Zu Beginn des Jahres wurde in der EU ein Verbot für die Farben "Blau 15" und "Grün 7" ausgesprochen. Doch es gibt eine Übergangsfrist: Zwei Jahre hat die Branche nun Zeit, nach Alternativen zu suchen, bis das Verbot zur Anwendung kommt. Rund 1.400 TätowiererInnen wären in Österreich betroffen. Und auch viele KundInnen müssten auf beliebte Stile und Motive verzichten. Laut einer Umfrage sind rund 24 Prozent aller ÖsterreicherInnen tätowiert.
Der Grund für die Aufregung? Die beiden Farben sollen krebserregend sein. Die Pigmente gelangen durch die Tattoos in den Blutkreislauf und stehen im Verdacht Blasenkrebs auszulösen. In Haarfärbemitteln durften die beiden Pigmente aus diesem Grund schon länger nicht verwendet werden.
Die Europäische Chemikalienagentur ECHA verweist auf eine potenzielle Gesundheitsgefahr: "Wir wollen Tätowierungen nicht verbieten, sondern sicherer machen", heißt es auf der Website. Die Agentur wurde von der EU-Kommission beauftragt, die Stoffe zu untersuchen. Schließlich sei die Datenlage gering, die gesundheitlichen Bedenken groß. Laut ECHA wurden über 4.000 Substanzen entdeckt, die der Gesundheit der KundInnen schaden könnten. Aber wie sieht die Studienlage aus? Immerhin sind die Farben seit Jahren im Einsatz.

Blau & Grün – wirklich gesundheitsschädlich?
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung verweist auf eine "vergleichsweise geringe Toxizität". Auch wenn die Datenlage nicht "vollständig" ist, die chemischen Farbstoffe, die injiziert werden, sind nicht das Gesündeste für den Körper – so viel steht fest. "Einen Zusammenhang zwischen den Farben und einer Krebserkrankung gibt es zwar, aber die Stoffe sind nicht zwingend ursächlich für eine Erkrankung", erklärt Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Der Verdacht ergebe sich aus Experimenten mit Zellkulturen – der eindeutige Beweis am Menschen fehle, so der Experte.
Größere Bedenken äußert er bezüglich roter Farbpigmente: "Das darin enthaltene Eisen kann sich bei MRT-Untersuchungen erhitzen", schildert Sevelda. "Die Farbe ist per se nicht gefährlich. Aber in der Diagnostik kann das unter Umständen problematisch werden." Warum es bei Verdachtsfällen gleich zu Verboten kommt? "Man muss immer die Verhältnismäßigkeit betrachten. Tattoos sind nicht lebensnotwendig. Die Toleranzgrenze für gefährliche Stoffe ist demnach gering zu halten."

Die Tattoo-Szene leistet Widerstand
Die von der Corona-Krise gebeutelte Branche steht nun vor einer großen Herausforderung. Durch die Verordnung sind etwa 60 Prozent aller Tätowierfarben betroffen. Das Verbot kommt damit einer Existenzbedrohung für viele KünstlerInnen nahe – besonders für jene, die für bunte Motive bekannt sind, weiß Sofian Meherzi vom Tattoostudio Opus Magnum in Wien: "Unsere 'Fineline' und 'Black and Grey'-Artists tangiert es nur marginal, aber bei farbigen Mensch- und Tierportraits sowie beim 'Watercolor'-Stil wäre ein Verbot ein undenkbarer Einschnitt."
Gerüchte über ein mögliches Aus für die Farben gab es schon länger. Getroffen hat es die Branche aber dann recht plötzlich. "Besser wäre es mit der Industrie zeitgerecht eine Lösung zu erarbeiten", so Meherzi. "Wir hätten uns erhofft, dass es bereits alternative Produkte gibt."
Erich Mähnert, Co-Initiator einer Petition gegen die EU-Verordnung geht noch weiter und mahnt sogar vor Kontrollverlust: "Die Kunden werden ins EU-Ausland oder – schlimmer – zu einem Pfuscher gedrängt, der dann auf eBay die gewünschten Farben aus China bestellt", so der Tätowierer gegenüber der Presse. Wo die Branche die neuen Pigmente herbekommen könnte, ist noch unklar. Der Schwarzmarkt könnte nach diesem Verbot jedenfalls boomen.
Vielleicht wird das Gesetz bis zum Anlauf ja doch noch gekippt. Unterstützung findet die Petition auch seitens der Politik: EU-Mandatar Alexander Bernhuber (EVP) spricht sich gegen die neue Bestimmung aus: "Da wird das Geschäft fleißiger Leute gefährdet, ohne, dass die Kommission klar sagt, welche Farben sicher sind."