Was ist Sexualberatung – oder Sexcoaching? Und wer braucht das?
Sexualberatung? Das ist ein Begriff, der bei vielen Menschen mit Fragezeichen, Ängsten oder auch Scham verbunden ist. Ja, Sexualität ist an jeder Ecke zu finden, aber die eigene ist meist tabu. Denn über „diese Dinge“ spricht „man“ oft immer noch nicht, da zieht man sich lieber zurück, wenn etwas nicht gut tut oder man nicht weiter weiß.
Das ist schade, denn du stehst mit deinen Fragen, Wünschen oder Bedürfnissen sicherlich nicht alleine da, weder als Frau noch als Mann, oder wie auch immer du dich definierst.
Gute Sexualität ist kein immer von selbst spontan gut funktionierendes Ereignis.
In kurzen Worten: Gute Sexualberatung ist eine individuelle und wohltuende Möglichkeit, dein sexuelles Erleben so gestalten zu lernen und deinen Körper so wahrzunehmen, dass es dir beziehungsweise euch gut tut. Wir klären Fragen, finden Wege. Wir alle verändern uns im Laufe unseres Lebens – somit auch unser Sex. Nicht immer läuft alles von selbst so, dass alles passt. Keine Sorge, Sexualität ist ein ganzes Leben lang gestalt- und veränderbar.
Sexualberatung bzw. Sexcoaching ist eine Mischung aus Inspiration, Wissensvermittlung, klärenden Fragen und praktischen Anregungen, um dein sexuelles Erleben, die eigenen Bedürfnisse, die Beziehung so zu gestalten, dass sie gut tun.
Nein, da geht es nicht um Leistung oder Selbstoptimierung, sondern um Möglichkeiten der Gestaltung, die dir entsprechen. Je nachdem, wie deine Anliegen sind, geht es um dich, deinen Körper, deine Vorlieben und Bedürfnisse, deine Träume. Wir finden mit gezielten Fragen heraus, woher du freudige oder gar lustvolle Inspirationen nehmen kannst, die für dich Gestaltungsspielräume aufmachen.
Wissen macht Lust
Wir klären woher du einen selbstbewussten und sinnlichen Umgang mit deinem eigenen Körper nimmst beziehungsweise ihn findest. Du erkundest deine eigenen Sinne, deinen Erregungsfunktionen, Anziehungsmuster und das was du – oft unbewusst - über Sex denkst. Woher kommt deine sexuelle Selbstsicherheit, die dir dann auch Lust und Begehren ermöglichen kann? Aus Pornos? Wohl kaum. Ich wünsche dir sehr, dass du mit einem natürlichen und angstfreien Zugang groß geworden bist, sodass du selbst-sicher, mit Genuss und Hingabe deine lustvolle Sexualität leben kannst.
Das erste Gespräch
Ein geschützter Rahmen und Wertschätzung sind selbstverständlich. Wir beginnen immer mit einem individuellen Gespräch, in dem wir klären, welcher Grund oder welcher Auslöser dich zur Beratung gebracht hat und was du dir wünscht. Wir finden beispielsweise heraus, wie und was du jetzt an dir und deiner Sexualität genießen kannst und was nicht. Was ist jetzt nicht so, wie du es gerne hättest? Was kannst du tun (oder lassen), um mehr von dem zu bekommen, nach dem du dich sehnst? Wenn es für dich passt, finden wir heraus, was dir im Weg steht oder wie und wobei du dich hingeben kannst und willst, und wie für dich (Ver-)Führen bzw. sich (Ver-)Führen lassen Freude machen können. Finde deine Lust!
Selbstbewusstsein und Körperwahrnehmung
Deine Körper-Wahrnehmung spielt eine wichtige Rolle. Wie spürst du dich, was denkst du über dich? Wie kannst du ein gesundes Körper-Selbst-Bewusstsein entwickeln, das dir mehr Genuss erlaubt? Was fehlt dir jetzt und was wünscht du dir? Weißt du, bei welchen deiner Sinne du besonders anspringst oder was dich an- beziehungsweise abturnt? Welche Möglichkeiten der Erregung kennst und genießt du – und gibt es noch mehr?
Übungen und Fragestellungen
Wir finden heraus, was du bewusst oder unbewusst denkst – da gibt es oft ganz viele Regeln im Kopf, nach denen wir uns mehr oder weniger glauben richten zu müssen. Es gibt manchmal gezielte Körperübungen, Atem- oder Wahrnehmungsimpulse, da du mit Rhythmus, Tonus, Raum und Bewegung gezielt deinen Körper lustvoll gestalten kannst, wenn du es möchtest.
Lebendige Sexualität bedeutet so viel mehr, als nur „das Eine“! Sie ist so viel mehr als nur Geschlechtsverkehr oder ein gezieltes Vorspiel zum Geschlechtsverkehr. Sie beginnt oft mit einem Wort, einem Blick, einer Berührung, einem Versprechen, einer Verführung. Sie ist ein wohltuender und gesunder Bestandteil des Lebens, aber vor allem ein lustvolles Erlebnis, das du am besten mit allen Sinnen, freudig, neugierig und entspannt genießt.
Wir sehen oder reden allerorts über Sex, aber ganz selten über unsere eigene Sexualität. Welche Normen und Werte, welches Wissen vermitteln uns die Medien, die Gesellschaft? Was ist „normal“ – was nicht? Und – wer ist schon „normal“? Viel von dem verunsichert uns, weil wir „anders“ sind.
Was ist normal?
Das was vor 20 oder 60 Jahren normal war – ist es heute oft nicht mehr. Um nur ein paar Faktoren aufzuzählen, die Pille oder die durchs Internet ständig und kostenfrei verfügbaren pornografischen Filme, ja auch die sozialen Medien verändern die Gesellschaft und damit auch dem Umgang mit Sexualität. Wie betrifft dich das persönlich? Welchen vermeintlichen Normen und Werten laufen wir nach? Wie heißt es so schön? Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Es gibt kaum ein Thema, das mit mehr Ängsten und Tabus, mit Mythen und auch Macht verbunden ist.
Wir lernen in der Schule ganz viele Dinge, die wir nie wieder im Leben benötigen, aber sicherlich der Allgemeinbildung dienen. Wir lernen leider meist nicht, wie gute Beziehungen gestaltet werden können, wie wir mit Konflikten umgehen, Vertrauen fassen können. Wir lernen viel zu wenig über gesunde Sexualität, Liebesfähigkeit, Verführung, ein wertschätzendes Miteinander, wie wir gut mit Fragen in Bezug auf Sexualität umgehen können. Das sind Dinge, die wir täglich im Leben brauchen. Wir lernen kaum unsere eigenen Bedürfnisse, Begabungen und Talente zu genießen, sondern hören meist, in welchen Bereichen wir Defizite haben. Auch das wirkt sich auf uns, unser Selbstbild unseren Mut uns zu zeigen aus.
Woher nimmt man/frau gute Aufklärung oder sexuelle Bildung, die selbst-bewusst macht?
Die meisten von uns sind eher wenig oder einseitig aufgeklärt. Wir machen uns Gedanken zur Verhütung, sehen vielleicht Pornos oder lesen/hören von Geschlechtskrankheiten, Missbrauch, Traumata. Wenn man im Internet nach „Fragen zu Sexualität“ sucht, kommen gleich Worte wie „Jugendliche“ oder „peinlich“. Woher nehmen wir Erwachsenen gesunde und wohltuende sexuelle Bildung? Ja, es gibt gute Bücher, und wer mehr möchte, geht eben in eine gute Sexualberatung.
Wer ist für was zuständig?
GynäkologInnen sind für körperliche Gesundheit der weiblichen Geschlechtsorgane, aber meist nicht zur Sexualberaterin ausgebildet.
Es gibt SexualmedizinerInnen, die helfen zu klären, wenn der Körper schmerzt oder Probleme macht, die über das gynäkologische hinausgehen.
Eine Sexualtherapie unterstützt dich zu heilen, wenn du Erlebnisse hattest, die dich verletzt oder dir nicht gut getan haben.
Vieles überschneidet sich, jeder Mensch, sowohl KlientIn (oder PatientIn), wie auch jemand, der dich in deinen Bedürfnissen unterstützt, setzt andere Schwerpunkte. Ich bin sicher, du findest jemanden, mit dem du vertrauensvoll gut weiterkommen kannst.
Zu guter Letzt möchte ich unbedingt betonen, es gibt in jedem Fall immer die passende Unterstützung, du wirst nie alleine mit deinen Fragen bleiben... und vertraue nicht allem, was du online findest... achte auf die Quellen!
Über die Autorin:
Nicole Siller bietet psychologische Beratung, Sexualberatung und systemisches Coaching an. Sie ist Autorin von „Finde deine Lust!“ - das Praxisbuch für weibliche Sexualität.
Jeden letzten Donnerstag im Monat, findet von 19.00 - 21.00 Uhr in ihrer Praxis im geschützten Rahmen ein offener Abend (ANMELDUNG!) zum Thema „Frauengespräche über Sex und Sinnlichkeit“ statt. Alles dazu sowie Infos zu individueller Beratung, zu ihrem Blog und Kursen gibt's auf lebendich.at..

Kommentare