Gefühlt ist es ewig her. Mindestens zwölf, 13 Jahre. Ich war ziemlich neu in Wien, im zweiten oder dritten Semester Publizistik. Neben dem Studium habe ich mich immer wieder um Praktika und Jobs als freie Dienstnehmerin gekümmert. Endlich das werden, wovon ich schon immer geträumt hatte: Journalistin! Für ein Interview traf ich mich mit einem Unternehmer. Ich war sowas von aufgeregt. Immerhin war das einer meiner ersten Aufträge.
Die Atmosphäre war nett, das Gespräch gut. Ein paar Tage später kontaktierte mich dieser Unternehmer wieder. Ob ich Zeit und Lust hätte, mich noch einmal mit ihm zusammenzusetzen. Er hätte da eventuell ein Projekt, das für mich ganz spannend sein könnte. "Klar", sagte ich und wir machten uns was aus. Irgendwann abends nach all seinen Terminen.
Die Art, wie er mich ansah, gefiel mir nicht.
"Stört’s dich, wenn wir raufgehen in meine Wohnung. Ich kann das Büro nicht mehr sehen", sagte er.
"Okay", sagte ich und dachte mir nichts weiter dabei.
Er bat mich ins Wohnzimmer, ich setzte mich auf die Couch und er fragt, ob ich ich was essen wolle.
"Nein, danke."
"Wein?"
"Einen Schluck, gerne!"
Er verschwand in der Küche und kam schließlich mit einer Flasche Zweigelt zurück. Er stellte sie ab, holte zwei Gläser aus dem Schrank und dimmte das Licht.
Ich fing an, mich komisch und unwohl zu fühlen. Wieso dimmte er das Licht?? "Ich muss ein bisschen runterkommen", sagte er und schenkte ein. Wir stießen an. Die Art wie er mich dabei ansah, gefiel mir nicht. Es war mir unangenehm und ich versuchte, die unguten Momente zu ignorieren.
"Wo ist die Fernbedienung für den CD-Player?", fragte er und schaute sich suchend im Raum um. "Ah, hier!", er deutete direkt neben mich. Ich wollte sie nehmen und ihm geben, aber er lehnte sich über mich und lachte dabei. Dieses Lachen höre ich heute noch – lüstern, von oben herab, ekelhaft.
Ich wich zurück, mein Körper versteifte. Er legte Musik von Lionel Richie auf und in meinem Kopf war nur die Frage: "Wie komme ich hier bitte wieder raus?"
"Ich will das nicht."
Wieder lehnte er sich zu mir, über mich. Dieses Mal versuchte, er mich zu küssen, steckte mir seine Zunge unvermittelt in den Mund.
"Was soll das?", frage ich und stieß ihn zurück.
"Hast du einen Freund?", fragte er und versuchte wieder mich zu küssen.
"Was tut das zur Sache?"
"Hast du einen? Der muss davon ja nichts wissen."
"Ich will das nicht, okay?"
Plötzlich kippte die Stimmung, er wurde ungehalten: "Schatzi, wenn du in dieser Branche Fuß fassen willst, wird dir nichts anderes übrigbleiben. So läuft das Business … Willst du den Job oder nicht?"
"Ich muss jetzt gehen", sagte ich, stand auf und verließ die Wohnung.
Draußen kotzte ich mich fast an.
In letzter Zeit denke ich immer wieder daran. Oft frage ich mich, warum ich damals nichts mehr gegen ihn unternommen habe. Ich glaub, ich war zu jung, zu unwissend. Da war zu viel Scham, Unsicherheit, Angst. Dass man mir nicht glauben oder sagen würde, ich hätte es provoziert. Heute würde ich anders reagieren. Heute reagiere ich anders – indem ich erzähle, was mir passiert ist. Ohne Scham, Unsicherheit und Angst.