Es klingt ein bisschen pathetisch, kann aber was: sich in seinem Körper wohl und zu Hause zu fühlen. Man spürt sich besser, nimmt Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Bewegen oder Relaxen ganz von selbst wahr. Aber so schön die Vorstellung, so ernüchternd die Realität. Denn laut einer Umfrage des Magazins "Stern" sind 91 Prozent der deutschen Frauen mit ihrem Körper unzufrieden, 45 Prozent haben dabei ein als gesund zu bezeichnendes Gewicht. In Österreich wird das nicht viel anders sein.
"Unzählige Frauen liegen jahrelang wegen ihres verdrehten Körperbildes auf der Couch von PsychotherapeutInnen oder bereiten sich zumindest viele stressvolle Momente, nur weil ihr Äußeres nicht dem Idealbild entspricht", führt Katrin Jonas vor Augen. "Die Körper-Mind-Therapeutin, Meditationsmentorin und Autorin befasst sie sich in ihrem neuen Buch "Nackt. Das Körper-Versöhnbuch für Frauen" mit dem Thema Körperobsessionen. Und sagt, wie man eine positive Beziehung zu seiner Figur auf bauen kann.
Sie kreiert für ihre Leserinnen eine "Me-Time-Lounge" mit vielen Gedankenanregungen zur Selbstreflexion und über 30 Versöhnübungen wie: "Sich selber zuhören, welche Aussagen man über den eigenen Körper trifft." Oder: "Wie man sich mit der Herzens-Energie verbindet." Von den drei Kapiteln zu Körperbild/Figur, Ernährung & Sexualität haben wir uns auf das erste konzentriert, das gewissermaßen Grundlage für alles ist. Wir sprachen mit der Autorin zu einem echt heißen Thema:
Viele Frauen spüren sich nicht mehr
Die Frauen, die zu Ihnen kommen, haben eines gemeinsam: Sie mögen ihren eigenen Körper nicht.
JONAS: Genau. Sie klagen meist auch über Beschwerden wie Schmerzen, Stressreaktionen, Schlaflosigkeit und fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Manche haben 20 Diäten hinter sich, powern sich regelmäßig bei Workouts aus und sind noch immer unzufrieden mit ihrem Äußeren. Oft stellt sich heraus, dass die körperlichen Beschwerden eine Folge dessen sind oder etwas ganz anderes dahintersteckt.
Was denn zum Beispiel?
JONAS: Etwa das unbewusste Gefühl, nicht gut genug zu sein. Das wird an der Figur festgemacht und kann sogar zu Essstörungen führen.
Wenn es aber wirklich um Übergewicht geht, das ja auch nicht gesund ist, da kann man doch einfach nicht zufrieden sein.
JONAS: Wenn eine Frau sich in ihrem Leben wohlfühlt, sich verwirklichen kann, ist das Gewicht kaum je Thema. Ein wirklich massives Übergewicht entsteht meist durch Kompensationsessen. Viele Frauen stopfen alles rein, um sich nicht zu spüren. Sie sind frustriert, gestresst, nicht zufrieden mit dem, was sie tun. Das gleichen sie oftmals durch Essen aus.
Wie kann man sich das genau vorstellen?
JONAS: Es kann sein, dass eine Frau des Familienmanagements wegen zurückstecken muss, Potenziale nicht entfalten und Talente nicht leben kann. Oder dass sie irgendwann mal Ja gesagt hat zu einem Job, in dem sie nun versauert. Sie hat aber nicht den Mut, sich einen anderen zu suchen. Oder sie ist unglücklich in der Partnerschaft. Das alles kann zu wahllosem Essen führen.
Auch wenn man nur maßvoll Hüftgold angesammelt hat, ist doch eine Situation typisch: Man möchte soooo gerne diese Hose wieder anziehen, und dann passt sie einfach nicht. Da soll man nicht verzweifeln?
JONAS: Es hilft vielleicht zu bedenken: Die Kleidung ist nicht für uns als Individuum gemacht. Es ist eigentlich ein Glücksfall, wenn wir in etwas passen. Ich gehe in bestimmte Geschäfte einfach nicht mehr, weil ich weiß, da gibt es nichts für mich mit meinen Rundungen. Die Kleidung muss nämlich mir passen und nicht umgekehrt ich in die Klamotten. Aber natürlich können Sie auch beobachten, welcher Film dabei in Ihnen abläuft. Wenn es wieder in die Richtung geht: Ich bin nicht gut und nicht schön genug - dann wäre das eine Gelegenheit, mal nachzugraben. Wer hat mir diese Idee in den Kopf gesetzt? Denn kein einziger Mensch wird mit einer Körper-Aversion geboren. Kein Kind denkt, dass es unattraktiv ist oder nicht gefallen könnte. Darauf kommt es erst, vor allem Mädchen, wenn es lernt: Ich sollte schön aussehen, in einer bestimmten Art und Weise wirken, nur dann bin ich liebenswert.
Ihr Buch will helfen, aus diesem Dilemma rauszukommen. Wie soll das gehen?
JONAS: Mein Ansatz ist Bewusstheit. Frauen sollen sich selber endlich mal anschauen, wahrnehmen, wie sie ihr Leben gestalten und wie sie sich dabei fühlen. Ein sich selbst reflektierender Mensch sucht nach einer natürlichen Balance. Er hat das Bedürfnis, dass sich Aktivität und Ruhe die Waage halten, wird also nicht nur rumzusitzen und sich nicht bewegen.
Man soll sich selbst "nackt" begegnen, sagen Sie auch, ehrlich zu sich selbst sein.
JONAS: Ja, ich empfehle, dass man sich mal ganz in Ruhe hinsetzt und überlegt: In was investiere ich eigentlich meine Lebenskraft. Und wodurch bekomme ich Energie? Fließt diese zu 90 Prozent in den Job oder zu 100 Prozent in andere? Wenn ich mit Frauen arbeite, kommen sie meist zu dem Schluss, das sie fünf, zehn, allerhöchstens 20 Prozent sich selbst geben. Das ist ein bisschen wenig, um sich gut zu fühlen.
Und der Buhmann ist dann oft die Figur?
JONAS: Genau. Man reagiert sich ab mit der kompensatorischen Idee: Wenn ich so und so viel abnehme, mir einen größeren Busen machen und die Schenkel absaugen lasse, dann werde ich glücklich sein. Figur super, alles super! Doch das stimmt leider nicht.
Zwei Kilo mehr auf der Waage, und der ganze Tag ist im ... Das kennen doch alle!
JONAS: Aber wenn man mit der Haltung, alles sei scheiße, in den Tag geht, strahlt man das auch aus. Im Job, den Menschen gegenüber, mit denen man zu tun hat. Man verdirbt sich das Leben.
Sie sind also gegen strenge Diäten?
JONAS: Für den Körper ist es essenziell, in Balance zu sein, einen ausgewogenen Stoffwechsel und Hormonhaushalt sowie ein funktionierendes Nerven-Muskel-System zu haben. Darüber wacht das Gehirn als Big Boss unseres Organismus. Es balanciert und tariert aus, um uns so sicher wie möglich am Leben zu lassen. Wenn ich ihn mit strengen Diäten oder übertriebenem Sport auf Dauer erschöpfe, treibe ich ihn in eine energetische Unterversorgung, werfe ihn aus seinem inneren Gleichgewicht. Dieses wiederherzustellen, kann eine Herausforderung sein. Darüber hinaus können Diäten zu diversen Beschwerden führen, von Schlaflosigkeit über Kopfschmerzen bis zu Herzproblemen.
Sich mit seinem Körper wieder zu versöhnen, so lautet also die Parole Ihres Buches.
JONAS: Ja, zurück zu einem natürlichen Körpergefühl und schließlich zum Wohlfühlgewicht.
Mit der Figur, die einem gegeben ist?
JONAS: Genau. Wir alle haben eine bestimmte Grundkonstitution, an der man nicht vorbeikommt. Und das ist gut so. Wir sind Individuen, was doch wunderbar ist. Wir wollen nicht alle gleich aussehen, auch wenn uns das manche einzureden versuchen. Man wird ja von allen Seiten bombardiert mit der "Idealfigur". Auf dass man nur ja nicht vergisst, dass man ein Figurproblem hat. Gleichzeitig werden alle möglichen Wunderlösungen angeboten. Ein Milliardengeschäft.
In Ihrem Buch empfehlen Sie den Nackt-Spiegeltest. Was ist das genau?
JONAS: Durch den kann man sehr schnell sehen, wie man wirklich zu seinem Körper steht. Sie stellen sich mit dem Rücken vor einen großen Spiegel, ziehen langsam Ihre Kleidung aus. Sobald sie nackt sind, drehen Sie sich um und erfassen den allerersten Gedanken, der Ihnen in den Sinn kommt. Ich habe einen Test gemacht, an dem sich 113 Frauen beteiligt haben. Elf Prozent berichteten von einem positiven Eigenurteil, fünf von "Soso, lala " Der große Rest reagierte negativ. Von "Schnell wieder anziehen" bis zu "Ich bin beschämt" oder "Es ist alles zu spät" war Unglaubliches dabei. Es geht hier nicht darum, den Gedanken überzubewerten, sondern ihn als Ausgangspunkt zu nehmen und mal zu sehen, ob man die Beziehung zu seinem Körper freundlicher gestalten kann.
Wie kann man also damit umgehen?
JONAS: Wenn der Gedanke negativ ausfällt, erst einmal stehen lassen, wie er ist. Nicht beurteilen, nur sagen: So ist das, aha! Und ihn dann in der sogenannten "Me-Time-Lounge" reflektieren. Die gibt es im Buch, systematisch aufgebaut, mit vielen Anregungen, um dem Körper näherzukommen.
Auch wieder zu gesundem Körpergefühl?
JONAS: Genau. Zurück zur Natürlichkeit. Hilfreich ist, des Öfteren gar nicht oder nur leicht bekleidet zu sein. Keine Sachen zu tragen, die einengen. Zu mir kommen Frauen, die sich kaum hinsetzen können, weil die Jeans so knapp sind. Da kann man sich nicht frei fühlen und auch nicht spüren, was der Körper sagen will. Und da wir heute immer häufiger sitzen, kann enge Kleidung sogar Ursache von massiven Erkrankungen sein. Werden Durchblutung, Lymphfluss, Atmung und Sauerstoffaufnahme behindert, kann sich das auf Gefäße, Rücken, Gelenke auswirken.
Man zwängt sich aber schon gern mal in eine Nummer kleiner...
JONAS: Oftmals wegen der Komplimente. Wow, du hast aber einen knackigen Po in der engen Jeans. Das hören wir natürlich gern. Dennoch sollte man nicht abhängig von der Anerkennung von außen sein. Wenn es so weit geht, dass eine Frau sich über ihre Figur als Mensch definiert und ihren Selbstwert davon ableitet, ist es nicht mehr lustig.
Sie raten vor allem zur Meditation, um etwas zu verändern.
JONAS: Ja, das ist eine sehr gute Methode um sich selbst näherzukommen. Um herauszufinden: Wer bin ich? Was macht mich aus? "Müsste" und "Sollte" werden über Bord geworfen. Man steigt aus dem äußeren Korsett aus, verlässt jegliche Rollen. Was zählt, ist das bloße Sein. Man kommt wieder an seinem Nullpunkt an und startet von dort neu. Das hilft Frauen, sich selbst anzuerkennen, so wie sie sind.
Splitternackte Tatsachen: Tipps für ein gesundes Körpergefühl
- Schau dich immer wieder nackt im Spiegel an, mit liebevollem Blick.
- Dusche und wasche dich mit der bloßen Hand, finde heraus, welche Berührungen dein Körper am liebsten mag.
- Schlaf nackt oder nur so leicht bekleidet wie möglich, damit der Körper sich unbegrenzt ausdehnen kann, wenn er in der Nacht regeneriert.
- Bekleide dich nur so viel, wie es nötig ist.
- Bewege dich auch in deiner privaten Umgebung sooft es geht nackt. Spür die Freiheit beim Bewegen, die so entsteht.
- Fühl so oft wie möglich in deinen Körper hinein. Nimm unterschiedliche sensorische Qualitäten wahr!
- Meditiere möglichst so, wie Gott dich schuf. Das wird dir helfen, noch unabgelenkter und purer zu sein.
Kommentare