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Warum trennen sich Paare in der Krise und wie gehen wir am besten damit um?

Auch in Liebesdingen ist nun vieles anders: Wie lerne ich jetzt jemanden kennen? Wie können wir uns in einer Beziehung besser auf einen möglichen zweiten Lockdown vorbereiten? Und wie kann ich jetzt mit Liebeskummer am besten umgehen, wenn man seinen Frust nicht "wegfeiern" kann? 5 Fragen an einen Beziehungspsychologen.

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Warum trennen sich Paare in der Krise und wie gehen wir am besten damit um?
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Wieland Stolzenburg ist Beziehungspsychologe und Autor mehrerer Ratgeber. Er begleitet Menschen auf dem Weg zu erfüllenden Beziehungen und einem zufriedenen Leben - mit seinen Büchern und in seiner Arbeit als Psychologe und Therapeut. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Themen rund um Partnerschaft, Lebenszufriedenheit und Persönlichkeitsentwicklung. Also genau der richtige Interviewpartner, wenn man wissen will, was genau in der Quarantäne-Zeit mit unseren Beziehungen passiert ist:

Während der Ausgangsbeschränkungen haben viele Paare deutlich mehr Zeit miteinander verbracht, als sie es eigentlich gewohnt sind. Das funktioniert nicht immer. Wieso gibt es jetzt mehr Stress?
Wieland Stolzenburg: Während dieser Zeit waren Paare mit zwei neuen Herausforderungen konfrontiert: Zum einen die Unsicherheiten und Ängste, welche Auswirkungen die Pandemie auf ihr Leben, ihre Existenz und Zukunftspläne haben wird. Das führte zwangsläufig zu mehr Anspannung und Stress, welcher sich direkt auf die Paarbeziehung auswirkt. Und zum anderen der lange Zeitraum, in welchem sich Paare ungewollt nicht aus dem Weg gehen konnten. Es gab weniger oder keine Möglichkeiten mehr Sport zu treiben, Freundinnen und Freunde zu treffen oder eben die Dinge zu tun, um abzuschalten, Kraft zu schöpfen und Zeit für sich zu haben. Paare waren dann gezwungen einen Weg mit dieser neuen Situation zu finden: Manche hat es mehr zusammengeschweißt, bei anderen sind die Schwierigkeiten – welche ja häufig schon länger vorhanden, aber nicht gelöst wurden - erst richtig sichtbar geworden.

Oft hilft es, einen Konflikt erst mal abkühlen zu lassen, etwas Zeit getrennt voneinander zu verbringen und dann nochmal in Ruhe das Gespräch zu suchen. Was kann man tun, wenn das nicht geht, weil man zusammen in der gemeinsamen Wohnung bleiben muss?
Wieland Stolzenburg: Es gibt mehrere Möglichkeiten, um eine solche Herausforderung zu meistern. Mit anderen Paaren habe ich häufig Routinen für den Tag erarbeitet: Jeder der beiden bekommt beispielsweise 2 Stunden das Arbeitszimmer für sich und wird dabei nicht gestört, oder beide gehen getrennt voneinander spazieren, um zumindest etwas durchschnaufen zu können. Solche kleinen Inseln der persönlichen Zeit können unglaublich hilfreich sein. Zudem ist die Kommunikation noch wichtiger: der offene und wertschätzende Austausch. Dabei ist es wichtig, dass Paare nicht die großen heißen Themen anpacken, welche vielleicht schon seit Jahren schlummern, sondern sich mit dem befassen, was sich aktuell zeigt, wie es ihnen aktuell geht.

Und wenn es wirklich zu einer Trennung kommt, wie gehe ich in dieser Zeit voller Unsicherheiten am besten damit um?
Wieland Stolzenburg: Wir hatten nahezu alle den Eindruck, dass es nach dem Ende des Lockdowns mehr Trennungen gab. Zumindest aus China kennt man Zahlen, die auch auf vermehrte Trennungen und Scheidungen hinweisen. Ein Beziehungsende während der Conona-Pandemie kann die Trennungsverarbeitung erleichtern oder erschweren. Sich zum Beispiel weniger ablenken zu können, kann schmerzhaft sein – oder es zwingt einen quasi dazu, sich wirklich mit den eigenen Gefühlen zu befassen und man kommt vielleicht damit schneller aus dem Tal der Tränen. Oder Freundinnen ud Freunde haben plötzlich mehr Zeit, einen zu unterstützen – und sei es nur am Telefon. Existenz- oder Zukunftsängste können natürlich wesentlich größer sein, wenn in vielen Lebensbereichen Unsicherheit herrschen oder es zu Verlusten kommt.

Ausgehen und den Frust wegfeiern fällt im Moment ja flach. Was ist die beste Alternative?
Wieland Stolzenburg: Liebeskummer ist für jeden Menschen individuell und doch gibt es viele Ähnlichkeiten im Verarbeitungsprozess. Alle frisch Getrennten sind also aufgefordert, die Dinge für sich zu finden, die ihnen am meisten helfen und sich zu informieren. In meinem Buch "Liebeskummer heilen" habe ich die wichtigsten Themen in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung zusammengetragen. Einer der wichtigsten dabei ist es, seine Gefühle zuzulassen und nicht gegen Trauer, Wut oder Ohnmacht anzukämpfen. Dazu gibt es viele Übungen und Aufgaben, damit diese Herausforderung gelingt. Denn häufig lernen wir in unserem Leben nicht, wie wir mit sogenannten negativen Gefühlen umgehen und verhalten uns dann leider oft kontraproduktiv. Doch das Gute ist: Wenn wir die richtigen und wichtigen Schritte gehen, können wir Liebeskummer überwinden und gestärkt zurück ins Leben finden.

Wenn ich bereit für einen Neustart bin, wie kann ich während der Corona-Phase jemanden kennenlernen?
Wieland Stolzenburg: In der aktuellen Zeit potenzielle Partnerinnen und Partner kennenzulernen, ist nur natürlich nicht so einfach wie vorher. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man jemanden vor allem dann kennenlernt, wenn man es nicht versucht zu erzwingen. Vielleicht ist die Corona-Zeit die beste Möglichkeit, einmal die Vorstellung loszulassen, eine Beziehung haben zu müssen und diese Zeit für sich zu nutzen: Indem man seine Lebenszufriedenheit unabhängig von einer Partnerschaft finden oder man sich mit sich und seiner Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzt. Das ist ein möglicher Umgang. Ansonsten kann man natürlich auch Online-Dating nutzen. Dabei würde ich empfehlen, dass man nach ein paar Mails bald telefoniert, weil man dann viel schneller als per Mail herausfindet, ob es grundsätzlich passen könnte.