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Schwanger mit 43 - ist das zu alt!?

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Sie ist bereits Mama einer 20-jährigen Tochter. Jetzt bekommt die Unternehmerin ihr zweites Baby – mit 43. "Definitiv zu spät", finden viele. Wie sie selbst darüber denkt und was Experten sagen.

"Es ist ein absolutes Wunschkind. Ich habe vor drei Jahren meinen Mann (56) kennengelernt", erzählt Tamara G., 43, (Name von der Redaktion geändert) "Er arbeitet als Dirigent in Asien, USA und Europa. Wir sind von einem Kontinent zum anderen gereist. Dann ist meine Mutter Anfang 2020 mit 73 Jahren überraschend verstorben. So ein Schicksalsschlag relativiert einfach vieles und man erkennt, was wirklich wichtig ist: Familie. Und wir kamen zum Schluss, dass ein gemeinsames Baby etwas Wundervolles wäre."

Gleichzeitig war da das Bewusstsein, "nicht mehr 20 zu sein". Ein Besuch bei ihrem Frauenarzt Friedrich R., der sie schon bei ihrem ersten Kind begleitet hat, aber hat gezeigt: "Alles gut, er hat mir grünes Licht für eine Schwangerschaft gegeben. Ich hab mich durchchecken lassen, um auf Nummer sicher zu gehen."

Eine Vorgehensweise, die auch Gynäkologin Eva Lehner-Rothe empfiehlt: "Ein Kind auszutragen ist für den Körper eine enorme Belastung. Eine Gesundenuntersuchung im Vorfeld zeigt, ob man dafür fit genug ist." Auch wichtig: ein gesunder Lebensstil. "Das gilt für jede Schwangere, aber besonders für die älteren – die richtige Ernährung, kein Alkohol, nicht rauchen und ausreichend Bewegung."

Wann ist der "perfekte" Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen?

Ein paar "Versuche" später war's soweit: Tamara war schwanger. Dass es so schnell und unkompliziert funktioniert hat, ist nicht selbstverständlich. Denn: Mit über 40 liegt die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Befruchtung pro Zyklus bei rund 5 bis 8 Prozent. Etwa 30 Prozent werden in diesem Alter innerhalb von zwölf Monaten schwanger. Ab 45 sinkt die Chance auf etwa fünf Prozent. Zum Vergleich: Wenn eine 20- bis 25-jährige Frau versucht, ein Kind zu bekommen, klappt es innerhalb eines Jahres zu 80 Prozent. Der "perfekte" Zeitpunkt, biologisch gesehen, ein Kind zu bekommen ist zwischen 20 und 30. Lehner-Rothe: "Da sind die körperlichen Voraussetzungen, ein gesundes Baby zur Welt zu bringen, am besten."

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Die Expertin erklärt: "Nicht nur die Menge an noch vorhandenen Eizellen nimmt mit zunehmendem Alter ab, sondern auch die Qualität. Dadurch kommt es häufiger zu Fehlverteilungen bei den Chromosomen. Die Konsequenz, die sich daraus ergibt: Das Risiko von Fehlbildungen oder Fehlgeburten steigt." Deshalb rät die Expertin allen späteren Müttern unbedingt den NIPT- oder Harmony-Test zu machen: "Es ist eine Blutuntersuchung, die die kindliche DNA analysiert und möglichen Trisomien ausschließen kann. Die Ergebnisse sind noch genauer als die beim Combined Test." Durchgeführt wird der Check ab der zehnten Schwangerschaftswoche. Kosten: 600 Euro. "Nicht gerade billig, aber definitiv sinnvoll", so die Medizinerin.

Wie beeinflusst das Alter werdende Väter?

Tamaras Mann ist 56. Wie wirkt sich sein Alter auf das Baby aus? Lehner-Rothe: "Ein Mann kann bis ins hohe Alter Spermien nachproduzieren, allerdings auch nicht ganz problemlos. Hier besteht – mit zunehmendem Alter - ebenfalls die Gefahr von Fehlbildungen im Erbgut." Statistiken zeigen, dass das Risiko bei Männer über 45 steigt. Ihre Partnerinnen können vermehrt von Schwangerschaftsdiabetes, Schwangerschaftsvergiftung und Frühgeburten betroffen sein.

"Jede Mutter ist auf ihre Weise großartig."

Tamara hat diese Untersuchung gemacht. "Ich habe mir dafür natürlich Gedanken über mögliche Fehlbildungen gemacht. Seit ich weiß, dass hier alles in Ordnung ist, bin ich viel ruhiger." Und wie nimmt sie diese Schwangerschaft im Vergleich zu ihrer ersten wahr? "Körperlich geht's mir gut. Ich bin mal müde, habe Gelüste, ... schwanger eben! Ich freue mich auf das Baby genauso wie vor 20 Jahren, - damals war es nicht geplant, jetzt war es eine bewusste Entscheidung. Im Grunde geht es um die gleichen Themen: Ultraschall, Babybett, Entbindung, Babyklamotten, … Ich habe aber sicher mehr Lebenserfahrung als mit 23 Jahren. Ich stehe voll im Berufsleben, mein Freundeskreis ist gefestigt und ich habe nötige Ruhe, alles einigermaßen gelassen anzugehen. Ich will aber jetzt nicht sagen, dass junge Mütter nicht toll sind, - ich war ja selbst eine - ich glaube jede Mutter ist auf ihre Weise großartig."

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Psychologin Nina Juricka beleuchtet es aus wissenschaftlicher Perspektive: "Ein Teil im Gehirn, der präfrontale Kortex, der unter anderem für das Emotionserleben und Entscheidungsfähigkeit wichtig ist, ist erst kurz vor dem 30. Geburtstag fertig ausgebildet, wodurch man vermutet, dass Personen höherer Altersgruppen einen höheren emotionalen Erfahrungsschatz haben, der sie bei der Kindererziehung unterstützen kann." Die Lebenserfahrung kann in manchen Situationen aber auch hinderlich sein: "Junge Eltern gehen, im Gegensatz zu älteren, eher unbekümmert beziehungsweise intuitiver an die Kindererziehung heran, was den Kindern den notwendigen Experimentier- und Entwicklungsspielraum lässt." Was man aber nicht vergessen darf: "Das kann natürlich auch zur Überforderung im Erziehungsprozess führen."

Emerging aduldhood beeinflusst das Alter bei der ersten Schwangerschaft.

Ab 35 gilt man laut Krankenkasse als Risikoschwangere. Tatsache ist auch, dass sich der Trend der späteren Mutterschaft verstärkt. 2019 lag das durchschnittliche Alter der Frau zum Zeitpunkt der Geburt lag bei 31,2 Jahren, um 4,4 Jahre mehr als vor 30 Jahren. Eine Erklärung dafür liefert Juricka: "Entwicklungspsychologisch lässt sich das auf das 'emerging adulthood'-Phänomen zurückführen. Es bezeichnet eine Phase zwischen Adoleszenz und Erwachsenenalter, in der man sich nicht mehr jugendlich, aber auch noch nicht erwachsen fühlt. Diese Zeitspanne existiert erst seit wenigen Jahrzehnten und ist geprägt von Identitätsfindung, Experimentierfreudigkeit und Unbeständigkeit in beruflichen und zwischenmenschlichen Themen – ein Kinderwunsch ist hier tendenziell (noch) nicht vorhanden."

Lehner-Rothe beobachtet in der Praxis vor allem ein Stadt-Land-Gefälle: "In meiner Ordination in Baden betreue ich viele Schwangere mit Mitte 20. In der Stadt sind die Frauen, die ein Kind erwarten, durchschnittlich älter. Das liegt an den unterschiedlichen Lebenskonzepten. Am Land sind die Menschen meist früher gesettelt als in der Stadt."

"Du bist zu alt", fand die ältere Tochter.

Görlichs erste Tochter Mona, 20, war anfangs nicht überzeugt: "Sie meinte, ich wäre zu alt für dieses Kind. Ihre Skepsis hat sich mittlerweile gelegt. Sie war bereits mit mir Babyklamotten kaufen. Und den Trend-Kinderwagen hat sie mir auch schon gezeigt." Die werdende Mama jedenfalls findet sich selbst nicht zu alt: "Ich fühle mich fit, stehe mitten im Leben und habe nun endlich meinen Prinzen getroffen - für mich ist es perfekt." Und eines ist auch sicher: "Die Nächte sind genauso lang, egal ob man mit 23 oder 43 Jahren Mama wird."

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