So schleichend immer mehr zum Couch-Potato geworden? Im Winter haben wir unser schlechtes Gewissen ja noch mit allen möglichen Ausreden – zu dunkel, zu kalt – beruhigen können. Aber jetzt, wo die Tage wieder länger und die Luft immer lauer wird, gehen uns langsam die Gründe fürs Faulsein aus. Zeit ist's für eine neue Strategie, und die lautet: (Wieder-)Einstieg ins sportliche Leben. Genau jetzt ist der ideale Zeitpunkt. Wenn die Natur wieder erwacht, können wir uns gleich anschließen und neue Energie rekrutieren. Bis zum (Bikini)-Sommer ist außerdem noch ausreichend Zeit, um in Form zu kommen. Aber nicht zu früh freuen: Der innere Schweinehund ist ein sturer Torpedierer. Weiters können schlechte Erfahrungen etwa durch Überforderung, Unwissenheit, falsches Training und enttäuschte Erwartungshaltung erste Fitness-Euphorien gleich wieder begraben. Wir haben mit einem Experten gesprochen, wie man all diese Probleme aus dem Weg räumt, egal was hinter der Sportpause steckt. Hier geht es zum Neustart!
Wie gelingt der Wiedereinstieg?
"Schritt für Schritt und mit viel Gelassenheit", betont Trainingsexperte Hannes Woschner (five-fitness.at). "Hat man sich endlich dazu aufgerafft, es jetzt durchzuziehen, wollen viele die davor liegende Dürrezeit mit einem zu hohen Trainingspensum kompensieren. Das kann aber schnell überfordern." Realistisch wäre zum Beispiel, mit zwei gemäßigten Einheiten pro Woche zu starten, ein Krafttraining und eine Ausdauersession, und diese langsam zu steigern. Wichtig ist die regelmäßige Verteilung über die Woche. Es bringt nichts, von Montag bis Freitag nichts zu tun und am Wochenende alles nachholen zu wollen. Da sind Muskelkater, Überforderung, Frustration vorprogrammiert.
Wie lange muss eine Einheit dauern, damit sie als Sport zählt?
Vorsicht vor Studien, die die perfekte Fitness mit fünf Minuten täglich hochintensiver Anstrengung versprechen. Wer ohnehin dauernd in Bewegung ist, für den mag das tatsächlich reichen. Für alle anderen leider nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten Bewegung pro Woche mit mittlerer und 75 Minuten mit hoher Intensität. Ein guter Ansatz ist, den Puls jeweils eine halbe Stunde lang spürbar zu steigern, sodass man ins Schwitzen kommt. Woschner betont auch, dass drei, vier kürzere, aber etwas intensivere Einheiten pro Woche mehr bringen als zwei längere, moderate.
Zählt Alltagsbewegung auch zum Training?
Jein. Je mehr wir uns unter Tags bewegen, desto besser. Und hier gibt es auch jede Menge Möglichkeiten. Ein Stück zu Fuß in die Arbeit oder zum Einkaufen gehen. Treppen steigen. Beim Telefonieren herummarschieren. Radfahren statt im Auto sitzen. Diese Aktivität zwischendurch kurbelt den Fettstoffwechsel an, bringt den Kreislauf in Schwung, hält also das System am Laufen. Sport wird es allerdings erst, wenn wir dabei auch ins Schwitzen kommen. Nur so können wir unsere Leistungsfähigkeit steigern. Ausschlaggebend ist übrigens auch der Mix. Die Grundlage ist immer Krafttraining, vor allem, weil mit zunehmendem Alter die Muskelmasse kontinuierlich abnimmt. Der Vorteil ist, dass man es ganz leicht zu Hause durchführen kann, Übungen mit dem eigenen Körpergewicht oder zusätzlichen Gewichten etwa. Wenn du lieber ins Fitnesscenter gehst, besuche Kurse wie Deep Work oder Langhanteltraining. Weitere gute Workouts: Boxen, Crossfit, Pilates oder intensivere Yogaarten wie Vinyasa Flow oder Ashtanga. Dazu kommt Ausdauertraining. Das kann Walken, Laufen, regelmäßiges Wandern, Schwimmen, Radfahren, Rollerbladen, Stand Up Paddling sein.
Wann spürt man erste Veränderungen?
Das geht zum Glück relativ schnell. "Bereits nach zwei bis drei Wochen fühlen sich die meisten Neo-Sportler, die zu mir kommen, allgemein wohler und fitter, entwickeln etwas Kraft und kommen nicht mehr so schnell außer Atem", erzählt Trainer Woschner. Bis man das Training auch sieht, dauert es etwas länger. In zwei bis drei Monaten zeigt sich das Workout auch an den Körperkonturen. Dann bemerken im Normalfall auch Außenstehende, dass sich etwas tut, der Körper straffer ist, die Kilos schwinden. Achtung, je nach Ausgangslage und Training kann das Gewicht am Anfang sogar etwas in die Höhe gehen, vor allem bei an sich schlanken Menschen, die mit Krafttraining durchstarten. Denn Muskeln wiegen mehr als Fett. Optisch ergibt sich im Vergleich zur Waage aber genau der umgekehrte Effekt, weil sich das Fett ja trotzdem verabschiedet. Dafür werden die Körperkonturen definierter.
Geht's allein oder braucht's Profi-Hilfe?
Gerade wenn man lange keinen Sport gemacht hat, ist das eigene Körpergefühl meist nicht besonders gut ausgeprägt. Fürs richtige Training braucht es aber, wie für alles andere auch, Wissen. Deshalb empfiehlt Woschner: "Gönnen Sie sich zumindest ein paar Einheiten mit Personal Trainer. Oder suchen Sie sich ein Studio mit kleinen Gruppen, die von gut ausgebildeten Experten geleitet werden." Die achten nämlich darauf, dass Sie die Übungen auch richtig ausführen. Sonst besteht Verletzungsgefahr. Ebenso vernünftig: Lassen Sie sich vom Arzt durchchecken.
10 Kilo in 2 Monaten – realistisches Ziel?
Nein. Einzige Ausnahme: bei sehr starkem Übergewicht. Auch wenn Trainingsprogramme oder Diäten sensationelle Veränderungen versprechen: Es geht nicht von heute auf morgen. Immerhin haben wir ja auch länger gebraucht, um in den aktuellen Status hineinzurutschen. Raus kommt man aber Gott sei Dank viel schneller. Als Faustregel beim Gewicht gilt: 0,5 bis 1 Kilo weniger pro Woche sind realistisch. Das ist wirklich Fett, das sich verabschiedet, nicht gespeichertes Wasser. Das gilt natürlich nur, wenn man auch das Ernährungsverhalten entsprechend anpasst. Mehr Sport ist keine Ausrede dafür, dass man wahllos isst, was einem in die Finger kommt. So viele Kalorien, wie die meisten denken, werden leider nicht verbrannt. Iss viel Gemüse, setze auf Low Carb, vor allem am Abend, verzichten Sie auf Snacks und süße Getränke, und halte dich beim Naschen zurück. Wenn es nicht ohne geht, dann z. B. einmal am Tag, gleich nach dem Essen ein kleines Stück Kuchen oder eine Rippe Schokolade.
Wie finde ich die perfekte Sportart für mich?
Ausprobieren. Gibt es einen Sport, den du als Jugendliche gemacht hast? Knüpfe da an. Suche dir Gleichgesinnte zum Walken oder Radfahren. Experte Woschner rät: "Vereinbaren Sie mehrere Probetrainings. Die meisten Studios bieten günstige Schnupperstunden an. Wenn es nicht richtig furchtbar für Sie war, gehen Sie wieder hin. Dann weiß der Körper schon, was ihn erwartet, Sie können besser beurteilen, ob es Spaß macht." Dranbleiben hat übrigens auch viel mit der Atmosphäre im Studio zu tun. Die Trainer müssen einem sympathisch sein, ebenso die anderen Mitglieder.
Was mache ich, wenn ich übergewichtig bin?
Zum Einstieg ist Schwimmen eine gute Möglichkeit. Durch den Auftrieb im Wasser wird der Körper entlastet. Auch Radfahren ist eine schonende Alternative. Wenn du lieber zu Fuß unterwegs bist, beginne mit Walken, das ist gelenkschonender als Laufen. Wenn du nicht ins Studio gehen willst, mache zu Hause YouTube-Workouts.
Zu viel Sport – geht das?
Ja, schon. Vor allem Sport-Frischlinge sind da gefährdet. Die Motivation ist überbordend, die Muskelkraft ist unterdurchschnittlich. Diese Kombination mit einer ordentlichen Portion Selbstüberschätzung kann zu heftigem Muskelkater, Überforderung oder sogar Verletzungen führen – extrem frustrierend. Was viele vergessen: Der Körper muss sich auch erholen. Erst in der Regenerationsphase bildet er neue Muskelfasern, hat das Herz-Kreislauf-System Zeit, alte Ablagerungen abzutransportieren, baut sich neue Lungenkapazität auf. Aber Achtung, die Regenerationsphase darf keine neue Ausrede werden. Als Faustregel gilt: Hat man zwei Tage trainiert, ist ein Tag Pause gut. Zum Einstieg reichen zwei Einheiten pro Woche, die steigert man schnell auf drei oder vier.
Welche Ausrüstung ist für den Neustart nötig?
Viel weniger, als man glaubt. Sporthose, T-Shirt und Turnschuhe reichen. Es muss auch nicht das neueste und teuerste Modell sein. Anfangs geht es darum, ein Gefühl für den Körper zu entwickeln, Spaß an der Bewegung zu bekommen. In weiterer Folge können neue Schuhe oder coole Sportmode aber ein guter Ansporn fürs Training werden.
Wie halte ich den inneren Schweinehund in Schach?
Durchhalten ist tatsächlich die schwierigste Disziplin beim sportlichen Neustart. Darum ist das oberste Gebot: Spaß muss es machen! Trainiert man nur, weil es der Arzt empfiehlt, wird man nicht dabeibleiben. "Tragen Sie sich die Einheiten als fixe Termine ein. Der Kalender ist Ihr wichtigster Verbündeter gegen den Schweinehund", betont Woschner. Setze dir Ziele, z. B. eine Laufstrecke in einer gewissen Zeit, an einem Wettbewerb teilnehmen, eine oder zwei Kleidergrößen weniger bis zum Urlaub, zehn Liegestütze schaffen etc. Gönne dir eine Belohnung, wenn du das Ziel erreicht hast, z. B. diese unglaublich lässigen Leggings. Und sei auf der Hut vor alten Mustern. Sechs Wochen dauert es, bis sich das neue Lifestyle-Regime im Gehirn verankert hat, so lange musst du durchbeißen. Der Vorteil: Kippst du, aus welchem Grund auch immer, wieder einmal aus der Sportroutine hinaus, fällt der Wiedereinstieg wesentlich leichter.
Mit dem richtigen Mix gelingt der Einstieg
Kraft
Grundlage: Muskelmasse ist die Basis für ein sportliches Leben. Da die aber ab dem 30. Lebensjahr kontinuierlich weniger wird, ist Gegensteuern erste Pflicht. Das sorgt für Stabilität, aufrechte Haltung und straffe Konturen.
Ausdauer
Langer Atem: Ist das Herz-Kreislauf-System trainiert, muss das Herz für die gleiche Arbeit weniger oft schlagen. Die Durchblutung wird besser, das steigert die Sauerstoffversorgung, man wird leistungsfähiger.
Teamsport
Spaßfaktor: Passen Kraft und Ausdauer, kann man auch früher ausgeübte Sportarten wieder aufnehmen. Du hast Tennis geliebt? Kein Problem mit der richtigen Grundlage. Ebenso bei Volley-, Basketball, Hockey, Badminton.
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