Nach elf Jahren bei Bayern München wechselt Viktoria Schnaderbeck, Kapitänin des österreichischen Nationalteams, zum FC Arsenal - dem erfolgreichsten Club in der englischen Frauenliga. WOMAN.at hat mit der Steirerin über ihre Ziele für die kommende Saison, TV-Spots mit David Alaba, die Verstrickung von Politik und Sport und natürlich den Abgang von Trainer-Legende Arsène Wenger gesprochen.
Das wichtigste zuerst: Herzliche Gratulation zum Wechsel zu Arsenal! Welche Nummer wirst du haben?
Viktoria Schnaderbeck:
Die 22. Im Nationalteam hab ich die Nummer 11 - das ist meine absolute Lieblingsnummer und wenn man zwei mal 11 nimmt ist das 22 - das passt doch ganz gut. Das war eine der Nummern, die frei waren und ich habe sie gleich cool gefunden.
Wann geht’s so richtig los mit dem Training bzw. wann übersiedelst du nach London?
Viktoria Schnaderbeck:
Wirklich in London bin ich ab 9. Juli, der Umzug startet natürlich schon früher. Aber das übernimmt zum Glück ein Umzugsunternehmen bzw. organisiert der Verein.
Dein Cousin, Sebastian Prödl, ist ja auch in England und spielt dort für den FC Watford - ist es beruhigend Familie vor Ort zu haben?
Viktoria Schnaderbeck:
Das ist sehr angenehm. Er und seine Freundin haben schon angeboten mich in der neuen Stadt zu unterstützen. Ich will die Stadt natürlich aus meiner eigenen Perspektive kennen lernen - aber es ist immer gut jemand zu haben, der sich schon auskennt. Allein fürs Gefühl.
Was hattest du bisher für ein Verhältnis zu Arsenal - war das ein Lebenstraum, eines Tages dort zu spielen?
Viktoria Schnaderbeck:
Ich fand den Verein schon als Kind sympathisch - ihre Philosophie und ihre Art Fußball habe ich immer sehr interessant gefunden. Es war immer mein Wunsch in England zu spielen, weil schon länger absehbar ist, dass sich die dortige Liga extrem entwickelt und sehr professionell gestaltet wird. Dass es jetzt Arsenal wurde - das ist schon ein wahr gewordener Traum.
Inwiefern unterscheidet sich die englische von der deutschen Frauenliga?
Viktoria Schnaderbeck:
Im Frauenfußball ist die deutsche Liga bisher sicher die ausgeglichenste gewesen, über Jahre wurde dort auf hohem Niveau gespielt, es waren auch immer Vereine in der Champions League vertreten. In der englischen Liga ist Arsenal der erfolgreichste Club im Frauenfußball, in den letzten Jahren haben sich aber auch Chelsea und Manchester City professionalisiert und sich an die Spitze gesetzt. Arsenal ist da aber nach wie vor absolut dran. Gemessen an den Strukturen und den Auflagen wird die englische europaweit sicher mit die beste Liga werden.
Ist der Wechsel auch finanziell betrachtet ein Fortschritt?
Viktoria Schnaderbeck:
Bei Arsenal hat einfach das Gesamtpaket gepasst - das Finanzielle war nicht das Ausschlaggebende für mich.
Die Arsenal-Herren waren ja zuletzt durch den Abgang von Langzeit-Trainer Arsène Wenger in den Medien - hat dich sein Abschied irgendwie berührt?
Viktoria Schnaderbeck:
Auch wenn es mich nicht in dem Sinn berührt, ich habe es natürlich mitverfolgt. Das hätte ich aber in jedem Fall - unabhängig von meinem Wechsel. Arsène Wenger ist einfach eine Trainerlegende und feierte sehr viele Erfolge mit Arsenal, der Club hat ihm viel zu verdanken. Das würde man wahrscheinlich auf der ganzen Welt mitkriegen.
Wie ist das bei so großen Clubs wie Bayern München oder Arsenal - gibt es da überhaupt Kontakt zwischen den Männer- und Frauenteams?
Viktoria Schnaderbeck:
Bei Bayern war es so, dass es am ehesten dann Überschneidungen gab, wenn der Erfolg da war. Also gemeinsame Meisterfeiern zum Beispiel. Wenn ich daran denke, wie wir vor dem Rathaus gemeinsam die Meisterschale in Empfang genommen haben - das war schon sehr besonders und speziell. Ansonsten hat jeder sein Programm an verschiedenen Trainingsorten, da sieht man sich wenig. Aber wenn es um Promotion gegangen ist, haben wir schon gemeinsame Aktionen gemacht. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine, wo ich und David Alaba ein gemeinsames Interview gegeben haben.
Das Frauen-Team von Arsenal hat ja heuer in der Liga um drei Plätze besser abgeschnitten als die Herren. Was möchtest du in der kommenden Saison mit deinem neuen Team erreichen?
Viktoria Schnaderbeck:
Das Frauenteam von Arsenal hat ja nur um einen Punkt die Champions League Quali verpasst, was natürlich sehr schade ist. Sportlich gesehen ist es für mich klarerweise ein Ziel, in der Champions League zu spielen. Vor allem aber will ich erfolgreich sein und mich mit meiner Mentalität und Persönlichkeit einbringen. Ich will mich voll und ganz auf diese neue Herausforderung einlassen, weil das ist sowohl sportlich wie auch persönlich ein großer Schritt. Da werde ich sicher auch ein bisschen Zeit brauchen, um mich daran zu gewöhnen.
Die englische Fan-Kultur ist ja berühmt berüchtigt - nicht zuletzt durch diverse Filme. Wie ist das im Frauenfußball, ist da die Leidenschaft der Fans ähnlich groß?
Viktoria Schnaderbeck:
Da gibt’s natürlich Unterschiede, das ist klar. Aber um ein Beispiel zu nennen: Beim FA-Cup-Finale im Wembley Stadion, waren 50.000 Zuschauer als Arsenal gegen Chelsea gespielt hat - das ist schon eine phänomenale Zahl. Bei der englischen Nationalmannschaft - gegen die wir bei der EM gespielt haben - merkt man einfach, wie professionell das aufgezogen ist. Da wird offensichtlich, dass der Frauenfußball insgesamt sehr gepusht wird. Das fällt etwa auch meinem Cousin auf, dass in den englischen Nachrichten sehr regelmäßig über Frauenfußball berichtet wird.
Gleichzeitig gibt es in England auch viel Kritik an den extrem hohen Ticket-Preisen bei den Spielen der Herren. Das könnte vielleicht auch ein Anreiz sein, lieber die Spiele der Frauen zu besuchen.
Viktoria Schnaderbeck:
Absolut. Man braucht sich nicht um Tickets streiten oder ein Vermögen dafür ausgeben - es ist leistbar und man ist vor allem viel näher dran. Beim Männer-Fußball gibt es eine größere Distanz zwischen Publikum und Spielern - allein schon wegen der vielen Zuseher.
Die Fußball-EM der Frauen 2017 hat das österreichische Team in aller Munde und wahrscheinlich unerwartete Höhenflüge geführt - wie viel ist davon noch übrig? Oder anders gefragt: Wie viel von der Stimmung und Unterstützung kann man überhaupt konservieren?
Viktoria Schnaderbeck:
Da kann man schon viel mitnehmen bzw. Nachwirkungen erkennen: Etwa, dass regelmäßig Spiele oder Pressekonferenzen auf ORF Sport+ übertragen werden. Die mediale Präsenz ist deutlich gestiegen, auch was die österreichische Liga betrifft. Und wenn ich an die letzen Spiele daheim in der Südstadt denke - da war immer viel Publikum anwesend, die Stimmung war super. Die Wertschätzung ist also noch da.
Apropos mediale Präsenz: Im TV läuft derzeit ein Coca-Cola-Werbespot zur WM mit David Alba und Manuela Zinsberger. Ihre einzige Aufgabe ist, ihm ein Cola zu bringen und zu lächeln. Stört dich sowas?
Viktoria Schnaderbeck:
Ich habe den Werbespot noch nicht im Fernsehen gesehen. Aber mit dem Wissen, kann man das natürlich hinterfragen. Auf der anderen Seite: Vor ein paar Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass überhaupt eine Fußballerin in einer Coca-Cola-Werbung vorkommt. Ich versuche es von der positiven Seite zu sehen.
Wenn dich jemand fragen würde, ob du in dem Spot mitwirkst und deine einzige Aufgabe wäre, David Alaba eine Cola-Flasche zu bringen - würdest du „ja“ sagen?
Viktoria Schnaderbeck:
Nachdem wir jetzt darüber gesprochen haben würde ich es sicher anmerken und diskutieren - vielleicht könnte man ja das Storyboard noch ein bisschen umschreiben.
Zum Thema WM im Sommer: Wer wird Weltmeister?
Viktoria Schnaderbeck:
Für mich sind die Deutschen die Favoriten, weil sie einen sehr starken Kader haben und eine Turniermannschaft sind. Ob sich das bestätigt, werden wir noch sehen.
Wirst du viele Spiele anschauen oder interessiert einen das dann gar nicht mehr neben dem eigenen Sport?
Viktoria Schnaderbeck:
Teils Teils. Ich werd mir sicher ein paar Spiele anschauen, das hat ja auch einen sozialen Aspekt: Man schaut gemeinsam mit Freunden oder der Familie, das ist schön. Aber wenn ich mal frei habe, will ich auch nicht nur vor dem Fernseher sitzen und auf Biegen und Brechen alle Spiele verfolgen. Da kann ich mich auch durchaus für andere Sachen, abseits von Fußball, begeistern.
Die WM findet in Russland statt - das ist politisch kein einfaches Pflaster. Bist du dafür Sport und Politik strikt zu trennen, oder machst du dir Gedanken darüber, in welchem Land Wettkämpfe ausgetragen werden?
Viktoria Schnaderbeck:
Ich glaube im Sport gibt es immer viel Politik, weil Sport einfach eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt. In einem Land, wo die politische Grundstimmung schon recht angespannt ist, gibt’s eher Redebedarf. Aber letztendlich kann der Sport auch eine Chance bieten bzw. ein Vehikel sein, um gewisse politische oder auch gesellschaftliche Mißstände zu beheben. Man darf sich als Sportler nicht zu viel ablenken lassen, für die Fußballer bei der WM ist wichtig, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrieren und fokussiert bleiben.
Du hast im letzten Gespräch mit WOMAN gesagt, du willst nicht dauernd erkannt werden und beneidest deine männlichen Kollegen nicht darum. Hat sich das nach der vergangenen EM geändert? In London wirst du ja erst mal wieder eher unbekannt sein.
Viktoria Schnaderbeck:
Absolut. In München war das eigentlich auch OK, am ehesten wurde ich in Österreich nach der EM erkannt. Das war das erste Mal, dass sich da merklich was verändert hat. Aber im Grunde lebe ich nach wie vor sehr unkompliziert und ohne große Einschränkungen. Das genieße ich.
Du hast ja auch einen „Plan B“ und Sportmanagement studiert. Wo siehst du dich nach dem aktiven Fußball?
Viktoria Schnaderbeck:
Meinen Bachelor in Sportmanagement habe ich abgeschlossen und inzwischen sogar schon mit dem Master begonnen. Allerdings in Wirtschaftspsychologie, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, dass ich nach dem Fußball gerne mit Menschen zusammen arbeiten würde. Etwa in Form von Beratung oder Coaching. Aber: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das alles Gedankenspielerei, die nächste Station ist jetzt einmal Arsenal.
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