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Der Pandemie-Stress wird auch unseren Haustieren zu viel ...

Die anschmiegsame Katze wird zur fauchenden Furie, der ausgeglichene Hund wird zum nervösen Wrack. Tierärztin Nadja Affenzeller weiß, warum sich die Krise genauso auf die Tiere auswirkt. Und erklärt, wie wir den Vierbeinern helfen können.

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hunde katzen
© iStock

Die eigene Katze, die sich am Home Office-Schreibtisch niederlässt und dabei bedenklich nahe an Maus und Tastatur kommt, finden Frauchen und Herrchen eine Zeit lang noch ziemlich süß. Aber irgendwann fragt man sich schon, wie man ihr Manieren beibringen könnte ...

Dass die Katze ein, für den Menschen, der versucht zu arbeiten, problematisches Verhalten an den Tag legt, weil ihre Routine von der Pandemie durcheinander gebracht wurde erkennen dabei nur wenige TierbesitzerInnen, so Nadja Affenzeller. Die Veterinärin ist Expertin für Verhaltensmedizin und hat bei ihrer Arbeit an der VetMedUni Vienna tagtäglich mit Haustieren zu tun. Sie greift ein, wenn den Tieren der Stress zu viel wird oder aus einem problematischem Verhalten ein Verhaltensproblem, welches Tier und Mensch belastet wird

Zu viel Stress führt zu Verhaltensauffälligkeiten

Denn nicht nur uns Menschen geht es auf die Nerven, dass wir nicht wissen, wie es weitergeht. Die mangelnde Vorhersehbarkeit, die veränderte Routine und das zeitintensive Zusammensein auf engstem Raum stellen ebenso unsere Vierbeiner auf die Probe.

Wie sich das genau äußert? Indem sich das Verhalten des Tiers ändert oder manche Verhaltensweisen vermehrt auftreten. Haben Haustiere schon vor der Pandemie Problemverhalten gezeigt, sei das Risiko groß, dass man es nun mit besonders intensiven Auffälligkeiten zu tun habe, weiß Affenzeller aus ihrer Praxis. Dazu zählen unter anderem:

  • Stress und Nervosität
  • Heischen nach Aufmerksamkeit
  • Aggression gegenüber Artgenossen nimmt zu
  • Hunde bellen vermehrt
  • Probleme mit der Stubenreinheit

Ob eine solche Veränderung problematisch für das Zusammenleben ist, liegt im Auge des Betrachters, erklärt die Expertin und gibt ein Beispiel: "Wenn ein Hund beim Begrüßen plötzlich immer an einem hochspringen will, dann stört das manche BesitzerInnen gar nicht. Andere wiederum finden das richtig störend und sagen, dass der Hund ein Problem hat. In diesem Fall glücklicherweise eines, welches relativ einfach trainierbar ist."

Interessant ist, dass Hunde und Katzen unterschiedlich auf Stress reagieren. Während Hunde eher überkompensieren, ziehen sich Katzen zurück, weiß Affenzeller. Deshalb würde es manchen KatzenbesitzerInnen sehr schwer fallen, Verhaltensveränderungen gleich zu erkennen. Sie gehen einfach davon aus, dass ihr Tier besonders "ruhig" ist.

Wie kann ich meinem Tier helfen?

Am besten begibt man sich im Kopf wieder an den Ausgangspunkt, empfiehlt die Tierärztin: "Was habe ich vor dem Lockdown anders gemacht? Und wie schaffe ich es, den alten Tagesablauf an die neue Normalität anzupassen?" Folgende Praxistipps könnten dabei nützlich sein:

Gewohnten Tagesablauf beibehalten

So gut es im Lockdown eben geht, sollte man sich eine Routine angewöhnen. Durch die Vorhersehbarkeit ist das Tier weniger gestresst. Bei einem Hund trifft das natürlich auch aufs Gassigehen zu!

Spielregeln beibringen & sich daran halten

Auch wenn es schwer fällt, weil man den ganzen Tag zusammen im Home Office verbringt: Nicht auf jede erwünschte Interaktion des Tieres eingehen! Klar, aktive Spielminuten sind wichtig für die Beziehung und die geistige Auslastung. Doch die können nach einem Schema, beziehungsweise einer Routine ablaufen.

Auf die Bedürfnisse Rücksicht nehmen

Der Mensch will kuscheln – das Haustier geht auf Abstand. Und das ist okay so! Denn so wie wir nicht immer Lust auf Streicheleinheiten haben, brauchen auch unsere Vierbeiner mal eine Ruhe. Besonders rücksichtsvoll ist es, wenn man das Tier beim Namen ruft. Kommt es, kann gestreichelt werden. Bleibt es an seinem Platz, weiß man, dass es gerade nicht will.

Alleine beschäftigen

Manche Haustiere können sich sehr gut selbst ohne ihre DosenöffnerInnen beschäftigen. Wie wäre es also mit einem Spielzeug, das mit Futter gefüllt wird oder einer kleinen Leckerli-Schnitzeljagd in der Wohnung?

Im Notfall professionelle Hilfe holen

Wirkt das Haustier trotz Hilfsangeboten oder Rückzugsmöglichkeiten immer noch belastet, ängstlich oder nervös, dann ist es Zeit für professionelle Hilfe: "Wichtig ist, das Tier erst auf organische Probleme zu untersuchen", mahnt Affenzeller. "Ist die medizinische Seite abgeklärt, wissen TierpsychologInnen Rat."

Glückliche Symbiose – auch nach Lockdown & Pandemie?

Wir Menschen sind soziale Lebewesen: Gerade erleben wir eine wirklich schlimme, herausfordernde Zeit. Also sehnen wir uns nach Nähe und Liebe. Und da wir beides zurzeit nicht von unseren Liebsten einfordern können – außer, sie wohnen in derselben Wohnung – schauen wir uns nach kuscheligen Weggefährten um. "Studien zeigen, dass ein Leben mit Haustieren sehr viele gesundheitliche Benefits für uns Menschen hat", bestätigt die Ärztin. "Sie spenden Trost, regen unsere Glückshormone an und bringen Routine ins Leben. Dies alles wirkt sich positiv auf unsere seelische Stabilität aus."

Aber auch in einer solchen Ausnahmesituation gilt es, die Entscheidung, sich ein Haustier anzuschaffen, gründlich zu überdenken. "Ich sollte mich nicht fragen, ob das Haustier in Pandemie-Zeiten in mein Leben passt, sondern ob ich bereit bin, mich zehn, fünfzehn Jahre um Hund oder Katze zu kümmern", betont Affenzeller. Wenn man jetzt schon mit Gedanken wie "Ja, aber wenn ich dann wieder im Büro bin, weiß ich nicht genau …" herumspielt, dann solle man an das Tierwohl denken und vorerst keinen Vierbeiner adoptieren.

Themen: Tiere,
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