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Wann ist der richtige Zeitpunkt fürs Kinderkriegen?

Mütter über 40: heute keine Seltenheit. Ein Baby noch im Schulalter: keine Katastrophe mehr. Für Frauen hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert. Eine junge und eine ältere Mama erzählen, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind.

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Wann ist der richtige Zeitpunkt?

SICHTWEISE. Ildiko Nagl (l.) mit Konrad und Tanja Filzmaier diskutieren über unterschiedliche Erfahrungen als Mutter.

© Monika Saulich

Das perfekte Alter, um ein Baby zu planen, gibt es nicht. Vor- und Nachteile sind individuell verschieden, und irgend etwas passt immer nicht optimal: Der richtige Partner fehlt, die Ausbildung ist nicht abgeschlossen, gerade winkt der Karrieresprung. Klar ist laut aktueller Statistik der Trend zum späteren Mutterglück. 2017 gab es in Österreich 87.258 Geburten. Davon waren 14.000 Mütter zwischen 35 und 40 Jahren, etwa 3.000 erwarteten ihr erstes Kind zwischen 40 und 45.1.700 Schwangere waren unter 20.

Das Team von "YoungMum" im Krankenhaus "Göttlicher Heiland" in Wien lässt junge Frauen, die ungeplant schwanger werden, in dieser schwierigen Zeit nicht allein. Auch Tanja Filzmaier fand dort mit knapp 18 Jahren Unterstützung: "Man hat mich einfach ernst genommen." Ildiko Nagl, 42, wiederum erwartete mit 37 Jahren ihren ersten und mit 41 ihren zweiten Sohn: "Beide waren ersehnte Wunschkinder." Bei unserem Gespräch im Stillraum der "YoungMum"-Einrichtung geben die beiden überraschende Einblicke in ihr Leben als Mutter:

Rückblick: War der Zeitpunkt Ihrer Schwangerschaft ideal?
FILZMAIER: Fabio war ungeplant, aber nicht ungewollt. Anfangs war es ein Schock. Ich habe viel an die Zukunft gedacht und wie ich eine Ausbildung mit einem Kind hinbekomme. Nach einem Monat waren diese Zweifel vorbei, und ich konnte die Geburt gar nicht mehr erwarten. Natürlich ist es nicht einfach. Ich wohne noch bei meinen Eltern, mein Freund Julian bei seiner Mama. Aber wann ist schon der optimale Zeitpunkt? Mit Mitte 20 etabliert man sich gerade beruflich. Dann ist es auch unpassend.
NAGL: Das hat sehr viel mit persönlicher Reife zu tun. Die kann eine 18-Jährige haben, aber eine 40-jährige nicht unbedingt. Zu spät oder zu früh gibt es nicht. Meine zwei Jungs waren Wunschbabys. Ich habe meinen Mann einfach so spät kennengelernt. Dann wollten wir relativ schnell ein Kind. Mit dem Großen, Freddy, bin ich ganz einfach schwanger geworden - und dann hat es mit 41 tatsächlich bei noch einem geklappt.

»Mutterschaft hat viel mit persönlicher Reife zu tun. Die kann eine 18-Jährige haben und eine 40-Jährige nicht.«

Hatten Sie nicht auch Ängste?
NAGL: Ich bin generell sehr vorsichtig, aber gesundheitlich habe ich mir keine Gedanken gemacht. Obwohl ich sicher öfter als vorgeschrieben beim Arzt war. Sonst war ich eher gelassen. Meine Jungs waren und sind sehr unkompliziert. Nur beruflich war nicht ganz klar, ob ich das mit Karenz und Mutterschaft schaffe. In der Steuerberatungskanzlei, in der ich arbeite, hat man sich natürlich über meine Schwangerschaft gefreut, aber mich auch gebeten, mir Gedanken über meine berufliche Zukunft zu machen. Aber es klappt eigentlich alles sehr gut. Als Konrad vier Monate alt war, habe ich wieder begonnen, in der Kanzlei zu arbeiten. Von daheim aus mit etwas weniger Stunden.
FILZMAIER: Ähnliche Sorgen kenne ich auch. Während der Schwangerschaft war ich gerade im Maturajahr und hatte Angst, dass ich es nicht schaffe. Die Prüfungswiederholung wäre terminlich mit der Geburt zusammengefallen. Aber es hat geklappt. Danach wollte ich zwei Jahre daheim bleiben. Meine Eltern und mein Freund, der gerade eine Ausbildung macht, haben mich bei allem sehr unterstützt und machen das noch immer. Jetzt studiere ich.

Wann fühlen Sie sich überfordert?
FILZMAIER: Eigentlich nicht oft. Nur während des Studiums musste ich für ein Praktikum sechs Wochen lang 40 Stunden arbeiten und währenddessen auch noch Prüfungen ablegen. Das war sehr anstrengend. Ich hatte kaum Zeit mit Fabio. Das steht mir auch wieder bevor, aber da muss ich durch. Schlaflose Nächte haben mir nichts ausgemacht. Ich bin ja früher öfter sehr lange ausgegangen und musste am nächsten Morgen in die Schule. Das war Training.
NAGL: (lacht) Na ja, ich kenne das schon, dass ich da sehr, sehr müde war. Wenn ich berufliche Telefonate erledigen muss, mich der Kleine braucht und ich den Größeren eigentlich schon vom Kindergarten abholen müsste, stöhne ich. Mein Mann erfüllt natürlich auch seine Papa-Rolle, aber vor 20 Uhr kommt er selten aus dem Büro.

Wurden Sie mit Vorurteilen konfrontiert?
FILZMAIER: Es gab einige positive und auch negative Kommentare. Mein Papa hat etwas länger gebraucht, zu akzeptieren, dass sein kleines Mädchen jetzt erwachsen ist und ein Kind bekommt. Und als Fabio noch ein Baby war, bin ich öfter auf der Straße von Fremden gefragt worden: "Wie alt bist denn du?" Die wollten nicht das Alter meines Kindes wissen, sondern meines. Das muss man sich einmal vorstellen! Und als ich mit Fabio einmal ins Krankenhaus musste, hat man mich nicht ernst genommen. Das Personal hat immer mit meiner Mutter gesprochen, die mich begleitet hat. Obwohl sie wussten, dass ich die Mama bin. Jetzt ist mein Kleiner im Kindergarten. Da werde ich nicht anders behandelt als die anderen.
NAGL: Es gibt ja interessante Vorurteile. Wenn man, wie ich, mit der Frage konfrontiert wird:"Warum erst jetzt?", glauben viele eine Erklärung zu kennen. Dann heißt es, weil die Frauen vorher fertig studieren oder Karriere machen wollten. Ich kenne keine Frau, bei der das zutrifft. Es ist eher so, dass man den passenden Partner später findet. Die Karriere ist manchmal eine Ersatzlösung. Ich denke, alles was unter 20 und über 40 ist, hat nichts mit einer bewussten Entscheidung zu tun.

Welche Ihrer persönlichen Ansichten über das Muttersein treffen zu und welche nicht?
FILZMAIER: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich Freunde verliere. Ich dachte, sie stehen alle hinter mir. Das war eine Enttäuschung, einige sind nicht damit klargekommen, dass ich jetzt ein Baby habe. Aber mein Kind steht jetzt an erster Stelle und nicht mehr meine Freunde.
NAGL: Wenn man älter ist, hat man bestimmte Gewohnheiten und Ansprüche. Privat und beruflich. Es fällt schwer, die einfach abzulegen. Zum Beispiel Ordnung halten. Ich dachte, das werde ich im Griff haben. Aber im Gegenteil: Man muss lernen, im Chaos zu leben. Auch mein Mann hat das mittlerweile eingesehen. (lacht)

Wann haben Sie das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen?
NAGL: Verzichten nicht unbedingt. Ich rufe Freunde nicht zurück. Das hätte ich früher nie gemacht. Und wenn ich keine Zeit für mich selbst habe. Ich war es gewohnt, zu tun, was ich wollte und wann ich es wollte.
FILZMAIER: Mein Sohn und mein Freund sind ohnehin am wichtigsten für mich. Aber ja, es gibt so Momente ... Eine meiner Freundinnen fliegt im Juli für einen Monat nach Thailand. Da bin ich dann schon ein bisschen neidisch. Und nach der Matura wollte ich Interrail machen, das ging alles nicht. Aber ich denke, ich kann das in ein paar Jahren nachholen. Und für große Reisen habe ich derzeit ohnehin kein Geld, das kommt dann später.
NAGL: Ja, Sie können das dann alles spätestens mit 30 machen. Bei mir war es umgekehrt. Ich habe Fernreisen und Karriere in meinen 20ern erlebt. Wenn ich jetzt mit den Kindern Urlaub am Bauernhof mache, anstatt in Chile, denke ich nicht: Oh Gott! Ich verpasse etwas. Die Reihenfolge ist anders.

Man sagt, ältere Mütter sind gelassener. Wie ist das bei Ihnen?
NAGL: Gelassen ist nicht das richtige Wort. Eher abgeklärter. Ich renne meinen Kindern sicher nicht ständig nach. Helikopter-Mama bin ich sicher keine.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen in der Zukunft?
FILZMAIER: Ich möchte in erster Linie mein Studium schaffen und in ein bis zwei Jahren mit meinem Freund zusammenziehen. Und später weitere Kinder haben.
NAGL: Es gibt keine Fragezeichen mehr in meinem Leben. Ich will nicht mehr weit verreisen. Ich habe beruflich eine großartige Flexibilität, und das bleibt hoffentlich so. Die Jungs bleiben als Herausforderung für die nächsten Jahre. Natürlich mache ich mir ab und zu Gedanken, wie es in zehn oder 20 Jahren sein wird. Mit 60 muss ich es mit zwei 20-jährigen Burschen aufnehmen. Ich muss nur geistig und physisch fit bleiben. (lacht)

Wann ist der richtige Zeitpunkt?
SCHWANGER MIT 41. Die Niederösterreicherin lernte ihren Mann erst spät kennen. Mit 37 Jahren bekam sie Wunschkind Freddy, mit 41 folgte Sonnenschein Konrad: "Die Buben sind mein größtes Glück. Mehr geht nicht." ILDIKO NAGL, 42, MIT KONRAD, 9 MONATE, STEUERBERATERIN


Wann ist der richtige Zeitpunkt?
MIT 18 SCHWANGER. Die Wienerin erwartete in ihrem Maturajahr ihr Baby. "Das war eine schwere Zeit. Aber nach zwei Monaten habe ich mich gefreut." Ein Leben ohne Fabio? "Nicht vorstellbar!" TANJA FILZMAIER, 21, MIT FABIO, 2,5 JAHRE, STUDENTIN


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