Logo

Bin dann mal weg: Auszeit für Führungskräfte

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
9 min
Frau liegt in Pumps auf der Couch

©Unsplash
  1. home
  2. Politica
  3. Gesellschaft

Einfach mal eine längere Auszeit nehmen? Ja, auch Führungskräfte dürfen auf den Pause-Knopf drücken. Worauf es dabei ankommt? Wie die Zeit der Reflexion für neue Inputs sorgt und auf Herausforderungen vorbereitet.

Es scheint noch nicht ganz in unserer Arbeitswelt angekommen zu sein: Wer sich einmal bis ganz nach oben gearbeitet hat, tut sich schwer damit, einen Gang runterzuschalten, Pausen zu machen. Führungskräfte gönnen sich selten längere Auszeiten, bestätigt Anja Karlshaus. Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, dass nur etwa drei Prozent ein Sabbatical, also unbezahlten Sonderurlaub, in Anspruch nehmen. Die Professorin ist Expertin für Leadership und Arbeitswelttransformation und beschäftigt sich schon viele Jahre mit aktuellen Trends der Berufswelt. Sie weiß aber auch, dass vor allem bei jüngeren Führungskräften der Generation Y das Interesse an längeren geplanten Auszeiten wächst. Unter älteren Kolleg:innen gebe es tendenziell eine größere Zurückhaltung gegenüber Sabbaticals, sagt sie. Warum das so ist? Viele befürchten zum Beispiel, dass Time-outs ihrer Karriere schaden könnten. Neben finanziellen Einbußen erschwert aber auch die Verantwortung gegenüber dem Team und Projekten einen Ausstieg auf Zeit.

"Insbesondere bei einem hohen Arbeitsdruck und großer Verantwortung erscheint es schwer, das eigene Team quasi alleinzulassen", fasst Karlshaus zusammen. "Manager:innen haben oft das Gefühl, weniger Anrecht auf Pausen zu haben. Sie befürchten, dass dies als Schwäche interpretiert wird", betont die Wiener Arbeitspsychologin Anna Lammert-Hejl. "Zu Unrecht", findet sie. Dabei überwiegen die Vorteile von geplanten Pausen – unabhängig davon, in welcher Karrierestufe sich jemand befindet. "Sie bieten Möglichkeiten zur Erholung, Weiterbildung und Neuausrichtung der Karriere und Persönlichkeitsentwicklung und werden oft unterschätzt", so Lammert-Hejl. Eine aktuelle Studie für die Harvard Business Review hebt hervor, dass CEOs, die ein Sabbatical genommen haben, von mehr Klarheit und Zuversicht in ihre eigenen Stärken und einem gesteigerten Vertrauen in ihre Führungsfähigkeiten berichten. "Diese Zeit der Reflexion kann helfen, sich auf neue Herausforderungen einzulassen und Verantwortung zu übernehmen", erzählt die Leadership-Expertin.

Nur drei Prozent der CEOs gönnen sich längere Auszeiten.

Wie Auszeiten zu einer Win-win-Situation führen

Auszeiten bringen allerdings nicht nur für Führungskräfte Vorteile, sondern auch für das Unternehmen an sich. Die Autorin und Arbeitsrechtlerin Britta Redmann hat diesen Aspekt in ihrem Buch "Lebensphasenorientiertes Leadership" (Haufe Verlag, € 51,40) näher untersucht und betont: "Sabbaticals können zu einer echten Win-win-Situation führen. Zum einen werden Führungskräfte besser an das Unternehmen gebunden, und zum anderen sind Arbeitgeber:innen mit Auszeitmodellen auch für zukünftige Mitarbeiter:innen attraktiver." Die Abwesenheit von Vorgesetzten kann dazu beitragen, dass Teams selbstständiger werden und leichter Verantwortung übernehmen, wodurch dann auch der Umgang mit komplexen und unvorhergesehenen Situationen oder auch Krisen leichter funktioniert.

Und, vielleicht am wichtigsten: Sabbaticals können als wertvolle präventive Maßnahme hohe Burnout-Raten verhindern. "Wenn Unternehmen Sabbaticals entsprechend gestalten und fördern, verbessern sie nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen, sondern profitieren auch langfristig nach der Rückkehr von deren Engagement", ergänzt Lammert-Hejl. Männer in Führungspositionen nehmen seltener Auszeiten und seien im Gegensatz zu ihren weiblichen Kolleginnen viel stärker darauf bedacht, ihre "berufliche Kontinuität" zu wahren, fügt Anja Karlshaus hinzu. Der MenCare-Bericht vom Jahr 2021 zeigt, dass Frauen dreimal häufiger als Männer eine berufliche Pause für Betreuungsarbeiten einlegen. Ein wichtiger Aspekt dabei: "Sie nutzen Sabbaticals aus familiären Gründen wie Elternzeit oder Pflege von Angehörigen. Auch neigen weibliche Führungskräfte im Durchschnitt dazu, längere Auszeiten zu nehmen." Diese geschlechterspezifischen Unterschiede sind nicht nur auf individuelle Entscheidungen zurückzuführen. Sie hängen auch mit gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenzuschreibungen zusammen, die nach wie vor Einfluss darauf haben, wie Männer und Frauen ihre berufliche und private Zeitgestaltung planen, gibt Leadership-Expertin Karlshaus zu bedenken.

Idealerweise startet die Vorbereitung schon zwölf Monate vor dem Ausstieg.

Wann ist das richtige Timing für eine Pause?

Wie merkt man eigentlich, dass es der richtige Zeitpunkt ist für eine Pause? Die oder der ideale Kandidat:in für ein Sabbatical zeigt folgende Symptome: "Ständig überarbeitet, nicht mehr motiviert, kann sich nicht mehr vom Job distanzieren", bringt es Lammert-Hejl auf den Punkt. Anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und das Gefühl der Stagnation in der beruflichen Entwicklung weisen ebenfalls auf einen dringend benötigten Break hin, ergänzt Anja Karlshaus. "Es ist wichtig, eine solche Entscheidung wohlüberlegt zu treffen. Wer zum Beispiel in einer Projektphase mit hoher Verantwortung ist, gefährdet nicht nur den Erfolg des Unternehmens, sondern auch seine eigene berufliche Reputation. Oder wenn das Unternehmen gerade durch eine schwierige Phase geht und Umstrukturierungen, Fusionen oder finanzielle Probleme anstehen, könnte eine Pause riskant sein", so die Jobexpertin. Das gelte auch für Branchen mit schnellem technologischen Fortschritt oder häufigen Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen: "Hier droht die Gefahr, bei längeren Auszeiten den Anschluss zu verlieren."

Wer sich für eine längere Pause entscheidet, sollte idealerweise schon zwölf Monate vorher zu planen beginnen und dabei den finanziellen Aspekt nicht außer Acht lassen, findet Lammert-Hejl. "Transparente und frühzeitige Kommunikation im Unternehmen ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Auszeit. Der Fokus sollte dabei auf den persönlichen und professionellen Vorteilen für beide Seiten liegen", rät die systemische Organisationsberaterin.

Weibliche Führungskräfte legen dreimal häufiger als ihre männlichen Kollegen eine berufliche Pause ein.

Diverse Modelle: Job-Sharing & Co

Neben Sabbaticals und unbezahltem Urlaub gibt es aber auch viele alternative Modelle, die erholungsbedürftigen Führungskräften eine wohlverdiente Pause verschaffen: Teilzeitmodelle etwa oder Job-Sharing, also die Aufteilung der Führungsrolle mit einer anderen Person. Eine weitere Möglichkeit ist, die Führungsverantwortung temporär niederzulegen, während man im Unternehmen in einer weniger belastenden Rolle bleibt, zählt Anja Karlshaus mögliche Pause-Optionen auf. Die Forscherin weist aber auch darauf hin, dass unter Manager:innen eher kürzere, flexiblere Auszeiten beliebt sind: Modelle, in denen es möglich ist, eine Verbindung zum Betrieb aufrechtzuerhalten zum Beispiel. Projektbezogene Auszeiten, die persönliche Entwicklung mit Firmennutzen verbinden, oder intensive Erholungsphasen wie etwa Management-Retreats. Der Vorteil: "Erholung und neue Perspektiven, ohne komplett aus dem Arbeitsleben auszusteigen."

Mentale Vorbereitung

Bevor es an die finale Verabschiedung geht, sollte unbedingt ein Übergabeplan fixiert werden, damit das Team problemlos weiterarbeiten kann. Wichtig dabei ist "die mentale Vorbereitung", hebt Karlshaus hervor. Ihr Tipp: "Lösen Sie sich mental von der Arbeit, setzen Sie klare Grenzen für die Erreichbarkeit während der Pause." Zu diesem Plan kann auch schon die Rückkehr mitüberlegt werden – Updates und Übergabegespräche nach dem Wiedereinstieg etwa. Oder ein unterstützender Onboarding-Prozess, wie es vor allem größere Unternehmen anbieten, empfiehlt Anna Lammert-Hejl. Und wenn dann mal endlich alles auf Schiene ist, steht dem Urlaub auf Zeit nichts mehr im Weg.

*Dieser Beitrag enthält Produkte, die uns zum Testen zur Verfügung gestellt wurden, oder Affiliate-Links. Wenn du über den Link etwas einkaufst, bekommen wir von dem betreffenden Shop eine Provision.

Über die Autor:innen

Logo
-20% auf das WOMAN-Abo

Hol' dir WOMAN im Jahresabo und spare -20%