörper daher und wackelt da mit seinen Hüften. Worauf die zwei Frauen „Schoaf!“ ausrufen. So etwas macht einfach niemand.

Die große Ausrede ist dann auch immer: „Wollt ihr uns jetzt die Nacktheit verbieten?“, „Sowas von puritanisch, wir dürfen gar keinen Spaß mehr haben!“ Nein, überhaupt nicht! Es gibt ja auch Gegenbeispiele, die zeigen, dass Nacktheit ästhetisch von der Werbung genutzt werden kann, ohne sexistisch zu sein. Eine Werbung mit Nacktheit ist dann sexistisch, wenn die Frauen als Objekt herangezogen werden um ein Produkt zu untermalen. Und dann verkauft man den Frauenkörper einfach mit!

Eins meiner Lieblingsbeispiele dazu ist eine Werbung, wo es um Maissilageballen (Werbung hier) gegangen ist, also um die verpackten Heuballen, die man auf den Felder rumstehen sieht. Da hat es eine Kampagne gegeben, für Ballen, die übers Internet verkauft wurden. Das Sujet zeigte ein-zwei Ballen und eine nackte Frau, die sich darüber räkelte. Was hat bitte eine nackte Frau mit Maissilageballen zu tun? Überhaupt nichts! Und das ist so ein typisches Beispiel, an dem ich gerne erkläre, dass gegen Nacktheit per se nichts einzuwenden ist, aber diese Reduktion auf den Objektstatus ist nicht in Ordnung. Und obwohl es mittlerweile Statistiken gibt, dass Sex nicht mehr immer „sellt“, gibt es noch immer viel zu viele solcher Kampagnen. Unsere Gesellschaft ist prinzipiell sexistisch und deswegen wird es auch weiter benutzt.

Ina Mastnak - Watchgroup
Ina Mastnak, Leiterin von "Watchgrup - gegen sexistische Werbung"

»Wie soll eine Kampagne zu Väterkarenz jemals funktionieren, wenn Männern nicht einmal zugetraut wird, dass sie ihr eigenes Immunsystem unter Kontrolle bringen?«

WOMAN: Gibt es trotzdem etwas, dass sich an der österreichischen Werbelandschaft verändert hat? Gibt es irgendwelche Trends, die sich durchsetzen, die anders sind, als noch vor einigen Jahren?
Mastnak: Was sich sicherlich verändert hat, und da spreche ich nicht von den Werbungen selbst, sondern von unserem Umfeld, dass die Menschen viel sensibilisierter sind. Durch das Internet funktionieren Sensibilisierungen auch viel schneller. Das Feldbach-Video war auch nur sehr kurz online, als bei uns schon vier oder fünf Meldungen reingekommen sind. Das geht mittlerweile ratzfatz.

Was sich in der Werbung selbst verändert hat, ist, dass Diskriminierungen subtiler werden, etwa auch in puncto Ethnie. Noch in den 1970er Jahren gab es Werbungen wie „Der Mohr“ für irgendeine Kaffeefirma, oder irgendein Zirkus hat einmal seine Afrika-Show mit dunkelhäutigen Damen in Bananen-Baströcken beworben. Also das traut sich zum Glück niemand mehr.

Die Diskriminierungen sind aber auch breiter geworden. Es gibt da dieses Beispiel mit der Zalando-Werbung von 2015. Da haben wir eine Sammelbeschwerde von acht Frauen bekommen, die gesagt haben „Jetzt wird uns alten Frauen auch schon vorgeschrieben, wie wir uns zu kleiden haben und wie wir uns verhalten sollen?“ Prinzipiell haben wahrscheinlich viele Leute gedacht, dass es toll ist, dass auch mal ältere Models hergenommen werden. Nur es war so, dass man so suggeriert hat, dass wenn ältere Frauen nicht online bestellen, sie dann altmodisch sind. Desweiteren wurde auch suggeriert, dass man auch im Alter spindeldürr sein und sich schick kleiden sollte. Und die acht Frauen haben auch geschrieben: „Bis jetzt wurdet ihr Jungen immer nur unter Druck gesetzt und jetzt fängt es auch bei uns an! Lasst uns bitte in Ruh, wir sind froh, dass wir alt sind und nicht mehr den Druck haben, und nun soll es bei uns auch weitergehen.“ Also es wird subtiler und breitgestreuter gearbeitet.

Ein weiteres gutes Beispiel für neue Formen der Diskriminierung ist die „Herbert trink das!“-Werbung von Actimel. Ich sag immer gern: Wie soll eine Kampagne zu Väterkarenz jemals funktionieren, wenn Männern nicht einmal zugetraut wird, dass sie ihr eigenes Immunsystem unter Kontrolle bringen? Wenn man dem Mann nicht zutraut, dass er etwas gegen seinen eigenen Schmutz unternimmt, wie soll man ihm dann zutrauen, dass er ein Baby versorgt? Und deswegen ist mir der Einsatz gegen diskriminierende Werbung auch so wichtig, weil das wirklich weite Kreise zieht.

»Jetzt wird uns alten Frauen auch schon vorgeschrieben, wie wir uns zu kleiden haben und wie wir uns verhalten sollen?«

WOMAN: Können Sie mir ein bisschen was über die Gründungsgeschichte der "Watchgroup" erzählen, und was ihr so macht?
Mastnak: Wir sind schon im Jahr 2009 von der damaligen Frauenbeauftragten der Stadt Graz gegründet worden. Der Ursprung war ein Anti-Sexismus Projekt der DOKU Graz, des Frauendokumentationszentrums, das es ja leider nicht mehr gibt. Die Grazer Frauen befragte beziehungsweise die Grazer Frauenbeauftragten gab es schon seit den 1980er Jahren und sie waren die einzigen unabhängigen Beauftragten dieser Art in Österreich. Wir waren auch die erste Watchgroup in Österreich. Damals hat die Maggie Jansenberger (Anm. Die unabhängige Grazer Frauenbeauftragte von 2009) gemeinsam mit der DOKU Graz einen Kriterienkatalog erstellt.

WOMAN: Wie sieht Ihr Job dann konkret aus?
Mastnak: Auf der einen Seite machen wir aktive Medienbeobachtung, dass heißt wir gehen durch die Welt mit geöffneten Augen und Ohren und schauen, was es so an sexistischer beziehungsweise an diskriminierender Werbung gibt. Andererseits sind wir auch eine Anlaufstelle für Beschwerden. Wir bekommen regelmäßig Beschwerden aus der Bevölkerung zugeschickt. Ich muss echt sagen, dass die Bevölkerung in Österreich schon unglaublich sensibilisiert ist. Mir ist es noch nie passiert, dass ein Sujet eingereicht wurde, wo ich zurückschreiben musste „Nein, das ist nicht sexistisch.“. Wir bekommen auch teilweise Beschwerden aus anderen Ländern, etwa aus Deutschland, was daran liegt, dass es meines Wissens in Deutschland nicht so eine Anlaufstelle gibt. Und dadurch, dass wir so bekannt sind, stehen wir bei Google an Top-Position.

Außerdem schreiben wir auch Stellungnahmen, sensibilisieren durch Öffentlichkeitsarbeit und bieten Firmen an, dass wir ihre Sujets vorab überprüfen. Eine enge Zusammenarbeit gibt es mit der Forschung, wo wir häufig als Expertinnen und Interview-Partnerinnen auftreten. Ja, wir sind wirklich ziemlich umtriebig.

»Ich muss echt sagen, dass die Bevölkerung in Österreich schon unglaublich sensibilisiert ist.«

WOMAN: Wie schaut es mit dem österreichischen Werberat aus. Arbeitet ihr mit dem auch zusammen?
Mastnak: Es gibt keine direkte Kooperation zwischen uns und dem Werberat. Und es ist nicht immer so, dass Sujets, die von uns als sexistisch bewertet werden, auch vom Werberat dieselbe Bewertung bekommen. Eine Gemeinsamkeit gab es zum Beispiel bei der Bet-at-Home-Kampagne, die sehr viel Aufsehen erregt hat. Die hat der Werberat auch als sexistisch bewertet, aber wegen der Gesetzeslage in Österreich hat der Werberat keine Möglichkeit wirklich einzuschreiten.

WOMAN: Wenn ihr eine Beschwerde bekommt, was passiert dann mit dieser?
Mastnak: Die Beschwerden kommen in verschiedenster Form zu uns, aber meistens per Mail. Wir reagieren sofort darauf und bewerten das Sujet auch gleich. Die Konklusion wird online gestellt und wir schicken dem involvierten Unternehmen unsere Bewertung, mit Ersuch um Stellungnahme, zu. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie reagiert wird. Möglichkeit 1: Das Unternehmen reagiert gar nicht. Passiert leider öfters. Möglichkeit 2: Das Unternehmen reagiert und ist betroffen und sagt „Oh je, das haben wir so nicht gesehen und es tut uns Leid. Wir stoppen die Kampagne, beziehungsweise die Kampagne ist draußen, wir können sie nicht mehr stoppen, aber in Zukunft achten wir drauf.“. Das geht auch manchmal und ist sehr erfreulich. Dann gibt’s die dritte Möglichkeit, dass man uns zurückschreibt so in der Art: „Hä, was soll das? Das ist nicht sexistisch, was wollt ihr von uns?“.

Und dann gibt’s noch mein Lieblingsbeispiel einer Reaktion: „Das Sujet kann nicht sexistisch sein, weil es war eine Frau involviert.“ Oder „Wir haben es unserer Sekretärin gezeigt und die findet das nicht sexistisch.“ So nach dem Motto: „Sind Eierstöcke involviert, kann’s nicht sexistisch sein.“ Das kommt lustigerweise öfters vor, als man glaubt. Wenn es dann in welcher Form auch immer eine Stellungnahme gibt, veröffentlichen wir diese auf unserer Webseite.

WOMAN: Mir ist ein Gegenbeispiel zu klassischer Werbung in einem Prospekt eines Diskounters aufgefallen: Es wurden Heimwerker-Artikel angeboten und im Hintergrund waren Fotos von einer Frau zu sehen, die Arbeiten wie löten, sägen und weiteres ausführt. Sie war erstens normal angezogen und zweitens gab es keine ergänzenden Fotos von einem Mann. Trotzdem wurden in jenem Prospekt nur Heimwerker-Hosen für Männer verkauft. Das ist immer noch so eine Dichotomie, die auffällig ist.
Mastnak: Ganz genau! Die Dichotomien bleiben einfach noch. Man sieht daran die Bemühungen, aber es ist noch nicht ganz verinnerlicht worden. Ich finde das aber echt vorbildlich, das die Frau ganz normal angezogen ist. Weil weißt du, wie viele Sujets ich schon bewertet habe, die Frauen mit einer Latzhose und nur Bh drunter zeigen? Oder da hat es auch mal eine Installationswerbung gegeben, wo die Frau völlig leicht bekleidet gearbeitet hat, wo ich mich wirklich zusammenreißen musste um nicht zu schreiben, dass ich als Tochter eines Installateurs weiß, dass man so keine Klos montieren kann.

WOMAN: Stellen Sie sich eine Arbeitsplatzsituation vor, wo über Aktuelles gesprochen wird, wie etwa das Feldbach-Video. Eine Person möchte gern sagen, dass sie das Video für sexistisch hält, wird aber von den anderen Kollegen zurechtgewiesen, sie sei eine Spielverderberin und der Vorwurf wäre übertrieben. Was würden Sie der Person in so einer Situation raten?
Mastnak: Die österreichische Gesellschaft für politische Bildung bietet einen Kurs namens „Argumentationstraining für Stammtischparolen“! (lacht) Das fällt mir ad-hoc dazu ein. Aber im Ernst: Ich bin einfach der Meinung, dass man prinzipiell zu seinen Überzeugungen stehen sollte. Und was auch ganz wichtig ist, dass man sich informiert und Argumente parat hat. Aber das geht eben nicht immer.

Ich würde auch mal den Spieß umdrehen und sagen: „Wie geht’s dir damit? Wie würde es dir gehen, wenn du jetzt diskriminiert wirst, wenn du weniger Geld verdienst, wenn du Gefahr läufst, dass du vergewaltigt wirst, wenn man von dir verlangt, dass du in Stöckelschuhen herumläufst?“ Man kann eben versuchen dem Menschen zu erklären, was man meint und die Leute sind meistens verständiger als man glauben würde.

Ich denke mir, dass ein wenig Mut dazugehört, wenn man die Welt verändern will. Wenn es nicht die wunderbaren Frauen gegeben hätte, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts der ersten Frauenbewegung anschlossen, dann dürften wir noch immer nicht wählen. Mut ist einfach wichtig und das kann man auch lernen.

Themen: Report, Sexismus