Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine zieht zwei Völker in einen Krieg, den keiner wollte. Nur Putin selbst. Abertausende Menschen leiden darunter und müssen mit den Konsequenzen leben. Auch die Sportwelt ist aus den Fugen geraten.
Gerade Russlands Athlet:innen, die in fast allen Bereichen in der Top-Liga spielen, werden plötzlich in eine Außenseiterrolle gedrängt, von Bewerben ausgeschlossen und diskriminiert. Dass sich bei diesen durchtrainierten Kraftmenschen im Hintergrund Dramen abspielen, kann man ahnen. Eines hat sich in der Nacht auf Mittwoch im mexikanischen Monterrey abgespielt.
Die ukrainische Tennisspielerin Elina zeigte den Aggressoren solidarisch die Rote Karte
Zunächst wollte die 27-Jährige gar nicht gegen ihre russische Gegnerin Anastassija Potapowa antreten. Es sollte ihr nicht nur eine sportliche Konkurrentin gegenüberstehen, sondern eine, deren Land Krieg gegen Switolinas Heimat führt. Zu groß waren ihre Vorbehalte, Ängste und vielleicht auch die Wut.
"Jedes Mal, wenn ich mit meinen Eltern und Freunden spreche, ist es schwer, Worte dafür zu finden, was mit der Ukraine passiert", sagte Elina in einem Eurosport-Interview. "Meine Eltern, meine Großeltern, mein Onkel und meine Tante leben dort. Ich versuche, regelmäßig mit ihnen zu sprechen. Ich durchlebe die schlimmste Zeit meines Lebens." Es sei ihr wichtig, den Kontakt aufrecht zu halten, zu erfahren, was passiere und wie sie helfen könne.
Und dennoch änderte die aus Odessa stammende Tennisspielerin, die 2017 vier Wochen lang auf Platz 3 der Weltrangliste stand, ihre Meinung. In letzter Sekunde. Aus einem Grund: Der internationale Tennisverband ITF sowie die Profiorganisationen ATP und WTA verurteilten am Tag vor dem Spiel den Einmarsch und verlangten von russischen und belarussischen Profis bis auf Weiteres nicht mehr im Namen und unter der Flagge ihrer Länder an Turnieren teilnehmen zu dürfen.
Switolina hatte dies, wie auch andere ukrainische Profis schon tags zuvor gefordert und das Zögern der Tennisfunktionäre kritisiert: Jetzt funktionierte es doch, auch weil ihre russische Gegenspielerin Anastassija Potapowa mit diesem Schritt einverstanden war und sich damit klar gegen Putin positioniert hat.
Elina Switolina spendet das Preisgeld
Und sie gewann – den für sie wohl wichtigsten Sieg ihrer Karriere. Nach zwei Sätzen (6:2, 6:1) gegen Potapova im Erstrundenmatch beim WTA-Turnier in Monterrey/Mexiko. Nach ihrem Matchball offenbarte die Ukrainerin, die in Nationalfarben spielte (Trikot gelb, Tennisrock blau), wie sehr ihr der Krieg zu Herzen geht. Sie schlug sich einige Male auf die Brust und sprach mit brüchiger Stimme:
"Um mich nicht länger ,nutzlos‘ zu fühlen", erklärte sie, "geht mein Preisgeld, das ich hier verdiene, an das ukrainische Militär. Im Falle des Turniersiegs wären das 28.000 Euro." Sie durchlebe "die schlimmste Zeit ihres Lebens", ergänzte Switolina noch, deren Eltern und ein Großteil der Verwandten in ihrer Heimat Ukraine geblieben sind. Mit ihnen sei sie, so oft wie möglich in Kontakt. Bei aller Traurigkeit sei sie "aber auch froh, dass ich hier Tennis spielen kann".
Ebenso emotional reagierte ihre Landsfrau Dajana Jastremska
Die 21-Jährige hatte sich die ersten zwei Kriegstage in einer Tiefgarage ihrer Heimatstadt Odessa verschanzt, konnte dann jedoch mit ihrer sechs Jahre jüngeren Schwester nach Frankreich flüchten. Und gewann in Lyon ihr Auftaktspiel gegen die Rumänin Ana Bogdan. Mit ihrem Herzen sei sie in der Heimat, mit ihrem Kopf auf dem Tennisplatz, sagt Dajana nach dem Spiel, in eine ukrainische Fahne gehüllt: "Ich kämpfe für mein Land und seine Helden." Sportliche Kämpfe, ausgetragen mit Verstand, der leider an anderer Front zu fehlen scheint.