Als wir in die Wohnung kommen, schläft er noch, der kleine Mann. Aber wenige Minuten später ist er schon da, der erste Quieks. "Ja, wer wacht denn da auf!?", laufen beide Eltern hin und wir hinterher. Süß ist er, wirklich! Ein Äuglein halb offen, dann das zweite und dann der Mund, ganz. Rrrraaaaaa. Hunger! Seit vier Wochen ist Nicolas jetzt auf der Welt. Ein absolutes Wunschkind.
Die Mama ist Angelika Feigl, 39, früher Pressesprecherin bei Ex-Bundeskanzler Werner Faymann, jetzt bei einer Kommunikationsagentur beschäftigt. Der Papa, Markus, 41, ist ein WEGA-Mann. Ohne Nachnamen bitte. Die bösen Jungs, die er immer wieder bei seinen Einsätzen in ihre Schranken wies, müssen das nicht wissen. Und schon sehr bald wird er sich sowieso nur mehr um einen einzigen Burschen kümmern. Einen noch ganz unschuldigen.

Einsatzort: daheim, zwischen Wiege und Wickeltisch. Ausfahrten: mit dem Kinderwagen. Bewaffnung: Bauklötze und Quietschente. Ja, es ist so. Papa Markus geht zehn Monate in Karenz. Macht damit etwas, vor dem viele Männer noch immer zurückschrecken. "Das wird das am besten bewachte Baby" scherzt die Mama, die nach vier Monaten daheim ab Jänner wieder arbeiten gehen wird. Sie ist, sagt sie, die glücklichste Mutter der Welt. Aber vor nicht allzu langer Zeit hatte sie mit dem Kinderwunsch eigentlich schon abgeschlossen. "Es hat sich nicht ergeben, und die Jüngste war ich auch nicht mehr." Aber dann trat Markus in ihr Leben. "Und alles hat sich geändert." Das wollen wir jetzt schon genauer wissen.

ES FUNKTE ORDENTLICH. "Das erste Mal sind wir uns am Gang im Bundeskanzleramt über den Weg gelaufen", erzählt er die Geschichte. "Nett, sympathisch", ergab der erste flüchtige Blick beider. Er war im Team, das den Personenschutz für den Bundeskanzler stellte. Sie, wie gesagt, dessen Pressesprecherin. Und dann kam Weihnachten 2014 und das dazugehörige Firmenfest, zu dem Werner Faymann auch seine Bodyguards einlud.
Eine Unterhaltung zwischen Angelika und Markus startete angeregt und endete funkensprühend. Er war getrennt, stand kurz vor der Scheidung. Sie war noch mit einem Journalisten verheiratet. "Aber mein Herz war bereits frei." "Und das hab ich mir gleich geschnappt", lacht er. Und bald präsentierte er seiner neuen Liebe auch seinen größten Wunsch: ein Kind. "Ich war schon immer sehr kinderlieb. Aber mit Angelika konnte ich es mir erstmals auch tatsächlich vorstellen."
Sie, die den Drang nach Nachwuchs weniger spürte, war einverstanden. "Aber nur, wenn du dann auch in Karenz gehst, sagte ich." Er war sofort Feuer und Flamme und zog es durch. Jetzt allerdings will sie es sich gar nicht vorstellen, tagsüber auf ihr Goldstück verzichten zu müssen. "Wenn ich daran denke, muss ich gleich meine Anti-Baby-Blues-Tropfen nehmen", meint sie halb im Scherz und erläutert, dass Bachblüten ihre Stütze gegen nachgeburtliche Hormonschwankungen sind. "Ich bin sowieso schon nah am Wasser gebaut." Ihr Liebster muss ihr, vor uns als Zeugen, auch gleich wieder versprechen, sie bei jedem noch so kleinsten Fortschritt des Sohnemanns zu benachrichtigen. "Die Angelika ist ja dann sowieso meine Kummernummer", schmunzelt er. Denn auch wenn man in Sachen Wickelkunst und Co. noch so gut vorbereitet ist, kann einen so ein kleines Menschlein bekanntermaßen in größte Hilflosigkeit treiben. "Und da nützt einem kein Karategürtel und kein Bizeps."

Was allerdings alles überstrahlt, ist die Tatsache, so nah am "Tatort Kinderzimmer" zu sein. Jeden noch so kleinen Fortschritt des Söhnchens als Erster zu erleben. Eine einzigartige Verbindung zum Sprössling aufzubauen. "Diese zehn Monate kann mir keiner mehr nehmen."
WAHRE STÄRKE. Kein Problem war's auch, so der Papa, die Karenz beim Arbeitgeber, der Landespolizeidirektion Wien, zu fixieren. Ein wenig Verwunderung konnte er bei den Kollegen aber schon ausmachen, "weil ich so lange gehe". Dass jemand das Papamonat in Anspruch nimmt, wäre normal. Darüber hinaus "bin ich, glaub ich, der Erste bei uns."
Die häufigsten Kommentare waren: "Na, wenn ihr euch das leisten könnt." Und genau die Sache mit dem Geld ist es nach Meinung des Neo-Papas auch, die doch viele Männer vor längerer Karenz zurückschrecken lässt. "Meist verdient der Mann mehr. Und die Fixkosten laufen weiter." Bei Markus und Angelika ist sie es, die monatlich mehr aufs Konto kriegt. Er hat sich in Sachen Kinderbetreuungsgeld für die einkommensabhängige Variante entschieden. Sie besagt, dass Papa 80 Prozent vom letzten Gehalt zustehen, höchstens aber 2000 Euro im Monat. Seit dem 1. März gibt es auch ein neues Modell für das Kinderbetreuungsgeld: Für jedes Neugeborene gibt es ein Konto mit 12.377,60 Euro. Die Eltern können flexibel wählen, über welchen Zeitraum sie dieses Geld beziehen möchten. 33,88 Euro pro Tag über ein Jahr oder weniger Geld über längere Zeit.

19 Prozent der Väter gehen hierzulande in Karenz. Tendenz aber immerhin steigend. Dass man als Hausmann in der Welt der "richtigen Männer" häufig noch immer belächelt wird, tangiert den WEGA-Polizisten wenig. "Ist es nicht gerade eine große Stärke, sich für sein Kind zu entscheiden?", sagt er und nimmt den Kleinen im "Fliegergriff" auf den Arm. "Das hat er gerne!"
WIE IM ROMAN. Angelika macht inzwischen Kaffee. Sie ist von den Nächten mit wenig Schlaf erschöpft, aber glücklich. "Dass ich so schnell schwanger werde, hätte ich mir nie gedacht", resümiert sie. Wie sie sich so viel "nicht gedacht" hätte. Von einem Tag auf den anderen die große Liebe zu finden und kurz darauf als Mutter die "schönste und unvergleichlichste Erfahrung" des Lebens zu machen, das gibt's sonst nur im Roman.
Davor war sie ziemlich ernüchtert von der Politik weggegangen. Sieben Jahre beim Bundeskanzler, ab 2014 zwei weitere Jahre Referentin bei Josef Ostermayer, Bundesminister für Kunst und Kultur, bis auch er 2016 gehen musste. "In der Politik lernt man viel über die Menschen", sagt sie, "über Loyalitäten und falsche Freunde. Werner Faymann kann sie, wie sie sagt, jederzeit anrufen, wenn sie etwas braucht. Und manchmal treffen sie auch zufällig aufeinander, bei Geburtstagsfeiern gemeinsamer Freunde etwa. Ansonsten aber genießt sie es, "den Wahlkampf nur mehr als Beobachterin" zu erleben.
GEFÄHRLICHER JOB. Nicht immer entspannt ist sie hingegen, wenn ihr Liebster zu nicht immer ganz ungefährlichen Einsätzen gerufen wird. Noch lebendig vor Augen hat sie etwa die Bilder vom G-20-Gipfel in Hamburg vom Juli. WEGA-Männer unterstützten die deutschen Kollegen, Markus war dabei: "So ein Gewaltpotenzial hatte ich vorher auch noch nie erlebt", muss er gestehen. Sehr belastend wär es für ihn gewesen, die hochschwangere Gefährtin in Sorge zu wissen. "Aber dieser Einsatz war eine Riesenherausforderung für mich. Und Polizist zu werden, war bereits der Wunschtraum meiner Kindheit."

2005 ging er, dessen Vater auch schon Kriminalbeamter gewesen war, zur WEGA. "Ich wusste, da ist Action." Seither gehört der durchtrainierte und in Selbstverteidigung ausgebildete Beamte zu der Truppe, die zu heiklen Situationen gerufen wird. Von Bandenkriminalität bis zu schwerem Raub und bewaffneten Gefährdern reicht die Bandbreite an Zugriffszielen. "Man weiß immer erst im Nachhinein, was alles hätte passieren können", schildert Markus. "Im Moment des Einsatzes ist man nur darauf fokussiert, die Gefahr zu minimieren."
ANDERE PRIORITÄTEN. Seinen Traumjob nun ein wenig hintanzustellen, ist für ihn aber überhaupt kein Opfer. "Angelika hat mich mit Nicolas zum glücklichsten Menschen gemacht", freut er sich. Die Prioritäten haben sich total geändert. "Wir waren ja nie so Party People. Aber jetzt schaun wir nicht mal mehr unsere Lieblingsserien wie 'Homeland'", erläutert er. Fifty-fifty haben sie den Haushalt geteilt. Wobei er meint, für die Papa-Zeit noch an seinen Kochkünsten feilen zu müssen. "Ich kann eigentlich nix außer Frankfurter und Schnitzel", überlegt er. Aber Männer sind lernfähig. Markus ist der beste Beweis!

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