"Ich habe im Jänner meine Wiener Genossenschaftswohnung gekündigt, habe all meinen Besitz verschenkt, verkauft und gespendet", erzählt Sabine Schlögl, 49. Ihren gesamten Schmuck hat sie einer Tierschutzorganisation für einen karitativen Flohmarkt ur Verfügung gestellt. "Um knappe € 300,- habe ich mir aus dem Verkauf der Dinge einen schönen gebrauchten Diamantring beim Dorotheum zum Geburtstag gegönnt. Vielleicht war das auch eher der Abschluss eines alten Lebensabschnitts und ein Zeichen für meinen Neubeginn." Mit nur zehn Kartons und zwei Koffern an persönlichen Dingen wie ein paar Büchern, Kleidung und Schuhen ging es für sie Anfang März ins Burgenland zurück in ihr Elternhaus.
Den Entschluss fasste die selbstständige Unternehmerin und Mentorin, als ihr jüngster Sohn ihr kurz nach den Weihnachtsfeiertagen verkündet hatte, eine WG zu gründen. "Aufgrund von Corona ist mir 2020 mein Einkommen weggebrochen. Dazu kam ein persönlicher und gesundheitlicher Breakdown." Der Auszug des Kindes bedeutete, dass auch die Alimente für ihn wegfielen. "Die Wohnung hätte ich mir alleine in der aktuellen Situation einfach nicht mehr leisten können."
"... und in Wahrheit macht dich der 150. Fetzen im Schrank auch nicht glücklich."
Die einfachste und schnellste Lösung: Zu den Eltern aufs Land ziehen - als Erwachsene zurück ins alte Kinderzimmer. Mit dem Gedanken, ihren Besitz aufs Notwendigste zu reduzieren, hatte sie davor schon öfter gespielt: "Wer kennt das nicht: Man hat einen Kleiderschrank voll mit Sachen, aber nichts zum Anziehen. Dem Konsumrausch der letzten Jahre bin auch ich aufgesessen, das ist kein Einzelschicksal. Und in Wahrheit macht dich der 150. Fetzen im Schrank auch nicht glücklich. Ich habe mich endlich von Dingen getrennt, die mir schon lange nicht mehr gepasst oder die mir in Wahrheit nie gefallen haben. Auch Dinge, die ich von Ex-Männern noch hatte oder die ich nie gebraucht habe. Weg damit. Es war ein riesengroßes Loslassen von altem Schrott. Und ich mag betonen, dass ich kein Messie war..." Vieles, wie Küchen- und Haushaltsutensilien, hat ihr Sohn in seine neue Wohnung mitgenommen. Eineinhalb Monate war sie damit beschäftigt, auszumisten. "Jetzt", so die Mutter zweier erwachsener Söhne, "habe ich weniger Dinge um mich, dafür ausgewählte."

Als Erwachsener wieder bei den Eltern wohnen: "Dann kam eine Art Mitgefühl und der Respekt vorm Alter."
Und wie geht’s der Zweifachmama damit, in ihrem alten Jugendzimmer zu leben? "Mein Zimmer ist meine kleine Oase. Ich habe es mir schnuckelig mit geringsten Mitteln neu hergerichtet. Ich habe ausgemalt, mir ein neues Bett, ein paar Teppiche, Pölster, schöne Grünpflanzen und ein mega-tolles Beistelltischen mit integriertem Bluetooth Lautsprecher gekauft. Ich fühle mich total wohl. Die pulsierende Energie in Wien war schon sehr anstrengend für mich im letzten Jahr und in den letzten Monaten. Morgens zwitschern die Vögel – das und die Stille genieße ich sehr." Ihr altes Leben beschreibt sie als getrieben und laut. "Vollgestopft mit Verpflichtungen, Regeln, Konzepten, Ansichten, Bewertungen. Und irgendwie war ich auch einsam, obwohl ich nie wirklich allein war."
Momente, in denen sie mit ihrem Entschluss hadert, gibt es dennoch: "Wenn ich nachts zum Beispiel laut Musik hören und tanzen möchte, geht das nicht. Meine Eltern sind knapp 70 und gehen früher schlafen als ich.! Auch Treffen mit Freundinnen in Wien müssen geplant sein und können nicht mehr spontan funktionieren. "Mich haben auch ein paar Kindheitsthemen eingeholt. Doch dann kam eine Art Mitgefühl und der Respekt vorm Alter. Meine Eltern haben wahnsinnig viel geleistet ihr Leben lang, sich auch viel erschaffen und aufgebaut. Das gilt es zu würdigen, anzuerkennen und zu respektieren."

"Sabine, das Essen steht am Tisch!"
Der Tagesablauf daheim ist maximal von den Essenszeiten bestimmt: Gemeinsames Frühstück gegen 8 Uhr. Danach arbeitet Schlögl in ihrem im Zimmer, während die Eltern unten Karten spielen. Mittagessen gibt's um halb eins. "Hausmannkost, sehr gut und meine Mutter probiert immer wieder etwas Neues aus. Ich wohne wie im Schlaraffenland und habe auch etliche Kilo in den knappen drei Monaten zugenommen, weil ich jetzt regelmäßig und viel und gut esse." Um 18 Uhr wird dann das Abendessen serviert. Mittlerweile ist die Familie eingespielt: "Meiner Mutter gebe ich Bescheid, wenn ich einen Kundentermin habe, damit sie nicht nach oben plärrt: 'Sabine, das Essen steht am Tisch!'. Das ist anfangs schon mal vorgekommen. Sehr lustig!"
Die Unternehmerin ist glücklich. "Ich habe alles, was ich brauche: Mein Leben und meine Freiheit."